Niederlage für Boxer Marco Huck:Er prügelt und prügelt und prügelt

Boxen, Marco Huck v Krzysztof Glowacki

Niederlage in der elften Runde: Der Berliner Marco Huck (links) verliert in Newark gegen Krzysztof Glowacki aus Polen.

(Foto: AFP)
  • Boxweltmeister Marco Huck hat im amerikanischen Newark gegen den Polen Krzysztof Glowacki verloren.
  • Glowacki siegte durch technischen K.o. in der elften Runde.
  • Cruisergewichtler Huck verpasste eine Rekordtitelverteidigung: Als erster Boxer seiner Gewichtsklasse hätte er seinen WBO-Gürtel zum 14. Mal in Folge erfolgreich verteidigen können.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer die Nehmerfähigkeiten eines Boxers beschreiben will, der benutzt dafür meist einzelne Körperteile. Die einen verweisen auf das Kinn oder auf den kompletten Kopf. Sehr oft ist auch vom Herz die Rede, beim Männerboxen hin und wieder auch von den Eiern. Boxkämpfe werden manchmal zu wilden Prügeleien, zu spektakulären Schlägereien, zu spannenden Schlachten - das ist meist nicht schön anzusehen, dringt aber vor in die Essenz dieses Sports, wenn nicht mehr Technik oder Kraft oder Kondition darüber entscheiden, wer den Ring als Sieger verlässt. Sondern das Kinn. Das Herz. Die Eier.

Es war in der elften Runde dieses Gefechts um die Weltmeisterschaft im Cruisergewicht, es ging zwischen Titelverteidiger Marco Huck und seinem Herausforderer Krzysztof Glowacki schon lange nicht mehr ums Faustfechten oder wenigstens ums Boxen - es ging wie bei einer Schlägerei vor einer Kneipe oder in einem Rocky-Film nur noch darum, wilde Schwinger zu verteilen und die ebenso wilden Schwinger des Gegners irgendwie wegzustecken. Es ging, so abgedroschen das klingen mag, ums Überleben.

Da prügelten sie also aufeinander ein - und gegen Ende der Runde, da konnte Huck eine Kombination aus linkem Haken und rechter Gerade nicht mehr wegstecken, er fiel zum ersten Mal in seiner Karriere als Preisboxer zu Boden. Huck stand auf, er drehte sich jedoch zur Ringecke wie jemand, der genug hat von dieser Rauferei und seinem Gegner lieber ein Bier ausgeben will als weiterzukämpfen. Vor einer Kneipe kann man in diesem Moment aufhören, beim Boxen muss man weitermachen. Huck machte weiter, doch er war wehrlos. Glowacki setzte nach und beförderte Huck ein zweites Mal in den Ringstaub. Der Kampf war vorbei.

"Ich muss da einige Mäuler stopfen"

Marco Huck hat verloren. Er hatte zum Zeitpunkt des Niederschlags bei allen Punktrichtern in Führung gelegen. Die 14. Titelverteidigung, was bei einem Sieg ein Rekord gewesen wäre in dieser Gewichtsklasse. Den ersten Kampf in den Vereinigten Staaten. Das erste Duell im Preisboxen ohne Trainer Ulli Wegner. Die erste Veranstaltung ohne den Sauerland-Boxstall. Es war kein ungerechtes Urteil der Punktrichter, es war auch kein glücklicher Schlag des polnischen Herausforderers. Es war eine verdiente Niederlage durch technischen K.o. in der elften Runde - eine Niederlage, durch die die komplette Karriereplanung von Huck in Frage gestellt wird.

Nicht wenige Beobachter hatten nämlich genau das prognostiziert: dass dieser Marco Huck nur mit Wegner funktioniert, dass er sich nur unter dessen gestrenger Führung auf einen WM-Kampf würde vorbereiten können. Dass es bei allem Verständnis für die Trennung von Sauerland keine gute Idee gewesen sei, einen eigenen Boxstall zu gründen und Bruder Kenan als Geschäftsführer einzustellen. Dass ein Trainingslager in Las Vegas zu viel Ablenkung bieten würde. Dass dieses Gerede von einem Wechsel ins Schwergewicht und von einem möglichen Duell gegen Wladimir Klitschko eher Größenwahn als visionäres Denken sei. Solche Sachen eben.

"Ich muss da einige Mäuler stopfen, die behauptet haben, dass ich das alleine nicht schaffen kann", hatte Huck vor dem Kampf gesagt. Es ging ihm, das wurde während der Vorbereitung in Las Vegas deutlich, nicht nur um die 14. Titelverteidigung, um einen möglichst spektakulären Einstieg in den amerikanischen Markt oder um weitere lukrative Kämpfe in der Zukunft. Es ging ihm auch um Respekt und den Beweis, dass die Entscheidung, sich künftig selbst zu vermarkten, richtig gewesen ist.

