Niersbach zur WM 2006:"In unserer Bewerbung ist alles sauber gelaufen"

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2001: Wolfgang Niersbach und Franz Beckenbauer im Organisationskomitee der WM.

  • DFB-Präsident Wolfgang Niersbach wehrt sich gegen den Verdacht, auch bei der Bewerbung für die Fußball-WM 2006 in Deutschland sei geschmiert worden.
  • Dabei sind Indizien für diskreten Stimmenfang längst bekannt. Unter anderem verließ der Neuseeländer Dempsey bei der Abstimmung plötzlich den Raum.
  • Niersbach sieht sich nicht als Nachfolger von Sepp Blatter im Amt des Fifa-Präsidenten.
  • Ex-Fifa-Exekutivmitglied Franz Beckenbauer ist bislang nicht im Visier der Ermittler.

Von Thomas Hummel

Wolfgang Niersbach ist nach den Enthüllungen rund um die Vergabe der vergangenen Fußball-Weltmeisterschaften auf Verteidigungstour. Mehrfach versicherte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, dass bei der WM 2006 in Deutschland nichts, aber auch gar nichts krumm gelaufen sei. In einem Interview mit der ARD-Sportschau sagte er: "Ich kann nur deutlich sagen, das haben wir dutzendfach gesagt, das haben wir hundertfach gesagt: dass in unserer Bewerbung alles sauber gelaufen ist. Hier sind keine Gelder geflossen, um Stimmen zu gewinnen. Das kann ich absolut versichern."

Auch der damalige Innenminister Otto Schily wies den Verdacht weit von sich. Sein Nachfolger Thomas de Maizière erklärte, er kenne nach Gesprächen mit den ermittelnden amerikanischen Behörden "keine Deutschland-Bezüge".

Im Zuge der Ermittlungen des amerikanischen FBI und der Schweizer Bundesanwaltschaft sind die Weltmeisterschaften 1998, 2010, 2018 und 2022 ins Fadenkreuz geraten. Zumindest vor den Vergaben für 1998 und 2010 wurde sehr offensichtlich bestochen und betrogen. Das geht aus den Protokollen der US-Vernehmung des früheren Fifa-Funktionärs und Whistleblowers Chuck Blazer hervor.

Die Schlüsselfigur ist der in den USA angeklagte ehemalige Fifa-Vize Jack Warner, der am Samstag auch von Ägypten schwer belastet wurde. Vor der Vergabe für 2010 soll er seine Stimme gegen die Zahlung von sieben Millionen US-Dollar feilgeboten haben. Das nordafrikanische Land lehnte ab. Von den Endrunden 2002 und 2006 ist bislang keine Rede.

Indizien für Mauscheleien gibt es allerdings auch rund um den Vergabeprozess der deutschen WM 2006 seit langem. Durch die Pleite des Kirch-Imperiums liegen dazu entsprechende Dokumente vor. Diese zeichnen ein Bild davon, wie der Medienmacher Leo Kirch, der Beckenbauer-Vertraute Fedor Radmann sowie Rechtehändler Günter Netzer diskret wirkten, um die Exekutivmitglieder der Fifa zur Wahl für Deutschland zu bewegen. Sie verfügten dabei über Millionenbeträge.

Es gab Freundschaftsspiele des FC Bayern in Malta und Thailand (wo zufälligerweise zwei Exekutivmitglieder zu Hause waren). Wenige Tage vor dem Vergabetermin billigte der Bundessicherheitsrat eine Lieferung von 1200 Panzern nach Saudi-Arabien - auch dort saß ein Wahlmann. Und warum verließ der Neuseeländer Charles Dempsey kurz vor der Abstimmung den Saal, obwohl er eigentlich den Auftrag hatte, für Südafrika zu stimmen? Am Ende gewann Deutschland mit 12:11.

Beckenbauer bislang nicht befragt von den Ermittlern

"Woher die anderen vier Stimmen kamen, können wir nur vermuten. Die haben wir mit unserer Bewerbung überzeugt", sagte Niersbach im ZDF. Der heute 64-Jährige war damals Vizepräsident im WM-Organisationskomitee.

Sein eigener Karriereplan sehe indes nicht vor, Nachfolger von Sepp Blatter als Fifa-Präsident zu werden. "Ich sehe mich nicht als einen künftigen Kandidaten für die Fifa-Präsidentschaft", erklärte er. Aus einem Treffen der Uefa in Berlin berichtete er, dass sich die Europäer einig seien, so schnell wie möglich einen Wechsel an der Spitze der Fifa herbeiführen zu wollen. Sepp Blatter hatte sich zwar kürzlich zum fünften Mal von den Mitgliedsstaaten wählen lassen, hatte dann allerdings wenige Tage später seinen Rückzug angekündigt. "Wir können nicht fordern, dass Blatter von heute auf morgen zurücktritt. Das kann er nur selbst machen", sagte Niersbach.

Nun wollten die Europäer auch formal alles richtig machen, wie der DFB-Präsident feststellte. Es gehe um monatelange Fristen, bis ein neuer Kongress einberufen werden könne. Am Ende des Prozesses wünsche sich Niersbach "einen europäischen Namen" an der Fifa-Spitze. Viele sehen Uefa-Präsident Michel Platini als Favoriten, doch der habe sich bislang zu seinen Ambitionen nicht geäußert.

Auch der kuwaitische Scheich Ahmad al Sabah (51) und der südkoreanische Auto-Milliardär Chung Mong-Joon (63), die als mögliche Kandidaten gehandelt werden, weilten am Wochenende zu Gesprächen mit der Uefa in Berlin.

Niersbachs deutscher Vor-Vorgänger Franz Beckenbauer ist bislang nicht von der Affäre um die WM-Vergaben 2018 und 2022 betroffen. Beckenbauer saß in der Exekutive, die 2010 für Russland und Katar votierte. Wie er selbst abstimmte, hat er nie verraten. Auffällig war allein, dass er 2012 einen lukrativen Job in Russland erhielt, als "Botschafter der russischen Gasindustrie" - und damit des Staatsunternehmens Gazprom.

Auch seine bisweilen grotesken Aussagen zu Katar irritierten die Öffentlichkeit und empörten Menschenrechtsexperten. "Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei rum. Weder in Ketten gefesselt, auch mit irgendeiner Büßerkappe am Kopf - das habe ich noch nicht gesehen", sagte Beckenbauer. Aktuell finden die Behörden offenbar nichts Anrüchiges am Verhalten des inzwischen 69-Jährigen in der Fifa-Exekutive.

"Nein, natürlich nicht", antwortete Beckenbauer auf die Frage, ob er von der Schweizer Bundesanwaltschaft kontaktiert worden sei. Sieben andere Entscheider des damaligen Exko sind bereits befragt worden. Die Schweizer Behörde ermittelt wegen einer von der Fifa selbst gestellten Strafanzeige gegen Unbekannt wegen "Unregelmäßigkeiten" bei der doppelten Vergabe.

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