Niederlage beim BVB:Die Bayern sind beachtlich verstimmt

Borussia Dortmund v FC Bayern Munich - German Bundesliga

Auch beachtlich verstimmt: Thomas Müller.

(Foto: REUTERS)

Von Maik Rosner, Dortmund

Hinterher ging es beim FC Bayern vor allem um die Deutungshoheit der Niederlage, darum, den Ärger über das verlorene Spitzenspiel und die eingebüßte Tabellenführung nicht zu dramatisch klingen zu lassen. Das gelang mal mehr und mal weniger überzeugend, und es waren vor allem die mimische Untermalung und die Zwischentöne, die präzisere Eindrücke der tatsächlichen Befindlichkeiten vermittelten als jene professionell arrangierten Sätze, die die Münchner formulierten.

Wie zum Beispiel bei Philipp Lahm, der sich um eine gewohnt sachliche Bestandsaufnahme bemühte, durch seinen begleitenden Gesichtsausdruck aber mindestens latent aufgewühlt wirkte. "Ich hatte keine Probleme. Da müssen sie den Trainer fragen, ich bin nicht für Ein- oder Auswechslungen zuständig. Es spielt keine Rolle, ob ich überrascht war oder nicht", sagte der Kapitän zu seiner Herausnahme in der 68. Minute, als Carlo Ancelotti Rafinha hereingebracht hatte.

Den Anschein einer durchaus beachtlichen Verstimmung erweckte auch Lahms Sarkasmus beim übergeordneten Thema, den Auswirkungen der 0:1 (0:1)-Niederlage bei Borussia Dortmund durch das zwölfte Saisontor von Pierre-Emerick Aubameyang, garniert von dessen drei Liegestützen beim Torjubel in der elften Minute. "Das ist doch schön für die Liga, das haben sich doch alle gewünscht", sagte Lahm über den Verlust der Tabellenführung. Er klang ziemlich einsilbig.

Gibt es diesmal ein kniffliges Titelrennen?

Erstmals seit saisonübergreifend 39 Spielen grüßen die Münchner nun nicht mehr aus ihrem fast schon satzungsgemäß verankerten natürlichen Habitat, dem ersten Tabellenplatz der Bundesliga. Das wäre für sie vermutlich tatsächlich einigermaßen ungerührt verkraftbar. Doch nach den bisherigen Saisoneindrücken müssen sich die Münchner wohl durchaus mit dem Gedanken vertraut machen, nicht so schnell wieder zur gewohnten Souveränität zurückfinden zu können. Der Abomeister der vergangenen vier Spielzeiten scheint sich erstmals seit Jahren auf ein kniffliges und enges Titelrennen einstellen zu müssen.

Jener Eindruck der nationalen Unantastbarkeit, den die Bayern zuletzt regelmäßig vermittelten, angefangen im Triplejahr 2013 unter Trainer Jupp Heynckes und verstärkt in den drei Spielzeiten danach unter Pep Guardiola, dieser Eindruck der Übermacht ist unter Ancelotti passé. Aufsteiger RB Leipzig führt die Liga nach dem ersten Saisondrittel beinahe schon sensationell mit drei Punkten Vorsprung auf den FC Bayern an, der zudem vom BVB mit nun nur noch drei weiteren Punkten Abstand bedrängt wird.

"Unglücklich gelaufen", hinterließ der Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge als Kurzaussage zur ersten Saisonniederlage und dem ersten verlorenen Spiel in Dortmund seit dem April 2012, ehe er sich rasch aus dem Stadion verabschiedete. Zurückblieb allerdings auch die Frage, ob die Niederlage beim BVB und die Zwischenbilanz insgesamt nicht vielleicht doch weniger allein auf Unglück zurückzuführen ist, sondern womöglich vielmehr auf eher grundsätzlichen Veränderungen, die im Gefüge und Auftreten des FC Bayern seit diesem Sommer zu beobachten sind.

Der FC Bayern sucht eine eindeutige Offensivstrategie

Manuel Neuer tendierte offenbar auch zu dieser Interpretation, als er an den Saisonverlauf erinnerte. Der Verlust der Tabellenführung sei nicht nur "sehr ärgerlich", sagte der Torwart, er findet auch: "Das haben wir uns selber zuzuschreiben, nicht nur wegen dieses Spiels, sondern auch wegen der Unentschieden in der Vergangenheit, als wir Siege verschenkt haben." Gemeint waren die Unentschieden gegen den 1. FC Köln (1:1), Eintracht Frankfurt (2:2) und die TSG Hoffenheim (1:1).

Ernüchternd aus Münchner Sicht war zudem die erste große Prüfung der Saison geraten, in der Champions League durch die 0:1-Niederlage bei Atlético Madrid. Nun, in der zweiten großen Prüfung in Dortmund, hatte sich erneut der Eindruck eingestellt, dass sich die Bayern derzeit nicht auf ein zwingendes Offensivspiel verstehen. Zunehmend feldüberlegen hatten sie zwar beim BVB agiert, Großchancen erspielten sie sich aber kaum. Eine überzeugende Strategie, ein klar erkennbares Konzept, wie die individuelle Überlegenheit in einen mannschaftlichen Ertrag überführt werden kann, ließ sich nicht zweifelsfrei erkennen. Und das, obwohl Neuer im Vergleich zum Saisonprolog, zum 2:0-Sieg im Supercup gegen die Borussia an selber Stelle, nun "eine nicht ganz so starke Mannschaft von Dortmund" gesehen hatte.

Hummels' einfache Erklärung

Die Mittel, Thomas Tuchels leidenschaftlich und clever verteidigende junge Elf zu knacken, sie fehlten. Man konnte es aber auch so sehen wie Mats Hummels, der bis zum Juni noch bei Borussia Dortmund angestellt gewesen war und die Münchner Dominanz der Vorjahre nur aus der Distanz erlebt hatte. Befragt zu den Gründen für die Niederlage sagte der Innenverteidiger: "Wir haben das Tor nicht getroffen." Dies wäre mit einer effektiveren Chancenverwertung sehr wohl möglich gewesen, befand er weiter, doch misslingen sei es, "weil wir drei Mal, als wie allein vorm Tor gestanden wären, den Querpass nicht angebracht haben. Das wird nicht in den Highlights gezeigt, ist aber in der Theorie eine sehr große Chance."

Herausgespielte Großchancen nur in der Theorie - auch diese Bestandsaufnahme erzählte etwas über die Probleme im Spiel der Münchner. Auch wenn Hummels die Kritik an der Offensive damit abfedern wollte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: