Niederlage gegen Chelsea:Raubkatzen zerreißen Schalke

FC Schalke 04 v Chelsea FC - UEFA Champions League

Hand vors Gesicht: Auch Benedikt Höwedes ist erschüttert.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Das Selbstvertrauen ist weg: Schalke 04 zeigt beim 0:5 gegen Chelsea eine erschütternde Leistung. Eine Erklärung für die Pleite findet nur der gut gelaunte Chelsea-Coach José Mourinho.

Von Andreas Morbach, Gelsenkirchen

Die Temperaturen auf dem Berger Feld sackten dem Gefrierpunkt entgegen, als ein Häuflein Unentwegter noch immer vor dem Haupteingang der Schalker Arena ausharrte. Ein Blick in die Gesichter der Wartenden verriet, wem sie zu mitternächtlicher Stunde noch ein Autogramm oder ein schnelles Erinnerungsfoto abtrotzen wollten: Atsuto Uchida, dem japanischen Rechtsverteidiger der Königsblauen, der beim 0:5-Debakel gegen Chelsea genauso haspelig und unausgegoren gespielt hatte wie alle seine Teamkollegen. Doch das hielt Uchidas Landsleute nicht davon ab, ihrem Idol ihre Aufwartung zu machen. Die Japaner sind eben höfliche Leute.

Höflich - gegenüber dem erschütterten Publikum - war nach einem der schwärzesten Europapokalabende in der Geschichte von S04 auch Roberto Di Matteo. "Es tut uns leid, welche Leistung wir heute gezeigt haben. Das war kein guter Abend für uns - und auch nicht für die Fans", leistete der Trainer der Gelsenkirchener Abbitte.

Wie auch Benedikt Höwedes, der froh war, überhaupt eine Botschaft an die Anhängerschaft zustande zu bekommen. "Es fehlen mir die Worte", stammelte der Kapitän. "Ich kann mich nur bei allen Zuschauern, die heute ins Stadion gekommen sind, für unsere Leistung entschuldigen."

Im September, beim ersten Duell an der Stamford Bridge, hatten sich die Schalker, damals noch gecoacht von Jens Keller, mit großer Leidenschaft ein 1:1 erkämpft. Von diesem Willen zum Widerstand waren nun nicht einmal mehr Spurenelemente zu erkennen.

Das 3:2 gegen die heimische Top-Konkurrenz aus Wolfsburg drei Tage zuvor schien schon wieder eine Ewigkeit zurückzuliegen - und diese fehlende Nachhaltigkeit bereitete Di Matteo auch das meiste Kopfzerbrechen. "Ich bin ein bisschen überrascht", untertrieb der 44-Jährige: "Nach Samstag hatte ich das Gefühl, dass viel Selbstvertrauen in der Mannschaft war."

Die prima Wochenendstimmung war gegen unerbittliche, physisch und psychisch exzellent geschärfte, atemberaubend schnelle Londoner aber bereits mit dem Anstoß gewichen. Wie ein Rudel ausgehungerter Raubkatzen rissen die Fußballer von der britischen Insel die rechte Abwehrseite der Schalker bereits nach wenigen Sekunden zum ersten Mal auf. Nach zwei Minuten lag Chelsea 1:0 vorne, bei Halbzeit 3:0, und am Ende setzte es noch zwei blitzsaubere Kontertore durch die Einwechselkräfte Didier Drogba und Ramires.

"Dieses Flair, diese Schönheit, die Art"

Dass sie von einem wie an der Schnur gezogen spielenden Gegner auseinandergenommen worden waren, bot den Gelsenkirchenern keinen Trost. Dafür nutzte der Dompteur der Sieger die Gunst der glorreichen Stunde für ein paar historische Vergleiche. Seit dem Sommer 2013 ist José Mourinho auf seiner zweiten Trainerschleife bei Chelsea. Nach dem Triumph im Revier schwärmte er: "Dieses Team unterscheidet sich von dem der Jahre 2004 bis 2007 total. Dieses Flair, diese Schönheit, die Art, wie wir Dinge auf dem Platz erledigen, das ist schon etwas Neues für Chelsea."

So gut oder noch besser als alle früheren Ensembles aus dem Londoner Südwesten sei seine aktuelle Auswahl, jubilierte Mourinho. Entsprechend leicht ging dem Portugiesen auch die Trostrunde für die Verlierer über die Lippen. "Sie sind sehr traurig über das Ergebnis. Aber sie haben gegen eine sehr gute Mannschaft, gegen ein perfektes Team verloren. Das muss man akzeptieren - und dann weitermachen", mischte der Mann von der Atlantikküste seiner Prise Einfühlungsvermögen einen guten Schuss Prahlerei bei. Ehe er zur Verdeutlichung hinterher schob: "Es war nicht ihre Schuld, es war unsere Schuld."

Sein Kollege Roberto Di Matteo, 2012 Champions-League-Sieger mit Chelsea, bat im Gegenzug darum, die Gnadenlosigkeit vom Dienstag auch - obwohl schon als Gruppenerster fürs Achtelfinale qualifiziert - in zwei Wochen gegen Sporting Lissabon walten zu lassen. "Nach meiner Erfahrung, die ich in England gemacht habe, gibt es dort keine Freundschaftsspiele", sagte der Trainer der Schalker, die am 10. Dezember neben einer Niederlage von Sporting einen eigenen Sieg in Maribor brauchen, um in der Königsklasse zu überwintern.

Zu solchen Rechenspielchen war Horst Heldt im Eindruck der frischen Demontage allerdings längst noch nicht bereit. "Mit so einer Leistung wie heute müssen wir über gar nichts nachdenken", fauchte der Manager. "Sondern tunlichst ganz schnell etwas ändern."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: