Österreichs Doping-Affäre:"Ausschluss von Olympia ist möglich"

Nach den drei Doping-Razzien in Österreichs Olympia-Team fliegen jetzt innerhalb der rot-weiß-roten Mannschaft trotz der Medaillenflut von Turin die Fetzen.

Während der Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees von Österreich (ÖOC), Heinz Jungwirth, von der Gefahr eines Ausschlusses Österreichs sprach, reagierte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel überaus gereizt und orakelte: "Ich bin wirklich angefressen. Das Ganze ist schlecht für den österreichischen Sport. Irgendwann werde ich meine schützende Hand nicht mehr übers ÖOC halten."

Er verlangte via ORF-Fernsehen einen runden Tisch und eine offene Aussprache. "Für Jungwirth gibt es offenbar einen Konflikt zwischen ÖOC und ÖSV, für mich nicht", sagte der ÖSV-Boss, der auch ÖOC-Vizepräsident ist und vor allem durch seinen Auftritt bei der ÖSV-Pressekonferenz in Sestriere Anfang der Woche in die Kritik geraten war.

Jungwirth sagte im Interview mit der Zeitung Kurier: "Ich habe auf ihn eingeredet wie auf ein krankes Ross, erst dann zu reden, wenn wir Fakten haben. Aber der große Meister wollte die Pressekonferenz unbedingt halten." Jungwirth sieht immer noch die Gefahr einer Suspendierung: "Alles ist möglich, auch der Olympia-Ausschluss Österreichs.

Es hat im Exekutiv-Komitee des IOC bereits eine Abstimmung gegeben, ob wir rausgeworfen werden sollen. Aber es gibt Gott sei Dank noch Leute, die nicht sofort Hurra schreien, wenn Österreich auf einmal fehlt." Seitens des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wurde am Freitag nochmals dementiert, dass Österreich als Dauerteilnehmer seit den ersten Winterspielen 1924 in Chamonix vor der Suspendierung stehe. "Es gab keine Abstimmung über einen Ausschluss Österreichs im Exekutivkomitee", sagte ein nicht namentlich genannter IOC-Vertreter der Nachrichten-Agentur Reuters.

Geheime Informationen

Jungwirth machte klar, was das IOC von den Österreichern angesichts des Dopingverdachts gegen die Biathleten Wolfgang Perner und Wolfgang Rottmann sowie Cheftrainer Emil Hoch, die allesamt vor den italienischen Fahndern geflohen waren, erwartet. "Wir werden keine Leute opfern, um vor dem IOC gut dazustehen. Aber wenn wir diese Causa versauen und nicht alles lückenlos aufklären, wird es für Österreich schlecht ausgehen", sagte Jungwirth, "wir wollen niemanden über die Klinge springen lassen.

Aber wir müssen transparent sein." Der internen Untersuchungskommission unter Vorsitz von Dieter Kalt gehört auch Österreichs Abfahrts-Olympiasieger Franz Klammer an.

Nach den Doping-Razzien am vergangenen Samstag in den österreichischen Quartieren der Biathleten in San Sicario und der Skilangläufer in Pragelato mussten sich sechs Langläufer und vier Biathleten einem Doping-Urintest unterziehen. Die Ergebnisse stehen immer noch aus.

Der ÖSV hatte zugegeben, dass Perner und Rottmann möglicherweise verbotene Methoden angewendet hätten. Jungwirth ist nach wie vor verärgert, dass der ehemalige Trainer Walter Mayer, Auslöser der Doping-Razzien, sogar im österreichischen Quartier gewohnt hat, obwohl er vom IOC bis Vancouver 2010 suspendiert ist. Seiner Meinung nach hat die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) Geheiminformationen über Mayer erhalten.

Jungwirth sagte: "Die Wada hatte meines Wissens eine Liste, in der sogar stand, dass Walter Mayer im Quartier, wo später die erste Razzia stattgefunden hat, im ersten Stock untergebracht wird." Diese Information soll offenbar vom ÖSV gestammt haben, der die Fis über vor Ort untergebrachte Personen ganz naiv informiert hatte. "Und von dort dürfte sie die Wada bekommen haben.

Für die war das eine Freude", sagte Jungwirth. Wada-Chef Richard Pound habe Mayer im Gespräch mit dem ÖOC-Generalsekretär als "Teufel" bezeichnet. "Dass er im Quartier war und man dort die gleichen belastenden Dinge gefunden hat wie in Salt Lake City, ist unglaublich blöd", befand Jungwirth.

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