Nicklas Bendtner hinterließ einen ausgesprochen soliden Eindruck, als er am Freitagmittag als Zugang des VfL Wolfsburg vorgestellt wurde. Das graue Sakko kaum zerknittert, der Hemdkragen akkurat aufgestellt, die Haare gleichmäßig nach hinten gegelt. Doch die Bundesliga traut den Bildern nicht, stattdessen stellt sie Fragen. Warum tätigt Wolfsburg einen derart riskanten Transfer? Wie lange dauert es, bis der dänische Stürmer für den nächsten Skandal sorgt? Und wie ist es überhaupt um seine Form bestellt?
Die Fragen sind durchaus angebracht, das weiß auch Klaus Allofs, der Bendtner mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet hat: "Ich denke, dass wir mit Nicklas eine sehr gute Wahl getroffen haben, auch wenn sie vielleicht nicht so erwartet worden ist", räumte der VfL-Manager ein. Trainer Dieter Hecking ließ verlauten: "Er ist ein bunter Vogel, aber das kann auch gut sein. Ich finde, dass jeder Mensch eine Chance verdient hat, einen Neuanfang zu machen." Ob der gelingt? Das ist nun eine der spannenden Fragen der Bundesligasaison 2014/2015.
In den vergangenen Monaten war Bendtner sehr häufig in den Schlagzeilen, um Fußball ging es dabei jedoch nie. Zuletzt veröffentlichte der 26-Jährige auf Instagram ein Foto. Darauf zu sehen, wie er nackt auf einem Liegestuhl sitzt, sein Genital lediglich von einem weißen BH bedeckt. Die Bild-Zeitung nennt ihn seitdem nur noch "der BH-Stürmer" oder "der Nackt-Stürmer".
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Vor zehn Jahren war die Situation noch eine andere. Bendtner galt als eines der vielversprechendsten Talente der Welt. Die Zeitungen druckten Lobeshymnen über den schnellen, technisch versierten Nachwuchskicker. 2004 verpflichtete Arsenal London den damals 16-Jährigen. Nur ein Jahr danach absolvierte der Däne sein erstes Spiel für die Profis, Trainer Arsène Wenger war begeistert. Um Spielpraxis zu sammeln, lieh der britische Klub Bendtner 2006 an den Zweitligisten Birmingham City aus. Er schoss 13 Tore und führte den Klub in die Premier League. Sogar der FC Bayern soll in dieser Zeit über eine Verpflichtung von Bendtner nachgedacht haben. Doch der 1,91 Meter große Stürmer kehrte zu Arsenal zurück.
Auch in der dänischen Nationalmannschaft sorgte Bendtner für Aufsehen. Er schoss sein Land zur WM 2010, bei der EM 2012 warf er beinahe die deutsche Elf aus dem Turnier. Sein Teamkollege John Sivebäck sagte einmal über ihn: "Seine Schnelligkeit und seine Technik erinnern mich an Thierry Henry, aber er hat in seinem herausfordernden und unberechenbaren Stil auch etwas von Zlatan Ibrahimovic."
Doch dann kam eine Zeit, in der es nicht mehr so gut lief für Bendtner. In einem Nachtklub ließ er die Hosen runter, einen Nachbarn soll er beschimpft, eine Bedienung in einem Restaurant beleidigt haben. Nur sieben Wochen nach der Geburt seines Sohnes ging zudem die Beziehung zu seiner 13 Jahre älteren Lebensgefährtin Caroline Luel-Brockdorff kaputt, die beiden waren in Dänemark bekannt wie die Beckhams.
Eines Nachts nahm die Polizei den Stürmer sogar fest: Bendtner saß mit 1,5 Promille am Steuer. Der Fußballer bekam ein dreijähriges Fahrverbot aufgebrummt und wurde für sechs Monate aus der dänischen Nationalmannschaft suspendiert. 2012 verurteilte die Uefa ihn zudem wegen Schleichwerbung zu einer Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro; bei einem Spiel der dänischen Nationalmannschaft hatte er beim Torjubel den Schriftzug eines Sponsors auf seiner Unterwäsche entblößt.
Sportlich konnte Bendtner in den vergangenen Jahren nicht mehr überzeugen, auch seinen Förderer Arsène Wenger nicht. Er wurde 2012 an Juventus Turin ausgeliehen, danach an den AFC Sunderland. In der vergangenen Saison kam er für Arsenal nur in wenigen Partien zum Einsatz, er schoss lediglich zwei Tore. Sein Vertrag wurde nicht verlängert, seit Ende Juni war er ohne Verein.
Bei seiner Präsentation in Wolfsburg gab sich Bendtner allerdings ziemlich selbstbewusst: "Der VfL will in Deutschland an der Spitze spielen. Ich hoffe, dass ich einiges dazu beitragen kann", sagte er. Wenn alles nach Plan läuft, soll Bendtner, der laut Bild bis zu drei Millionen Euro im Jahr verdienen soll, bei den Wolfsburgern nun die Offensive um Ivica Olic und Bas Dost verstärken. Denn ein versierter Fußballer ist Bendtner noch immer - wenn er will.
Sein Ziel sei es, der beste Stürmer der Welt zu werden, hatte Bendtner früher immer wieder gesagt. Das hat er bislang nicht erreicht. Solch hohe Erwartungen hat Trainer Hecking auch nicht an ihn. Denn der sagte am Freitag, man müsse nun erst einmal herausfinden, wie fit Bendtner überhaupt sei. Dass das weiße Hemd ein wenig am Bauch spannte, war nicht zu übersehen.
Bendtner jedoch ist der Meinung: "Ich bin in guter Verfassung." Allerdings hätte eine andere Einschätzung von ihm ziemlich überrascht, denn Selbstzweifel kennt ein Nicklas Bendtner keine. Einmal bekamen die Arsenal-Profis Besuch von einem Psychiater, der ihr Selbstbewusstsein einschätzen sollte. Bendtner bekam eine 10 - dabei reichte die Skala eigentlich nur bis 9.