Nürnberg reist nach Dortmund:Strategie mit Reiztherapie

Trainingsauftakt 1. FC Nürnberg

Nürnbergs Trainer Michael Wiesinger (l.): setzt viel auf Leidenschaft beim Training 

(Foto: David Ebener/dpa)

Trainingseifer geht vor Qualität: Nürnbergs Trainer Michael Wiesinger lässt schon mal den Besten draußen, wenn die Leidenschaft im Training fehlt. Im Spiel gegen Borussia Dortmund setzt er wieder auf den Japaner Hiroshi Kiyotake - der war zuvor etwas lustlos aufgetreten.

Von Christof Kneer

Es war in Dortmund, als die Lage eskalierte. "Wer heute den Knall nicht gehört hat, soll abhauen und sich was anderes suchen", schimpfte der Abwehrspieler Andreas Wolf vor laufender Kamera und ergänzte bissig, er hoffe, "dass der Trainer in Zukunft auf die setzt, die im Training Gas geben". Nach diesem Ausbruch dauerte es noch drei Wochen, dann war Trainer Michael Oenning entlassen.

Gut drei Jahre ist diese Geschichte alt, aber Michael Wiesinger kennt sie natürlich. Er kennt die meisten Geschichten beim 1. FC Nürnberg, er hat viele Jahre dort gespielt, zuletzt hat er die U23 trainiert. Er versteht die Seele dieses Vereins, er weiß, was man beim Club tun und was man nicht tun sollte. Was man nicht tun sollte: die Denkmäler schänden. Der Club liebt seine Ikonen - ein Charakterzug, der dem Trainer Oenning damals zum Verhängnis wurde.

Er hat es nie geschafft, die Haudegenfraktion Schäfer-Pinola-Wolf-Mintal für sich einzunehmen, sie haben ihm immer eine zu große Nähe zur jungen Spaßfraktion im Team unterstellt. Oenning hat damals Eric Maxim Choupo Mouting spielen lassen, den Begabtesten im Team, der angeblich schlecht trainiert hatte. Nach dem 0:4 in Dortmund fiel die Mannschaft vom Glauben ab. Es war der Anfang vom Ende.

Michael Wiesinger hat Hiroshi Kiyotake nicht spielen lassen am vorigen Wochenende, das ist der Unterschied. Kiyotake ist auch der Begabteste im Team, aber ihm hat der Trainer den mangelnden Diensteifer in den Übungsstunden nicht durchgehen lassen. "Wie man im Training arbeitet, so spielt man auch", sagt Wiesinger. Er hat eher amüsiert verfolgt, was die Medien aus seiner Aufstellung herausgelesen haben, Wiesinger greift durch!, oder: Wiesinger setzt Zeichen!

Berkay Dabanli trainierte eifrig

"Ich habe registriert, dass das für Aufsehen gesorgt hat", sagt er, "aber das war keine Berechnung. Ich bin keiner, der zur Show irgendwelche Personalien macht." Aber den Effekt nimmt der Club-Kenner Wiesinger natürlich schon gern mit: Es kann ja nicht schaden, dass der Nachfolger der Autorität Dieter Hecking auch gleich als Autorität gilt. Es kann nicht schaden, dass kaum einer mehr über das Trainerduo Michael Wiesinger/Armin Reutershahn berichtet. Sondern nur noch über Michael Wiesinger, den Chefcoach.

Am Freitag spielt der Club in Dortmund, als Trainer würden einem spontan ein paar praktischere Orte einfallen für ein Auswärtsdebüt. Wiesinger wird seinen Begabtesten wohl raus schicken in die Arena, Kiyotake habe "im Training eine gute Reaktion gezeigt", sagt Wiesinger, "und wenn wir den BVB ärgern wollen, brauche ich seine Qualität". Das ist der wahre Grund für die Reiztherapie, die er seinem Japaner verschrieben hat: Er braucht ihn dringender, als er öffentlich sagen kann.

Der Club 2012/2013 ist in seiner Würzmischung arg derb geraten, das Spiel wird im Zentrum von recht rustikalen Füßen verantwortet (Balitsch, Simons), weshalb Kiyotake eigentlich unverzichtbar ist. "Er ist der Spieler, der den Unterschied ausmacht", sagt Wiesinger, und er hat ihm seine Spezialbehandlung auch erklärt: "Er soll merken: Hey, ich bin hier wichtig, der Trainer macht sich Gedanken über mich."

Wiesinger will die Spannung hoch halten im Team, er weiß, dass dieser Kader das braucht. Am Donnerstag hat der Club einen neuen Innenverteidiger verpflichtet, Berkay Dabanli, 22, er kommt bis Saisonende vom Erstligisten Kayserispor, mit einer Option bis 2015. Wiesinger hat den Spieler ein paar Tage getestet, er gefällt ihm ausgesprochen gut. Denn: Er hat leidenschaftlich trainiert.

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