Nowitzki in der NBA:Mit "The Dirk" für die Ewigkeit

Los Angeles Lakers v Dallas Mavericks

Umjubelter Hauptdarsteller: Dirk Nowitzki lässt sich für das Überbieten der 30 000-Punkte-Marke feiern.

(Foto: National Basketball Association/Getty Images)
  • Wie konnte Dirk Nowitzki 30 000 Punkte in der NBA schaffen?
  • Der deutsche Basketballer profitiert von seinem speziellen Wurf - und seiner Spielweise, mit der er gut gealtert ist.
  • Coach Carisle lobt den deutschen Basketballer überschwänglich.

Von Joachim Mölter

Wenn sich eine Sache nicht vermeiden lässt, muss man sie so schnell wie möglich hinter sich bringen, so sieht das auch der Basketball-Trainer Rick Carlisle von den Dallas Mavericks. Es war ja kaum noch zu verhindern, dass Dirk Nowitzki seinen 30 000. Punkt in der amerikanischen Profiliga NBA erzielt; nur 20 Zähler fehlten ihm vor dem Heimspiel gegen die Los Angeles Lakers am Dienstagabend. Also wies Carlisle den Rest des Teams an: Gebt ihm den Ball und lasst ihn werfen!

Und der mittlerweile 38 Jahre alte Nowitzki warf und traf wie zu seinen besten Zeiten: von da aus der Mitteldistanz - swisch; von dort hinter der Dreierlinie - swisch; noch mal aus ähnlicher Distanz - swisch. Der Ball sauste nur so durchs Netz, swisch, swisch, swisch. Als das erste Viertel vorbei war, hatte Nowitzki 18 Punkte beisammen, und als es nach einer kurzen Pause in den zweiten Abschnitt ging, wusste jeder, dass es nun Zeit war, die Sache hinter sich zu bringen: Nowitzki bekam den Ball, er warf und - traf nicht den Ring, nicht das Netz, nicht das Brett. Nichts.

Schon 19 Jahre in der NBA

"Schon bei jedem Korb vorher habe ich das Dröhnen und Brummen der Zuschauer gespürt", erzählte Dirk Nowitzki später, als sein Team 122:111 gewonnen und er dazu 25 Punkte beigesteuert hatte: "Als ich dann zum zweiten Viertel zurück aufs Feld bin, sind alle schon aufgestanden, da bin ich ein bisschen nervös geworden und habe den Ball einfach in die Luft geworfen." Aber beim nächsten Versuch, als gerade 13 Minuten gespielt waren, war der Ball dann drin, und die gespannte Erwartung im mit 20 484 Zuschauern vollbesetzten American Airlines Center von Dallas konnte raus. Die Leute hüpften, schrien, kreischten: "Dirk! Dirk! Dirk! Dirk!" Man kriegt ja nicht jeden Tag einen NBA-Profi zu sehen, der die 30 000 Punkte vollmacht. Nowitzki ist erst der sechste, dem das gelingt in den 70 Jahren, in denen es die Liga gibt.

Und er ist der erste Nicht-Amerikaner.

Es war also ein historischer und im Wortsinn bewegender Moment, und der ergriff auch den auf der Tribüne sitzenden Holger Geschwindner, Nowitzkis Entdecker, Freund und Förderer bis heute. Der 71 Jahre alte Geschwindner ist keiner, der seine Gefühle nach außen kehrt, und gäbe es nicht Aufnahmen, die zeigen, wie ihm eine Träne entkommt und über seine Wange flüchtet, würde er diesen Augenblick wohl auf seine unnachahmlich trockene Art zu überspielen versuchen. So nach dem Motto: 30 000 Punkte sind keine Kunst, das kann jeder - wenn er nur lang genug spielt.

So lange zu spielen, bis man die Gelegenheit bekommt, 30 000 Punkte zu erzielen - das hält Geschwindner für die Kunst.

"Ich war sowieso nie der Athletischste"

19 Jahre ist Nowitzki nun in der NBA tätig, eine Saison will er noch dranhängen, dann sind die 20 voll. Sich so lange in der Liga zu halten, reicht freilich nicht allein, das sieht man an Paul Pierce, 39, und Vince Carter, 40, den beiden anderen noch aktiven Profis, die mit Nowitzki in der NBA angefangen haben, anno 1998. Pierce kommt bis heute auf 26 364 Punkte, Carter auf 24 409 - und sie haben wahrlich keine schlechten Karrieren gehabt. Aber ihnen merkt man das Alter an; die Dynamik, von der sie einst profitierten, hat längst nachgelassen. Nowitzki ist das nicht passiert. "Ich habe nicht viel Athletik verloren", sagte er vor dieser Saison: "Ich war sowieso nie der Athletischste."

Aber er wusste immer, wann er wo und wie einen Wurf losbringen kann, Holger Geschwindner hat ihm das Handwerk dafür beigebracht in unzähligen gemeinsamen Trainingsstunden. So kam Nowitzki zu einer Spielweise, mit der man gut altert. Und zu seinem Markenzeichen, einem nicht zu verteidigenden Sprungwurf, einbeinig, im Rückwärtsfallen, über die Verteidiger hinweg. Auf den T-Shirts, die am Dienstag gratis auf allen Plätzen auslagen, war diese Bewegung eingefroren, die einst als Flamingo Shot in die Basketball-Sprache eingeführt wurde, vom großen LeBron James, dem mehrmaligen NBA-Meister mit Miami und Cleveland aber mittlerweile neu etikettiert wurde: "The Dirk" heißt der Wurf nun, der viele Nachahmer gefunden hat.

Es traf sich prima, dass Nowitzki am Dienstag für seinen 30 000. Punkt noch mal den Dirk gemacht hat, zumindest andeutungsweise. Es ist ja nicht übertrieben zu behaupten, der Würzburger habe dem Basketball seinen Stempel aufgedrückt. Nowitzki hat vorgemacht, dass man auch mit 2,13 Meter nicht unter dem Korb rumstehen muss, sondern aus der Distanz treffen kann. Das hat die Szene sehr verändert, wenn nicht gar revolutioniert: Immer mehr großgewachsene Flügelspieler mit Fingerspitzengefühl wie er ziehen das Feld auseinander.

Coach Carisle lobt Nowitzki

"Für mich waren diese 13 Minuten am Anfang ein Mikrokosmos seiner Karriere", sagte Mavericks-Coach Carlisle nach dem Sieg über die Lakers: "Akribische Vorbereitung, völlige Leistungsbereitschaft, unglaublicher Wettkampfgeist, richtiges Gespür für den Moment."

Der nicht nur von Carlisle hochgelobte, sondern von NBA-Kollegen und anderen Sportgrößen ebenfalls reichlich beglückwünschte Dirk Nowitzki war am Dienstagabend noch damit beschäftigt, den Moment sacken zu lassen. "Es ist ein bisschen unwirklich", reflektierte er: "30 000 sind schon viele Punkte."

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