NHL-Profi Draisaitl:Leon Draisaitl - auf dem Weg zu einem der Besten im Eishockey

Eishockey NHL Anders Lee, Leon Draisaitl

Wird mit jedem Tor und jeder Vorlage wertvoller für die Edmonton Oilers: Leon Draisaitl (links, gegen Anders Lee von den New York Islanders).

(Foto: Jason Franson/AP)
  • Mit 21 Jahren ist er bereits der erfolgreichste deutsche Angreifer in der Geschichte der nordamerikanischen Eishockey-Liga NHL.
  • Für die WM in seiner Heimatstadt Köln könnte das ein Problem werden, weil die Edmonton Oilers in den Playoffs eine gute Rolle spielen könnten.
  • Draisaitl selbst nimmt das alles sehr gelassen auf.

Von Jürgen Schmieder

Können wir uns, bevor wir über den Eishockeyspieler Leon Draisaitl und seine Bestmarke in der nordamerikanischen Profiliga NHL sprechen, kurz darauf einigen, dass die Menschen in Köln ein paar wunderbare Regeln aufgestellt haben? Das Kölsche Grundgesetz nennen sie das, die ersten beiden Artikel lauten: "Et es, wie et es" und "Et kütt, wie et kütt". Es ist, wie es ist - und es kommt, wie es kommt.

Wer sich mit Draisaitl unterhält, der bemerkt sofort, dass der Angreifer der Edmonton Oilers diese beiden Regeln verinnerlicht hat und deshalb ziemlich gelassen darauf reagiert, dass er am vergangenen Donnerstag beim 7:4-Sieg gegen die Boston Bruins ein Tor selbst erzielt und zwei weitere mit vorbereitet hat. Der Treffer zum 6:3 im zweiten Drittel war sein 60. Scorerpunkt in dieser Saison, später kam noch eine Vorlage dazu. Draisaitl hat mit 24 Toren und 37 Assists damit die Bestmarke des erfolgreichsten deutschen Akteurs in dieser Liga übertroffen, die vom aktuellen Bundestrainer Marco Sturm (59 Punkte) aus der Saison 2005/06.

"Das ist natürlich schön, so einen Meilenstein zu erreichen", sagt er am Telefon: "Aber ich werde deswegen nicht groß feiern. Vielleicht später mal, die Saison läuft ja noch."

Draisaitl ist erst 21 Jahre alt, er spricht jedoch wie einer, der schon vieles erlebt hat und deshalb manches nicht mehr so ernst nimmt. Diese für Profisportler seltene Gleichmut hat er von seinem Vater Peter geerbt, einst ein erfolgreicher Eishockeyspieler und unglücklicher Schütze dieses Penaltys im Olympia-Viertelfinale 1992 in Albertville: Beim entscheidenden Versuch gegen die favorisierten Kanadier kullerte der von Draisaitl geschossene Puck aufs Tor zu und blieb auf der Linie liegen. In einer Dokumentation sagt Peter Draisaitl über diesen Moment: "Trotz all der Tragik: schöne Geschichte. Klassiker." Dann lacht er.

Oilers warten seit zwölf Jahren auf Playoff-Teilnahme

Diese Gelassenheit hat Sohn Leon bei dessen Entwicklung zu jenem Spieler geholfen, von dem sie in Nordamerika behaupten, dass er noch ein, zwei harte Winter hinter sich bringen müsse und dann zu den besten Angreifern dieser Sportart gehören dürfte. Einer, der noch ganz andere Rekorde brechen und viele Titel gewinnen könnte. Die Oilers haben ihn bei der Wahl der besten Talente 2014 an dritter Stelle verpflichtet - so früh war noch nie ein Deutscher aufgerufen worden. Er wurde zunächst zum Nachwuchsteam Prince Albert Raiders geschickt und später, nach durchwachsenen Leistungen in der NHL, noch einmal zurück in die Provinz. Draisaitls Reaktion: Es ist, wie es ist.

