Niederlage gegen Köln:Emotionaler Schub überwältigt BVB

Niederlage gegen Köln: Kölns Jonas Hector (l.) überspringt Matthias Ginter.

Kölns Jonas Hector (l.) überspringt Matthias Ginter.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Von Milan Pavlovic, Köln

Das Spiel war kaum vorbei, da wurde Thomas Tuchel schon um ein Fazit der Dortmunder Hinrunde gebeten. In seiner ersten Halbserie als BVB-Trainer hat sein Team die beste Bilanz eines Bundesliga-Zweiten abgeliefert. Aber das war ihm nach der überraschenden 1:2 (1:0)-Niederlage beim 1. FC Köln sichtlich egal.

"Jetzt gibt es ein Fazit dieses Spiels", sagte er mit einem um Höflichkeit bemühten Gesichtsausdruck, "das andere kommt dann irgendwann". Die Dortmunder hatten bei ihrer dritten Liga-Niederlage nicht nur in den letzten Minuten einen Vorsprung hergegeben, sie hatten sich beeindrucken lassen von einer überbordenden Stimmung und einem Gegner, der immer mehr zulegte.

70 Spielminuten vorher war damit nicht zu rechnen gewesen. Sicher, Kölns Coach Peter Stöger hatte eine ungewöhnliche Aufstellung gewählt: vorne ohne Torjäger Anthony Modeste, hinten mit einer Fünferkette inklusive drei gelernten Innenverteidigern. Aber Tuchel hatte schnell Gegenmaßnahmen eingeleitet, er orchestrierte minutenlang am Seitenrand, gab Zeichen und Anweisungen.

Der FC ließ zwar aus dem Spiel kaum etwas zu. Aber das ist einerlei, wenn bei einer Standardsituation ungenügend verteidigt wird. Nach einem Eckball von Henrikh Mkhitaryan kam Dominic Maroh im Luftzweikampf zu spät gegen Dortmunds Innenverteidiger Sokratis (18. Minute), dessen Kopfball auch deshalb ungehindert ins Netz fliegen konnte, weil der FC niemanden am Torpfosten postiert hatte.

Dortmund versäumt es, auf das 2:0 zu drängen

Köln wirkte angezählt, und vermutlich war es Dortmunds größter Fehler, nicht energischer nachgesetzt zu haben. "Ein 2:0 hätte gereicht", sagte Tuchel später, "wir haben die Momente nicht erkannt, in der wir die Entscheidung hätten erzwingen können." Stattdessen ließ man die Kölner langsam ins Spiel zurückkommen.

Schon vor der Halbzeit hatten die Gäste Glück, dass Schiedsrichter Knut Kircher den Kölnern einen Foulelfmeter verwehrte (Park gegen Olkowski) und dass BVB-Keeper Roman Bürki einen tückisch abgefälschten Kopfball von Sörensen noch um den Pfosten lenkte (31.). Dortmund belagerte den Strafraum der Kölner wie eine Wagenburg, aber Chancen blieben Mangelware.

Nach dem Wechsel änderte Peter Stöger - nichts. Kein Modeste, kein Bittencourt, weiter mit der Ochsen-Innenverteidigung. Und warum auch nicht? Dortmunds Aubameyang, der Führende der Torjägerliste, kam erst in der 58. Minute zu einem Sprint, aber zu einer richtigen Chance langte es nicht. Köln weigerte sich, die Räume zu öffnen, was besonders beachtlich ist, wenn man erlebt hat, wie Dortmund in dieser Saison schon gegnerische Mannschaften filetiert hat.

Bürki hält den BVB im Spiel - bis er selbst patzt

Dann wollten die Gäste wenigstens den Vorsprung nach Hause kontrollieren. Die Kölner rackerten, agierten in der Spitze aber ohne die nötige Passhärte und Präzision. In der 69. Minute setzte Stöger dann endlich auf Offensive, brachte Modeste und Bittencourt. Und mit leichter Verzögerung folgten die Wirkungstreffer. Einen 22-Meter-Schuss von Yannick Gerhardt konnte Bürki noch an den Pfosten lenken (78.).

Ausgerechnet der bis dahin starke Schweizer Schlussmann war es dann aber, der vier Minuten später die endgültige Wende einleitete. Leicht bedrängt von Bittencourt trat der Keeper bei einem Befreiungsschlag den leicht verspringenden Ball genau in den Fuß von Simon Zoller, der nach ein paar Schritten beherzt mit links zum 1:1 ins rechte Eck abschloss. "Wir waren fahrlässig", sagte Tuchel, "haben viel, viel, viel zu oft nach hinten gespielt auf diesem extrem schwer zu bespielenden Rasen, Roman Bürki war zu viel am Ball."

Köln nutzt Dortmunder Schwäche aus

Die Kölner waren aber immer noch nicht zufrieden. "Wir haben gemerkt, dass sie heute verwundbar sind", sagte Zoller später, und dementsprechend ging der FC zu Werke, ließ die Gäste gar nicht mehr in Ruhe aufbauen. Man habe gesehen, "der Gegner wackelt ein bisschen, und dann sind wir aufs zweite Tor gegangen", sagte Dominic Maroh.

"Köln hat das Spiel auf eine emotionale Ebene gezogen", sagte auch Tuchel anerkennend, "sie haben den emotionalen Schub genutzt." Und wie: Der FC presste Dortmund in die Abwehr und verdiente sich so den späten Sieg, wobei das 2:1 vom eingewechselten Anthony Modeste erzielt wurde. So konnte Köln die beste Hinrunde seit dem Jahr 2000 mit 24 Punkten beschließen.

Und Ihr Fazit der Hinrunde, Herr Tuchel? Immerhin war nun eine Stunde seit dem ersten Frageversuch vergangen. Der Borussen-Trainer lächelte, überlegte, und dann erwiderte er in druckreifen Sätzen, wie sehr es ihn gefreut habe, "wie ich in Dortmund aufgenommen wurde. Schmerzliche Niederlagen", schloss er, "gehören zu unserem Entwicklungsprozess dazu". Insofern gab es am Samstag in Köln einiges zu lernen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: