Niederlage des FC Bayern:Bloßgestellt von Wolfsburger Kontern

VfL Wolfsburg v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Mit Leichtigkeit Aufpasser Dante entwischt: Wolfsburgs Bas Dost (rechts)

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • In der Hinrunde kassiert der FC Bayern nur vier Gegentore, nun sind es vier in einem einzigen Spiel: Die Raumaufteilung der Münchner Abwehr ist beim 1:4 gegen Wolfsburg katastrophal.
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Von Carsten Eberts, Wolfsburg

Nur ein Tor fehlte für das perfekte Déjà-vu. Damals, beim 1:5 im April 2009, hieß Wolfsburgs Trainer noch Felix Magath. Grafite gelang sein Zaubertor mit der Hacke, das ihn berühmt machte. In der Münchner Abwehr trieben Lucio, Breno und Christian Lell ihr Unwesen. Auf der Trainerbank schmollte einer, der in München bald darauf Geschichte war: Jürgen Klinsmann.

Auch an diesem Freitagabend schlichen die Bayern aus der Arena. Schnell runter vom Platz, schnell unter die Dusche, schnell zum Bus. Sogar die Pressekonferenz mit Trainer Pep Guardiola wurde vorverlegt - die Bayern wollten weg. Wer etwas zu sagen hatte, brachte es mit Prägnanz auf den Punkt, etwa Manuel Neuer, der Kapitän und Torwart. "Das ist in die Hose gegangen", so sein Fazit des Abends.

Nicht 1:5, aber immerhin 1:4 wurden die Bayern nach Hause geschickt. Die erste Niederlage der Saison, im ersten Spiel nach der Winterpause. Das hatten sich die Münchner im Trainingslager unter der Sonne in Katar ganz anders ausgemalt: Ein Sieg gegen Wolfsburg hätte einen 14-Punkte-Vorsprung in der Tabelle bedeutet. Da wäre die Debatte, ob noch Schnee liegt, wenn die 25. Deutsche Meisterschaft perfekt gemacht wird, das leidigste Thema der folgenden Wochen gewesen.

Das war vor dem Einszuvier. "Ein Schock" sei dieses Ergebnis, erklärte Arjen Robben im Keller der Wolfsburger Arena: "Sie haben uns mit Kontern bestraft." Auch Mario Götze gestand: "Wir waren heute einfach nicht auf der Höhe." Vier Gegentore hatten die Bayern in den 17 Spielen der Hinrunde kassiert. Nun waren es vier in gerade einmal 69 Minuten.

Bas Dost traf nach drei Minuten sowie in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit, Kevin De Bruyne in der zweiten Hälfte (53., 73.). Es ist lange her, dass die Bayern so ausgekontert wurden. Auch lange her, dass ein Plan von Pep Guardiola so wenig aufging. Während der ersten Halbzeit hatte sich der Coach noch zeternd an der Seitenlinie aufgehalten. Die Aggressivität habe nicht gestimmt, erklärte er später, seine Mannschaft sei zu tief gestanden, habe das Spiel nie unter Kontrolle bekommen.

In der zweiten Halbzeit wurde Guardiola nur noch selten gesichtet. Er vergrub sich in seinem Stuhl, denn er wusste, dass diese Wolfsburger nicht aufzuhalten waren. "Es ist schwer, wenn du gewinnst und gewinnst", warb er später um Verständnis: "Die Zuschauer denken, es ist einfach. Die Spieler denken, es ist einfach. Und der Trainer denkt, es ist einfach." Auch Robben versuchte es: "Vielleicht ist uns diese Niederlage hilfreich."

Stoff zum Nachdenken

Die Wolfsburger hatten den Bayern tatsächlich Stoff zum Nachdenken mitgegeben - und ein Paradestück geliefert, wie den Bayern beizukommen ist. Das frühe Tor durch Dost, dem ersten Konter-Gegentor der Münchner in dieser Spielzeit, passte wunderbar in den Plan. Die Bayern waren gezwungen, mehr Risiko zu gehen, noch weiter nach vorne zu verschieben. Die Wolfsburger nahmen sich zurück, betrachteten das Spielfeld - und konterten den prominenten Gegner einfach aus.

Die freien Räume in der Bayern-Hälfte, sie waren das verblüffendste Phänomen an diesem Abend. In der Abwehr standen ja nicht Lucio, Breno und Christian Lell, sondern Dante, Boateng und Bernat. In der Vorwärtsbewegung verstärkt durch Xabi Alonso, der sich in die hinterste Reihe zurückfallen ließ und das Spiel in geordnete Bahnen zu lenken versuchte. Trotzdem genügte ein langer Pass aus der Wolfsburger Hälfte in den Lauf des famosen De Bruyne, um die Bayern bloßzustellen.

"Sie haben mit viel Risiko gespielt", erklärte der Belgier, der in der zweiten Halbzeit mit seinem Gegner Dante tun konnte, was er wollte: "Ich hatte viel Raum, das war gut für mich." Die Zweikämpfe, die die Münchner gewonnen hätten, könne man "an einer Hand abzählen", schimpfte Boateng: "So ein Spiel darf uns nicht nochmal passieren."

In der Bundesliga müssen die Münchner dabei kaum befürchten, noch einmal so bestraft zu werden. Wolfsburg spielte reif und unaufgeregt, da sind die anderen Konkurrenten längst nicht so weit. Doch die Bayern denken ja nicht nur an die heimische Liga, sondern auch an die Champions League. Dort soll der Weg über alle Großkaliber hinweg bis zum Finale nach Berlin führen.

Die Frage, die an diesem kalten Winterabend in Wolfsburg aufkam: mit dieser Abwehr? Wie soll das nur werden, wenn Real Madrid in der Champions League nicht mit De Bruyne und Dost anläuft, sondern mit Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und James Rodriguez?

Immerhin dürfte sich die Raumaufteilung bis zur entscheidenden Phase in der Königsklasse verbessern, wenn sich der in Sachen Raumaufteilung sehr begabte Javi Martínez in der Abwehrmitte gesund zurückmeldet. Auch ist zu erwarten, dass Bastian Schweinsteiger und Xabi Alonso in der Zentrale bald einen eingespielteren Eindruck hinterlassen - und einschneidende Konter schon im Ansatz unterbinden.

Die Saison 2009 endete schlimm für die Bayern. Kurz auf das 1:5 in Wolfsburg folgte das Aus in der Champions League gegen den FC Barcelona, Klinsmann musste gehen. Meister in der Bundesliga wurde: der VfL Wolfsburg. Zumindest dieses Szenario erscheint bei acht Punkten Vorsprung in dieser Saison weiterhin unrealistisch.

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