Noriaki Kasai bei der Vierschanzentournee:Ein Leben, das im Flug vergeht

FIS World Cup - Ski Jumping Four Hills Tournament

Sicher gelandet: Noriaki Kasai beim Springen in Garmisch.

(Foto: Getty Images)

Der Tourneeführende Thomas Diethart war noch gar nicht geboren, da sprang Noriaki Kasai schon. Mittlerweile ist der Japaner 41 Jahre alt und so gut in Form wie nie zuvor. Ans Aufhören denkt er nicht, vielmehr an Gold bei Olympia.

Von Lisa Sonnabend

Es dämmerte bereits, als Noriaki Kasai am 20. Februar 1989 auf dem Schanzenturm von Lahti seine Brille zurechtrückte. Der 16-Jährige glitt die Spur hinunter und flog - die Skier parallel gestellt - den Hügel hinab. Weit kam Kasai beim ersten Weltcup-Springen seiner Karriere allerdings nicht, es reichte nur für Platz 57. Das Verrückte an der Geschichte: Noriaki Kasai ist mittlerweile 41 Jahre alt und springt immer noch.

Wer Noriaki Kasai in diesen Tagen in Oberstdorf, Garmisch oder Innsbruck trifft, der wird ihn für deutlich jünger halten. Der Grund: sein fröhlicher Gesichtsausdruck. Kasai lacht derzeit ständig, die Augen blinken dann spitzbübisch. Wenn Kasai einen kurzen Moment lang nicht lacht, trägt er ein zufriedenes Grinsen im Gesicht. Der 41-Jährige ist so gut in Form wie vielleicht noch nie in seinen 24 Jahren als Profisportler.

Zum Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf belegte der Japaner den sechsten Rang, ebenso beim Neujahrsspringen in Garmisch. In der Gesamtwertung der Tournee ist er derzeit Vierter. In Innsbruck steht nun der 436. Weltcup seiner Karriere an. 15 Springen konnte er bislang gewinnen, 45 Mal stand er auf dem Podest. Bei der Skiflug-WM 1992 in Haarachov holte er Gold, bei Olympia 1994 in Lillehammer die Silbermedaille im Mannschaftsspringen.

Im Februar in Sotschi wird er zum siebten Mal an Olympischen Spielen teilnehmen, kein anderer Sportler war so oft dabei. Auch bei Olympia 2018 in Pyeongchang will Kasai noch einmal mitfliegen. "Das sollte klappen", sagt er - es ist nicht als Witz gemeint. Wird er auch mit 70 noch springen? "Ja, eventuell."

Kasai ist nicht der einzige Routinier, der noch immer springt, doch er ist der einzige, der bereits 41 ist und lacht. Der fünffache Tourneesieger Janne Ahonen, 36, schüttelt in diesen Tagen nach seinen Sprüngen meist heftig mit dem Kopf und verschwindet mit aufeinander gepressten Lipppen in den Innenräumen des Stadions. Der zweifache Gesamtweltcup-Gewinner Martin Schmitt, 35, darf aufgrund seiner mageren Weiten in Oberstdorf und Garmisch die beiden Wettbewerbe in Österreich nicht mehr springen.

Auch Kasai erzielte zuletzt ein paar Jahre lang keine guten Ergebnisse. Ihn plagten Knie- und Rückenprobleme. Aber er sprang stets weiter und gab nicht wie Janne Ahonen immer genau dann ein Comeback, wenn Olympische Spiele anstanden.

"Er fliegt gigantisch"

Der Sportler, der aus einem kleinen Ort auf der Insel Hokkaido stammt, hat in seiner Karriere zahlreiche Regelreformen und Materialveränderungen hinter sich. Er stellte sich vom Parallelstil auf den V-Stil um, er machte erst den Trend zum leichtgewichtigen Springer, dann die Vorgaben eines Mindestgewichtes mit und nun hat er sich an die neuen enganliegenden Anzüge gewöhnt. Die Stärke des Japaners ist der Flug in der Luft. An seinem Absprung arbeitete er zuletzt hart und verbesserte ihn deutlich.

Noriaki Kasai bei der Vierschanzentournee: Seit 1989 Profisportler: Noriaki Kasai

Seit 1989 Profisportler: Noriaki Kasai

(Foto: AFP)

Wenn er sich oben auf dem Schanzenturm bereitmacht und der Stadionsprecher seinen Namen ausruft, beginnen die Zuschauer zu jubeln, sie schwenken Fähnchen. Kasai war zwar nie so berühmt wie ein Matti Nykänen oder Andreas Goldberger, doch über die Jahre haben sich die Skisprungfans seinen Namen eingeprägt, sie kennen sein Gesicht, und sie wissen natürlich auch, wie alt er ist.

Werner Schuster, Trainer der deutschen Skispringer, sagt über Kasai: "Er war immer schon ein mutiger Springer und fliegt gigantisch." Andreas Wellinger, 23 Jahre jünger als Kasai, findet: "Im Moment wirkt er sehr fit." Und Martin Schmitt urteilt anerkennend: "Nori ist in Wahnsinnsform, technisch 1A."

Was Kasai über seinen Erfolg sagt? Wenig. Auch nach 24 Jahren Profisport spricht er nur mäßig Englisch. Lust, viel zu reden, hat er sowieso fast nie. "Ich kann doch gar nicht aufhören", sagte er vor einigen Tagen. "Mir fehlt noch Gold bei Olympia." Die Vierschanzentournee hat er auch noch nicht gewonnen.

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