Eine typische Marco-Huck-Aktion

Und tatsächlich sah es in der sechsten Runde so aus, als könne ihm das gelingen. Bis dahin hatte er - positiv ausgedrückt - umsichtig und besonnen agiert, nach negativer Lesart hatte er ohne Herz geboxt. Dann fand er jedoch in diesen Kampf, er marschierte mutiger nach vorne und übernahm die Kontrolle. Zu Beginn der sechsten Runde wackelte er mit dem Oberkörper, er wartete hinter der Doppeldeckung auf eine Lücke - und brachte einen schnellen, präzisen und wuchtigen linken Haken an den Kopf seines Gegners, der sogleich zu Boden fiel. Es war eine atemberaubende Aktion, es war eine typische Marco-Huck-Aktion. Es war aber auch, ohne dem neuen Trainer Don House zu Nahe treten zu wollen, eine Ulli-Wegner-Aktion.

Glowacki beweist Kinn, Herz und Eier

Der Kampf, er hätte in diesem Moment vorbei sein können, ja vorbei sein müssen. Es gibt weltweit wohl nicht mehr als 80 Menschen, die nach so einem Treffer innerhalb von zehn Sekunden bei Bewusstsein sind und auf den Beinen stehen. Nun, Glowacki gehört zu diesen 80 Menschen, er bewies an diesem Abend Kinn und Herz und Eier. Nach dem ersten Niederschlag seiner Karriere stand er langsam auf, der Ringrichter ließ ihn wohlwollend weitermachen - und Glowacki rettete sich gegen den heranstürmenden Huck nicht nur in die Rundenpause, sondern setzte seinen Gegner weiterhin unter Druck. "Was soll das? Was ist los mit Dir?", fragte House seinen Schützling in der Rundenpause: "Du hast ihn doch, jetzt beende diesen Kampf auch."

Von diesem Moment an entwickelte sich ein spannender und spektakulärer Kampf zweier Boxer auf Augenhöhe - was aufgrund des bisherigen Karriereverlaufs beider Boxer nicht für Huck sprach, ihm jedoch gelegen kam. Er gilt ja gewöhnlich als einer, der technisch limitiert und taktisch unausgereift agiert, seine Gegner jedoch in einem offenen Gefecht einfach niederprügeln kann. Er prügelte und prügelte und prügelte, doch Glowacki nahm und nahm und nahm und fiel nicht mehr um - es braucht wohl alle Körperteile, um die Nehmerfähigkeiten des polnischen Herausforderers zu beschreiben.

Dann folgte diese elfte Runde - und das Ende für Huck. Trotz Niederschlag zuvor. Trotz Führung auf den Zetteln aller Punktrichter.

Tapferer Glowacki, unterlegener Huck

Das Duell zwischen Huck und dem in 26 Profikämpfen noch immer unbesiegten Glowacki war das Spektakel, das sich Huck gewünscht hat und auch Veranstalter Al Haymon, der das Profiboxen über Kämpfe im frei empfangbaren Fernsehen zurückbringen möchte in das kollektive Gedächtnis der Amerikaner. Nur: Es war das Spektakel, bei dem den Amerikanern der tapfere Glowacki in Erinnerung bleiben wird und weniger der unterlegene Huck.

Der wollte sich erst einmal nicht zu seiner Zukunft äußern. "Wir müssen das erst mal verdauen", hieß es aus seinem Umfeld. Huck ist 30 Jahre alt, er ist im besten Kämpferalter. Natürlich könnte es einen Rückkampf gegen Glowacki geben, vielleicht auch Duelle gegen die Weltmeister der anderen Verbände Denis Lebedev (WBA) und Grogory Drodz (WBC) - oder natürlich IBF-Champion Yoan Pablo Hernandez, der abseits seiner immensen boxerischen Fähigkeiten zusätzliche Dramatik dadurch liefert, dass er von Wegner trainiert und von Sauerland betreut wird. Dieses Duell ließe sich freilich in Deutschland gar wunderbar vermarkten, alleine eine Live-Übertragung der Verhandlungen zwischen Sauerland und Huck würde eine spannende Reality-Show abgeben.

Ein Wechsel der Gewichtsklasse wirkt nach diesem Abend erst einmal illusionär, nicht aber ein Wechsel der Sportart. Ultimate Fighting Championship, eine martialische Mischung verschiedener Kampfkünste, erfreut sich nicht nur in den Vereinigten Staaten großer Beliebtheit. Huck war als Teenager bereits Europa- und Weltmeister im Kickboxen, während der Vorbereitung hat er sich in Las Vegas mit Verbandschef Dana White getroffen und über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen: "Ich kann auch im Käfig bestehen, die Sportart fasziniert mich - das ist also ein möglicher Weg, über den ich definitiv nachdenke."

Jung genug für ein Comeback

Huck muss diese Niederlage nun erst einmal verdauen, er muss über seine Karriere nachdenken und was er daraus machen möchte - jung genug für ein Comeback ist er. Ihm ist, um in seinem Sprachgebrauch zu bleiben, das Maul gestopft worden an diesem Abend in Newark. Er muss nun zeigen, dass er Kinn und Herz und Eier hat.

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