Er hat sich durchgebissen und ist mittlerweile nicht nur Stammspieler geworden, sondern der wichtigste Angreifer neben dem erst 19 Jahre alten Connor McDavid, den sie in Edmonton als Reinkarnation von Wayne Gretzky sehen. Der Rekord-Rekordhalter der NHL hat mit den Oilers in den Achtzigerjahren vier Meisterschaften gewonnen, seit seinem Weggang zu den Los Angeles Kings im Jahr 1988 sehnen sich die Menschen in Edmonton wieder nach so einen Stürmer, der eine Mannschaft zum Titel führen kann. Seit 1990 hat der Verein keine Meisterschaft mehr gewonnen und seit zwölf Jahren nicht mehr die Playoffs erreicht.

Ein neuer Vertrag könnte für die Oilers teuer werden

McDavid ist der agile und technisch begabte Mittelstürmer, Draisaitl gibt den kräftigen Vollender daneben oder den Anführer der zweiten Sturmreihe. Er ist trotz eines wuchtigen Körpers - 97 Kilo verteilen sich auf 1,86 Meter - erstaunlich beweglich, aufgrund seiner feinen Technik ist er vielseitig einsetzbar. Trainer Todd McLellan schiebt ihn munter auf dem Eis und zwischen den Angriffsreihen hin und her, bisweilen sogar während der Partien. "Ach, mir ist das egal, ich kann überall spielen", sagt Draisaitl. Es ist, wie es ist.

Die Oilers liegen kurz vor dem Ende der Hauptrunde auf dem fünften Platz der Western Conference. Der würde zur Teilnahme an den Playoffs berechtigen, selbst das Heimrecht in der ersten Runde ist noch möglich, die Anaheim Ducks haben nur einen Punkt Vorsprung. Kein Wunder, dass in Edmonton plötzlich wieder Eishockey-Euphorie herrscht: Der Verein ist vor der Saison in einen 475-Millionen-Dollar-Palast im Stadtzentrum umgezogen, dem noch unerfahrenen Kader wird nach ein, zwei harten Wintern durchaus die Meisterschaft zugetraut.

"Falls wir danach ausscheiden, werde ich im nächsten Flugzeug nach Deutschland sitzen"

Der aktuelle Erfolg allerdings könnte genau das erschweren. Die Oilers dürften in diesem Sommer den Vertrag mit McDavid verlängern, der dadurch zum bestbezahlten Spieler der Liga werden könnte. Der Verein hat Draisaitls Vertrag im Jahr 2015 nicht angepasst, als er es hätte tun können. Aufgrund der erstaunlichen Leistungen in dieser Saison wird Draisaitl nun immer wertvoller. Es könnte teuer werden für Edmonton, ihn mit einem neuen Vertrag auszustatten. "Ach, darüber will ich gerade nicht reden", sagt er: "Ich spreche mit meinem Berater darüber, im Sommer werden wir dann eine Lösung finden." Es kommt, wie es kommt.

Die Siege der Oilers führen auch dazu, dass er der deutschen Nationalmannschaft bei der WM im Mai fehlen könnte. Die wird in Paris und Köln ausgetragen. "Das wäre natürlich überragend, in meiner Heimatstadt für mein Heimatland anzutreten", sagt Draisaitl, den der Deutsche Eishockey-Bund als das Gesicht dieser Veranstaltung vermarkten möchte. Und die Geschichte schreibt sich ja von selbst: Kölscher Jung' spielt bei der WM in Köln für Deutschland, nachdem er in der besten Liga der Welt gerade den Rekord des Bundestrainers gebrochen hat.

Sollten die Oilers in der ersten Playoff-Runde scheitern, wäre Draisaitl von Beginn an dabei: "Falls wir danach ausscheiden, werde ich im nächsten Flugzeug nach Deutschland sitzen." Er sagt bewusst falls, schließlich gelten die NHL-Playoffs als unberechenbar - 2012 etwa rutschten die Los Angeles Kings gerade noch hinein - und gewannen den Titel. "Die Oilers haben Priorität, keine Frage - und wir haben eine gute Mannschaft." Leon Draisaitl wird in diesem Frühjahr entweder einen Playoff-Lauf mit den Oilers hinlegen oder in seiner Heimatstadt bei der WM auflaufen. Eine Win-win-Situation. Es kommt, wie es kommt.

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