Nürnberger Pleite gegen Freiburg:Gelähmt von der Angst

SC Freiburg v 1. FC Nuernberg - Bundesliga

Sorgen und Ängste: Club-Trainer Verbeek kassierte mit seinen Nürnberger eine Niederlage in Freiburg.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

So wird es nichts mit dem Klassenerhalt: Der 1. FC Nürnberg zeigt beim 2:3 in Freiburg eine wackelige Defensiv-Leistung und kann selbst von einer zweimaligen Führung nicht profitieren. FCN-Trainer Verbeek ärgert sich nach Schlusspfiff über das Verhalten seines Kollegen Christian Streich.

Von Jonas Beckenkamp

In Nürnberg war wieder einiges los unter der Woche. Da gab es zum Beispiel ein befreiendes 2:0 des FCN gegen den VfB Stuttgart, was bei vielen Franken wieder die Lebensgeister weckte. Ein ganz so großer Depp ist der Club dann doch nicht - diese Erkenntnis teilt mit Sicherheit auch Trainer Gertjan Verbeek.

Der 51-Jährige ist ein unerschrockener Mensch mit einer schönen Frisur, so einer glaubt natürlich immer an das Gute. Als am Freitag in der Innenstadt sein falsch geparktes Auto abgeschleppt wurde, reagierte er gelassen. "Das nächste Mal nehme ich das Fahrrad", so sein lapidarer Kommentar. Und weil Verbeek Holländer ist, darf man ihm das ruhig glauben.

Mit seiner Art kommt der Coach gut an in Nürnberg, wo sie in dieser Saison nicht nur die Sonnenseiten des Fußballs kennengelernt haben. Ein junge Mannschaft, viele Verletzte, eine sieglose Hinrunde - solchen Sorgen begegnete Verbeek stets mit einem simplen Credo: Angst bringt nichts. Doch an diesem 28. Spieltag musste seine Mannschaft nach Freiburg reisen und Freiburg ist für den 1. FC Nürnberg das, was landläufig "Angstgegner" genannt wird. Neun quälende Jahre hatte der Club nicht mehr gegen die Breisgauer gewonnen.

Nach 90 aufregenden Minuten herrscht nun Gewissheit, dass diese Serie auch weiterhin ein Nürnberger Dauerdilemma bleibt. Der Club lieferte eine echte Zitternummer ab und zeigte vor allem in der Defensive arge Schwächen. Trotz zwischenzeitlicher Führung verloren die Franken 2:3 (2:1), was im Duell mit dem direkten Konkurrenten Freiburg doppelt bitter war. Die Tore von Emanuel Pogatetz (7. Minute) und Josip Drmic (45.) konnten die starken Breisgauer mit Treffern von Pavel Krmas (23.), Admir Mehmedi (53.) und Felix Klaus (68.) kontern. Die Tabelle wirkt nun für den Tabellen-15. aus Nürnberg noch um einiges bedrohlicher als für die Freiburger, die auf Position 13 kletterten.

"Heute hatten wir nicht so viele Torchancen, wir hatten kaum gute Szenen nach vorne", sagte Drmic, "das war eine sehr ärgerliche Niederlage." Anders war die Stimmung beim SC. "Hier spielen zwei Mannschaften gegen den Abstieg und es kommt so ein tolles Spiel heraus - das spricht für die Qualität der Bundesliga," erklärte der glückliche Freiburger Trainer Christian Streich. Sein Gegenüber Verbeek beschwerte sich nach dem Schlusspfiff bitter über das Verhalten seines Kollegen Streich.

Dieser habe ihn beleidigt. "Wenn man so von einem Kollegen behandelt und beschimpft wird: So etwas habe ich noch nicht erlebt. Das ist unverschämt, brutal und respektlos", meinte der Niederländer. Aus Ärger über das Benehmen Streichs blieb Verbeek der Pressekonferenz fern. Streich wies die Anschuldigungen zurück: "Ich beleidige doch keinen Kollegen. Das ist Wahnsinn. Er hat mir den Vogel gezeigt."

Dabei hatte der Abend für Verbeek eigentlich recht angenehm begonnen. Der Club-Trainer nahm die solide Vorstellung seiner Männer gegen Stuttgart zum Anlass, die Dinge diesmal unverändert zu lassen. Bei all den Ausfällen scheint er in diesen Tagen tatsächlich so etwas wie eine Stammelf gefunden zu haben. Für den zuletzt rotgesperrten Javier Pinola bedeutete dies zunächst eine ungewohnte Ausgangslage: Der Argentinier saß auf der Bank. Von dort hatte er immerhin beste Sicht auf das Geschehen, das seine Kollegen munter in Angriff nahmen.

