Niko Kovac:Auf Distanz zur eigenen Elf

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Der künftige Bayern-Trainer und sein Vorgänger: Niko Kovac (links) und Jupp Heynckes. (Foto: Guenther Schiffmann/AFP)

Das 4:1 des FC Bayern gegen Frankfurt liefert Anhängern und Skeptikern des künftigen Münchner Trainers Niko Kovac genügend Stoff für Debatten.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Niko Kovac, Sohn eines Zimmermanns und erzogen nach christlichen Werten, weiß, was sich gehört, und so streckte er zum Ende seiner Reise die linke Hand nach vorne, er trat einen Schritt zurück. Jupp Heynckes nickte dankend, er überholte, er entkam Kovac aber nicht, weil dieser schon einen Arm um Heynckes gelegt hatte. Tuschelnd, in sanfter Umarmung liefen sie nach der gemeinsamen Pressekonferenz zum Ausgang. Auch dann ließ Kovac seinem künftigen Vorgänger wieder den Vortritt.

Es war ein durchaus harmonischer Besuch von Niko Kovac in München. Gekommen war er zwar offiziell als Trainer von Eintracht Frankfurt, einem Verein, der darum kämpft, in der nächsten Saison international zu spielen - aber mit dieser Aussicht verließ der zuvorkommende Herr Kovac nicht das Stadion. Gegangen war er als der kommende Trainer des FC Bayern. Leichter macht es das für ihn aber auch nicht.

Nach dem 1:4 (0:1) der Eintracht in München deutet vieles darauf hin, dass Kovac aus der ersten ernsten Delle seiner jungen Trainerkarriere heraus zum FC Bayern kommen wird, und zwar als Nachfolger von Heynckes, der zurzeit verehrt wird wie nur wenige Münchner Trainer zuvor, am heftigsten von Präsident Uli Hoeneß.

Über Kovac' Reise nach München schwebte zwei Wochen nach der Bekanntgabe des Wechsels also die Frage, wie sich einer bei seinem künftigen Arbeitgeber präsentiert, obwohl er gleichzeitig mit seinem aktuellen Team eine Krise bewältigen muss. "Wenn ich Ihnen jetzt antworte, dass ich total entspannt war, dann werden Sie mir das nicht glauben", sagte Kovac. Er erzählte, dass er am Tag zuvor seine Eltern und seine Schwester getroffen habe, so entspannt will er gewesen sein: "Auf dem Platz hat man gesehen, dass ich genauso impulsiv war wie in den Spielen zuvor. Das hatte nichts damit zu tun, dass ich in München coachen durfte, sondern das ist mein Naturell, so bin ich."

Der impulsive Kovac an der Seitenlinie bewegte sich dann zum Beispiel so: Daumen hoch, in die Hände klatschen, Hände reiben, Hände in die Hosentasche, Schritte nach vorne, Schritte zurück, und das alles innerhalb von weniger als einer halben Minute. Die Szene endete damit, dass der Schiedsrichter die Partie anpfiff.

Der Nachmittag, der dann begann, lieferte genug Stoff, um alle Anhänger und Kritiker dieser Trainerpersonalie in ihrer jeweiligen Ansicht zu bestärken.

Diejenigen, die Kovac für den richtigen künftigen Trainer halten, dürfen darauf verweisen, dass er tatsächlich impulsiv seine Mannschaft durch die Partie geführt hatte. Immer wieder hatte er mit den Fingern gepfiffen, hatte er einzelne Spieler um wenige Meter verschoben, hatte er gelobt, hatte er geschimpft. Er hatte eine klare Vorstellung von dem, was er sehen wollte. Außerdem präsentierte sich Kovac, 46, als ein höflicher, jung gebliebener Mann.

Diejenigen, die lieber einen anderen Trainer in München gesehen hätten, dürfen dagegen darauf verweisen, dass das Publikum mit vornehmem Desinteresse reagiert hatte, als der Stadionsprecher den Namen des Trainers von Frankfurt vorlas ("noch, muss man ja sagen"); die einzigen Emotionen kamen in diesem Moment aus dem Gästeblock: Dort pfiffen sie. Außerdem dürfen die Skeptiker auf die 90 Minuten auf dem Rasen verweisen. Ende Februar war die Eintracht Tabellendritter, in den sieben Spielen danach gewann sie nur einmal, die Niederlage in München war in diesem Zeitraum die fünfte. Die Gefahr ist groß, dass die Eintracht im Sommer nicht einmal die Qualifikation zur Europa League spielen darf.

Gegen den FC Bayern war Kovac' Elf lange Zeit uninspiriert, ihr fehlte auch die Leidenschaft, die sie früher ausgezeichnet hatte - und das alles gegen eine mit Nachwuchsspielern aufgefüllte Mannschaft. Bei den Gegentoren durch Niklas Dorsch (42.), Sandro Wagner (75.), Rafinha (86.) und Niklas Süle (89.) verteidigte die Gästeabwehr ungefähr so koordiniert wie ein wild gewordener Bienenschwarm. Selbst der zwischenzeitliche Anschlusstreffer durch Sébastien Haller wirkte nicht belebend. Trotz all der impulsiven Anweisungen von Kovac an der Seitenlinie war nicht zu erkennen, was der Trainer sehen wollte. Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic sprach später von einer "Nichtleistung", Kovac sagte: "Ich sehe es ja genauso."

Und auf einmal wurde der höfliche, jung gebliebene Mann ziemlich streng: "Das ist es, was mir fehlt: Dass jeder alles gibt." Und: "Das ist es, was ich den Spielern vorwerfe: Dass sie denken, dass es mit links geht." Die Distanz zwischen den Frankfurter Spielern und dem künftigen Trainer des FC Bayern war am Samstag nie größer als in diesem Augenblick.

In knapp drei Wochen, im Pokalfinale, trifft Kovac mit seiner aktuellen Mannschaft erneut auf seinen künftigen Verein. Ein entspannter Abend dürfte es allein für Jupp Heynckes werden.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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