Nordische Ski-WM:Deutschlands Skispringer fliegen wie programmiert

Nordische Ski-WM Lahti

Andreas Wellinger (l) und Markus Eisenbichler aus Deutschland freuen sich über ihre Podestplätze bei der Flower Ceremony.

(Foto: dpa)

Von Volker Kreisl, Lahti

Markus Eisenbichler flog und flog, er überquerte im zweiten Durchgang die 90-Meter-Linie und wollte noch lange nicht aufsetzen. Er hatte noch viel Luft unter sich und schaute immer weiter nach vorne, die 95 waren schon vorüber, immer noch dachte er nicht ans Landen, weil ihn die Ski immer weiter trugen, bis es endlich so weit war, bei 100,5 Metern.

Das ist eine Kleinschanzenweite jenseits der unteren roten Linie, eine Weite, die Getöse im Publikum auslöst und den Rest der Konkurrenz mindestens verunsichert. Eisenbichlers Flug wirbelte den Wettkampf noch einmal durch. Sie brachte ihm Bronze, und weil sein deutscher Teamkollege Andreas Wellinger danach stabil blieb und Zweiter wurde hinter dem überragenden Sieger Stefan Kraft aus Österreich, deshalb fliegt der gesamte Deutsche Ski-Verband (DSV) gerade immer weiter.

Es ist immer vom wichtigen Schwung der ersten WM-Tage die Rede, für den DSV ist es gerade eher eine Zündung. Die Medaillen sammeln sich an, nach dem deutschen Kombinations-Podest am Freitag, dem Sprung-Gold von Carina Vogt am Freitagabend und den beiden Plaketten von Wellinger und Eisenbichler werden für Sonntag die nächsten Favoritenrollen erst gar nicht kleingeredet. In der Kombinationsstaffel (ab 11 Uhr MEZ) gab es wohl noch nie seit 60 Jahren eine derart hoch favorisierte Staffel-Mannschaft wie gerade die deutsche, zeitgleich haben Stefanie Böhler und Nicole Fessel im Teamsprint Medaillenchancen (ab 11.30 Uhr). Und im Mixed-Wettkampf der Springer (ab 16.30 Uhr) sind Wellinger, Eisenbichler, Vogt und Svenja Würth nach diesem WM-Auftakt sowieso favorisiert. "Natürlich wollen wir unseren Titel jetzt verteidigen", sagt Männer-Skisprung-Trainer Werner Schuster.

So ein Medaillenhaufen wird, je größer er anwächst, immer anonymer, und die Geschichten dazu sind unterschiedlich bewegend. Die bewegendste am Samstag war wohl die des Drittplatzierten, des Bronzegewinners Markus Eisenbichler, der eine lange Zeit mit viel Arbeit hinter sich hat, zuletzt erst wieder ein wenig nachzulassen schien, der aber nun im Zielauslauf stand und mit ruhiger, feierlicher Stimme erklärte: "Das bedeutet mir sehr, sehr viel, das ist eine extreme Befriedigung, eine Medaille zu holen, und dann auch noch auf einer Kleinschanze."

Der 25-Jährige aus Siegsdorf ist eher ein Flieger-Typ für die großen Bakken, und auch wenn er sich im Training von Lahti sogar einmal mit Bestweite hervorgetan hatte, so blieb der Ausgang seines entscheidenden Auftritts noch ungewiss. Eisenbichler selber sagt ja, er habe immer noch etwas an seinen Sprüngen auszusetzen, und auch in diesem entscheidenden zweiten Satz, rutschte ihm kurz nach der Landung das rechte Bein weit weg. Doch die Haltungsabzüge blieben im Rahmen, die Weite brachte ihn nach vorne.

Auch Wellinger, der aus dem Siegsdorfer Nachbarort Ruhpolding kommt, hatte in einem langen Tal voller kleiner Detailarbeit gesteckt. Er hatte nach einem heftigen Sturz einen Winter lang an seiner Form arbeiten müssen, aber er ist seit zwei Monaten heraus aus dem Formtief. Seine Silbermedaille am Samstagabend in Falun war also schon eher erwartbar. Wellinger war in acht der zehn zurückliegenden Weltcups auf dem Podest gelandet, hatte einen ersten und fünf zweite Plätze geholt. Er trifft den Punkt und springt, so sieht es aus, wie programmiert.

Auch er stand ja noch oben, als Markus Eisenbichler seinen 100,5-Meter-Satz vollführt hatte. "Erst hab ich mich gefreut, dann hab ich mir gedacht, Mann, jetzt musst du dich aber lang machen!" 100 Meter wurden es, mit dem Vorsprung aus dem ersten Durchgang reichte das. Nur Stefan Kraft saß noch oben auf dem Balken, aber der Mann aus Bischofshofen zeigte dann keine Nerven, er ist der beste Springer der vergangenen Wochen, er konterte Eisenbichlers und Wellingers Sprünge cool mit der passenden Distanz. Auch er flog und flog und setzte sich mitten hinein in die Springer-Fete der Deutschen. Deren Schwung für die nächsten Tage stoppt das wohl nicht, Trainer Schuster sagte: "Es war ein super Wettkampf mit einem verdienten Weltmeister."

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