Während Freiburg sich noch ein wenig die Augen rieb, preschten die Gäste einfach drauf los. Im Mittelfeld wirkte Hiroshi Kiyotake aufgedreht wie lange nicht. Der Japaner wuchtete erst einen Warnschuss knapp über das Tor, ehe er vorführte, was er sonst noch so kann: Nach einer kurz gespielten Ecke pinselte der Japaner eine Flanke in den Sechzehner, die Pogatetz mühelos über die Linie köpfelte (7.).

Es war der perfekte Start für den Club, denn mit einer Führung im Rücken bestand gleich noch weniger Grund für ängstliches Verzagen. Komischerweise trat aber genau das ein. Nürnberg begann zu wackeln, vor allem hinten taten sich bedenkliche Löcher auf. Als ein langer Ball zu Admir Mehmedi segelte, schüttelte der Freiburger gekonnt Verteidiger Nicklas Stark ab und hob die Kugel über FCN-Keeper Raphael Schäfer - am Ende der Aktion brüllte das Stadion laut auf, denn der Pfosten verhinderte den Ausgleich.

Pogatetz fliegt vom Platz

So ging es weiter. Nürnberg wirkte seltsam irritiert, Freiburg rannte an. Für ein Abstiegsduell entwickelte sich ein rasantes Spektakel, das der SC immer mehr an sich riss. In der 23. Minute belohnten sich die Männer von Trainer Christian Streich selbst: Eine Ecke von Jonathan Schmid landete auf dem Kopf von Krmas - und schon stand es 1:1. Diesmal schrie die Arena so laut, dass im Schwarzwald haufenweise Bäume wackelten.

Nürnberg hatte nun endgültig Schlotterknie bekommen, denn plötzlich klappte beim FCN gar nichts mehr. Schon beim nächsten Freiburger Angriff wäre fast das 2:1 gefallen, aber wieder rettete der Pfosten bei einem Flachschuss von Schmid. Verbeek verfolgte die Leiden seiner Spieler gespannt - am liebsten hätte er sie wohl alle für einen Moment in den Arm genommen, um ihnen Mut zuzusprechen.

Praktischerweise erledigte diese Beruhigungsmaßnahme dann Schiedsrichter Jochen Drees: Weil bei einer Ecke der Franken Krmas ausgiebig an Pogatetz herumzupfte, gab es Elfmeter. Für die Nürnberger kam dieses Geschenk wie gerufen. Josip Drmic, bis dahin eher als Stehtourist unterwegs, verwandelte mit einem Schuss aus der Rubrik "So trifft ein kommender Torschützenkönig" - es war sein 16. Saisontreffer (45.).

Verbeek reagierte auf das Kuddelmuddel in der FCN-Hintermannschaft, indem er den gelb-rot-gefährdeten Stark durch Ondrej Petrak ersetzte. Doch es wurde nicht besser. Schon kurz nach Wiederanpfiff begegneten sich Pogatetz und Felix Klaus im Nürnberger Sechzehner. Der Österreicher ging reichlich ungeschickt in den Zweikampf und legte den Freiburger plump aufs Kreuz, wieder pfiff der Referee Strafstoß. Mehmedi nutzte die Gelegenheit und schwupps hatte dieser lustige Abend seine nächste Pointe (53.). Der Club konnte sich über diese Wendung nicht beschweren, denn er wankte weiter wie ein Segelboot im Sturm. Hinten herrschte quasi ständige Unordnung, während vorne viele Pässe im Nichts versackten.

Der nächste Freiburger Angriff schien schon fast vorüber, als die Kugel Felix Klaus vor die Füße plumpste. Der 21-Jährige drehte sich, zog mit links ab und traf so schön ins Kreuzeck, dass man den Treffer einrahmen sollte (68.). Die Breisgauer führten nun verdient mit 3:2, sie hatten deutlich mehr investiert und bissen sich in jede Aktion hinein. Von den Franken kamen kaum entlastende Momente und so trudelte dieses hochinteressante Spiel auf ein gerechtes Ende zu. Als der Schiedsrichter abpfiff, stand fest: Die Angst wird bleiben in Nürnberg.

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