Österreicher vor der Ski-WM:Nur der Bulle von Öblarn ist auf Goldkurs

Österreicher vor der Ski-WM: Im Super-G noch keinen WM-Startplatz: Für Benjamin Raich, 34, geht es an diesem Wochenende in Kitzbühel um viel.

Im Super-G noch keinen WM-Startplatz: Für Benjamin Raich, 34, geht es an diesem Wochenende in Kitzbühel um viel.

(Foto: AFP)

Hermann Maier oder Michael Walchhofer waren Helden in Österreich. Und heute? Zur Heim-WM in Schladming hat die Nation die Dominanz in den schnellen Disziplinen eingebüßt. Noch sind längst nicht alle Startplätze vergeben - weil sich keiner aufdrängt.

Von Michael Neudecker, Kitzbühel

Am Mittwoch haben sie zwei Bikini tragende Frauen im Whirlpool auf der Titelseite präsentiert, am Donnerstag auf vier Seiten den Skirennfahrer Georg Streitberger, verkleidet als "Mundl", eine österreichische Fernseh-Kultfigur mit Unterhemd und Latzhose, und warum auch nicht? Die Ski-Weltmeisterschaft von Schladming 2013 ist das größte Ereignis in Österreich seit der Ski-Weltmeisterschaft von St. Anton 2001, manche Zeitungen berichten schon jetzt seitenweise, buchweise darüber, zum Beispiel die Kronen Zeitung, das größte Boulevardblatt des Landes: Jeden Tag 16 Seiten Schladming, montags sogar 24 Seiten, seit vergangener Woche. Das erste WM-Rennen findet am 6. Februar statt, und 16 Seiten sind viel Platz.

"Schladming ist ein großes Thema", sagt wenig überraschend Benjamin Raich, der Raich Benni, weshalb er froh ist, dass er jetzt nicht in Schladming ist, sondern in Kitzbühel. Kitzbühel ist nicht Schladming, und dass die Rennen am Hahnenkamm die letzten vor der WM sind (abgesehen vom City Event in Moskau kommende Woche), "das ist perfekt für uns", sagt Hannes Reichelt, "man bleibt im Jetzt". Wenn auf der Streif gefahren wird, geht es vor allem um die Streif, um Kitzbühel, so ist das in Österreich. "Schladming ist nah", sagt also Benjamin Raich, "und doch weit weg."

Die Athleten, sagt der österreichische Cheftrainer Mathias Berthold, seien "mit dem Kopf hier in Kitzbühel", das sei gut; für Leistungssportler kann es entscheidend sein, wo der Kopf gerade ist. Die Zeitungen schreiben tatsächlich viel über Kitzbühel jetzt, Kitzbühel überstrahlt Schladming, nicht wahr? "Mmh", macht Berthold, "so tät' ich das nicht sagen", so einfach ist die Sache ja dann doch wieder nicht.

Zum Beispiel Benjamin Raich: An diesem Freitag, beim Super-G, bestreitet Raich sein 400. Weltcup-Rennen, und die Jubiläumsfahrt ist vor allem aus sportlicher Sicht eine besonders wichtige für ihn, eben: wegen Schladming.

Er ist schon 34, und Schladming, sagt er, als er an einem Tisch im österreichischen Teamhotel in Kitzbühel steht, könnte vielleicht seine letzte WM sein, er glaube zwar nicht, dass er nach der Saison aufhöre, aber "ob ich dann noch mal bei einer WM fahr', weiß ich nicht". Bislang hat er in der Kombination und im Riesenslalom einen Platz im WM-Aufgebot sicher, im Super-G dagegen noch nicht, er bräuchte ein gutes Resultat an diesem Freitag in Kitzbühel. Eines unter den Top Zehn mindestens, Benjamin Raich ist ja Österreicher, bei weitem nicht der einzige, der noch einen Platz im WM-Team will. Der Super-G am Freitag und die Abfahrt am Samstag - für Raich und seine Kollegen sind das diesmal nicht nur zwei Tage Kitzbühel, zwei Tage Abenteuer auf der Streif, der berüchtigtsten Skirennstrecke der Welt, sondern auch zwei Tage Casting.

Sie waren Helden

Vier Athleten darf jede Nation pro Disziplin nominieren, im österreichischen Team sind in der Abfahrt erst zwei Plätze vergeben, im Super-G gar erst einer, an den jungen Matthias Mayer: Er ist der einzige, der bei den bisherigen Super-G-Rennen immer in den Top Zehn war.

Um die restlichen Plätze fahren sieben Athleten, der Konkurrenzkampf ist groß, das ist die eine Seite, die andere ist: Es gibt derzeit zu wenige in Österreich, die sich aufdrängen.

Das Speed-Team war mal der größte Stolz der Österreicher, Abfahrer wie Michael Walchhofer waren Helden, Hermann Maier sowieso, aber Walchhofer und Maier fahren nicht mehr. Jetzt haben sie ein paar Erfahrene und ein paar Talente, vor allem aber haben sie nur ein paar gute Resultate. In Gröden, im Dezember, war sogar ein gewisser Marvin van Heek schneller als alle Österreicher; "dass uns der Holländer abgehängt hat", sagt Berthold, er blickt sehr ernst, "das war der Tiefpunkt".

In der Abfahrt haben Klaus Kröll und Hannes Reichelt ihre Plätze sicher, Klaus Kröll ist die größte Hoffnung der Nation auf Abfahrtsgold, sie nennen ihn den Bullen von Öblarn, weil er eine wuchtige Erscheinung ist. Er ist ein echter Abfahrer, aber er hat seit einem Jahr kein Rennen mehr gewonnen, und Hannes Reichelt hat zwar in Bormio gewonnen, das ist beachtlich, er fährt ja gerade in seiner dritten Abfahrtssaison, vorher fuhr er nur Riesenslalom und Super-G.

Nur: Wenn Kröll der Bulle von Öblarn ist, dann ist Hannes Reichelt das Handtuch von Altenmarkt. Reichelt sagt: Er würde gern so aussehen wie Klaus Kröll, "aber ich hab' fünf Kilo zu wenig". Hannes Reichelt ist 1,84 Meter groß und wiegt knapp mehr als 80 Kilo, er ist kein typischer Abfahrer, er ist kein Klaus Kröll, sondern eher ein Benjamin Raich.

Benjamin Raich wird bei der WM-Abfahrt nicht starten, er konzentriert sich, was die Geschwindigkeitsrennen angeht, auf den Super-G. "Kitzbühel ist meine letzte Chance", sagt Raich, und wenn er es schafft, dann wäre das ein würdiges Jubiläum, steht in der Kronen Zeitung, Seite eins bis drei.

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