Nürnbergs Timm Klose:Ätzende Kritik für den Pechvogel

Timm Klose ist der derzeit vielleicht traurigste Spieler der Bundesliga. Erst ist der Verteidiger mitverantwortlich, dass die Schweiz nicht zur EM fährt. Dann verursacht er gegen Freiburg das späte 1:2, weint vor der Kamera - und wird auch noch von Trainer Dieter Hecking gemaßregelt. Seine Formkrise ist spiegelbildlich für die junge Nürnberger Mannschaft.

Markus Schäflein

Timm Klose, 23, ist bekennender Fan des schwergewichtigen Prügel-Komikers Bud Spencer ("Wo gehobelt wird, fallen Zähne"). Am Samstag überraschte Klose, Innenverteidiger des 1. FC Nürnberg, aber mit einer sensiblen Seite, wie sie im Männerfußballbetrieb selten zu sehen ist.

1. FC Nürnberg - SC Freiburg

Antiheld in der 93. Spielminute: Nürnbergs Timm Klose (vorne).

(Foto: dpa)

Gerade hatte er mit einem Fehler in der 93. Spielminute den 2:1-Sieg des SC Freiburg in Nürnberg verursacht, vor den Fernsehkameras hielt er seine Tränen noch zurück, aber im Interview mit einer Radioreporterin brachen die Dämme. "Da macht man so einen Fehler und stürzt alles in den Abgrund", klagte Klose und schluchzte, "das ist unverzeihlich. Es tut mir leid, dass ich durch so einen dummen Fehler das ganze Spiel kaputt gemacht habe."

Auch der zarte Hinweis der mitfühlenden Reporterin, es sei doch erst der 12. Spieltag und Nürnberg noch längst nicht abgestiegen, vermochte Klose nicht zu trösten. "Jetzt muss ich das erst verkraften", stammelte er, "ich muss zu meiner Familie nach Hause, und dann muss ich wieder aufstehen."

Vielleicht hatte Club-Trainer Dieter Hecking von Kloses Gefühlslage noch gar nichts mitbekommen, als er hernach in Bud-Spencer-Manier auf seinen Nachwuchsmann eindrosch. Gewöhnlich stellt sich Hecking konsequent schützend vor seine jungen Spieler; diesmal kritisierte er ausgerechnet jenen, der schon völlig am Boden war. Einen "kapitalen Bock" habe Klose geschossen: "Das zweite Tor darf nicht fallen. In der Szene muss man den Ball ins Aus befördern. Warum Timm einen Rückpass spielt, wird er mir noch enträtseln müssen."

Es sind schwere Wochen, die Klose, der in Frankfurt am Main geborene und in Basel aufgewachsene Deutsch-Schweizer, derzeit durchmacht. Vor kurzem erst hatte er noch erzählt, die Entscheidung, nach Nürnberg zu gehen, sei "die beste meines Lebens" gewesen: "Der Verein, die Stadt, die Leute - alles ist hier phantastisch."

Als Innenverteidiger-Duo der Zukunft wurden er und Philipp Wollscheid vor wenigen Wochen noch gefeiert. Doch der schnelle Aufstieg vom Schweizer FC Thun zur Stammkraft in der deutschen Bundesliga ging nicht ohne Rückschläge vonstatten. Man könnte annehmen, dass Klose die Länderspielpause als kleine Abwechslung gelegen kommt - am Freitag tritt die Schweiz in Amsterdam zum Test gegen die Niederlande an, dann am Dienstag noch in Luxemburg.

Schwere Zeit

Doch auch bei der Nati hatte Klose zuletzt keine gute Zeit: Bei seinem Startelf-Debüt in Wales (0:2) Anfang Oktober verursachte er beim Stand von 0:0 einen Elfmeter, für die Schweiz war der Traum von der Teilnahme an der Europameisterschaft damit vorbei. "Klose, das ging in die Hose", ätzte umgehend die Schweizer Boulevardzeitung Blick, und als der 23-Jährige dann die Teilnahme an einer von der Zeitung organisierten Fernsehsendung absagte, titelte sie: "Timm Klose: Zuerst überfordert, jetzt auch noch beleidigt?"

Natürlich hatte Klose gewusst, dass es in seiner plötzlich kometenhaften Karriere auch mal Rückschläge geben würde. "Als junger Spieler macht man auch mal Fehler", ahnte er. Aber es ist ein Unterschied, ob man das weiß oder ob man es erlebt. Im Moment fehlt ihm seine Freundin Fabienne besonders, die in Basel Wirtschaft und Medienwissenschaften studiert und nur am Wochenende nach Franken kommen kann. "Ich vermisse sie oft. Sie hat mir in meiner Karriere immer den Rücken gestärkt", sagt Klose.

Seine Formkrise ist spiegelbildlich für die gut gestartete und dann eingebrochene junge Mannschaft der Nürnberger. Seit 11. September (2:1 in Köln) hat der Club nun kein Bundesligaspiel mehr gewonnen, drei Pünktchen aus sieben Spielen stehen seitdem zu Buche. Platz 15 bei nur noch zwei Zählern Vorsprung auf einen Abstiegsplatz ist die Folge.

Zu allem Überfluss fällt in Javier Pinola ein erfahrener Defensivmann schon wieder aus, nach Angaben des Nürnberger Mannschaftsarztes für unbestimmte Zeit. Pinola klagte nach dem Spiel gegen Freiburg bereits über Schmerzen, am Dienstag wurde eine Schambeinentzündung diagnostiziert.

Wir schenken die Tore zur Zeit geradezu her", klagt Hecking, der aber vor "Aktionismus" warnt: "Die Mannschaft hat in dieser Saison ja schon hervorragende Spiele gemacht und bewiesen, dass sie erfolgreich Fußball spielen kann." Personelle Maßnahmen zur Rückrunde sind bei Hecking, einem erklärten Gegner von Wintertransfers, kaum zu erwarten. Der Trainer wird stattdessen daraufsetzen, dass sein vorhandenes Personal wieder in die Spur findet - auch Klose: "Er muss aus seinen Fehlern lernen und wieder aufstehen."

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