NFL:Vollmers Erben

November 27 2016 New Orleans Saints defensive end Kasim Edebali 91 leaps jump to defend the pas

Neue Chance bei den Denver Broncos? Defensive End Kasim Edebali (Nr. 91).

(Foto: imago)

In der NFL haben die Training Camps begonnen. Vier Deutsche kämpfen um ihren Platz im Kader - und mit hohen Erwartungen.

Von Max Länge

Treffen sich ein schwäbischer Maschinenbauer, ein Feuerwehrmann mit fränkischen Wurzeln, ein Kommunikationswissenschaftler aus Hamburg und ein Buchhalter aus Ansbach in den USA. Was wie der Beginn eines Kalauers klingt, ist die deutsche Zukunft in der US-Footballliga NFL. Moritz Böhringer, Kevin Davis, Kasim Edebali und Mark Nzeocha sind die vier Deutschen, die in den vergangenen Tagen ihre Sporttaschen gepackt haben, um sich im Trainingslager ihrer Teams einen Platz im Kader für die anstehende Saison zu sichern, einen von 53.

Aus vier NFL-Kandidaten hätten auch sieben werden können, doch nach der Saison 2016 hörten die drei prominentesten deutschen Footballer auf. Björn Werner ist der einzige Deutsche, der in der ersten Runde des Drafts, dem Auswahlverfahren für Talente, ausgewählt wurde. 2016 wurde er von den Indianapolis Colts entlassen, er entschied sich gegen die Fortsetzung seiner Laufbahn, als er merkte, dass die Teams ihm wegen seiner kaputten Knie keine neue Chance geben würden. Markus Kuhn ist der einzige Deutsche, der in der NFL einen Touchdown erzielt hat. Er verpasste 2016 nach vier Jahren bei den New York Giants den Sprung in den endgültigen Kader der New England Patriots und machte daraufhin Schluss. Sebastian Vollmer ist der einzige Deutsche, der den Super Bowl gewonnen hat - und das sogar zweimal. Beim zweiten Mal 2016 fehlte er jedoch die gesamte Saison lang verletzt.

Ihr schweres Erbe treten nun vier Spieler an, die in der Liga bislang wenig bis keine Erfahrung gesammelt haben. Auf sechs Jahre in der NFL kommen sie in der Summe - und ob weitere dazu kommen, hängt im kommenden Monat von Gesundheitszustand, Einsatzbereitschaft und ein wenig vom Glück ab. Am 3. September werden die Kader aller Teams von 90 auf 53 Spieler verkleinert. Die größten Chancen auf einen festen Kaderplatz darf sich der Hamburger Verteidiger Kasim Edebali, 27, ausrechnen, der in der Saisonpause von den New Orleans Saints zu den Denver Broncos wechselte.

"Aweng komisch", findet Kevin Davis das Training bei den Los Angeles Rams

Wide Receiver Moritz Böhringer, 23, schaffte 2016 den Sprung über den Draft zu den Minnesota Vikings, ohne ein US-College zu besuchen. Die erste Nervosität hat er inzwischen abgelegt, nach einer Saison in der Vikings-Trainingsmannschaft. Wenn Böhringer heute mit Journalisten spricht, ist er zwar immer noch der leise, zurückhaltende und oft wortkarge junge Mann. Doch man hat das Gefühl, dass er sich nicht mehr ganz so unwohl fühlt. "Vor einem Jahr hatte ich noch nie ein Interview gegeben und dann kamen die Anfragen auf einmal täglich", sagte er dem Fachportal Footballerei. "Ich wollte unbedingt beweisen, dass ich in der NFL mithalten kann." Er verkrampfte im Training und ließ Bälle fallen. 2017 greift er erneut an in der Hoffnung, dass die Arbeit an taktischen und technischen Schwächen für einen Kaderplatz gereicht hat. Die erste Einschätzung seines Cheftrainers Mike Zimmer ist verheißungsvoll: "Er hat sich deutlich verbessert. Er fängt den Ball besser und versteht die Offense besser."

Schwerer ist die Lage bei Kevin Davis einzuschätzen. Der 23 Jahre alte Verteidiger wurde Ende April von den Los Angeles Rams unter Vertrag genommen, nachdem er im Draft von keinem Team ausgewählt worden war. Dort spielt er nun für den jüngsten Cheftrainer der Liga, Sean McVay. "Aweng komisch" sei es schon, unter einem 31-Jährigen zu trainieren, sagt Davis, sein fränkischer Dialekt klingt aus dem amerikanisch angehauchten Deutsch. Der Sohn einer Bayreutherin und eines Amerikaners verbrachte acht Jahre seiner Kindheit in Nordbayern. Zuletzt studierte er an der Colorado State University.

Wenn Böhringer nicht ausgewählt wird, hat er schon einen Plan B

Mark Nzeocha, 27, ein gebürtiger Franke, kam 2015 von der University of Wyoming in die Liga. Der Linebacker spielt bereits seit zwei Jahren bei den Dallas Cowboys, verpasste jedoch einen Großteil der Partien wegen Verletzungen. Vor der Knie-Arthroskopie, der er sich im Juni unterzog, war er für einen Kaderplatz fast gesetzt. Jetzt schmälert der Eingriff Nzeochas Chancen, denn er wird erst später in die Vorbereitung einsteigen können. Sollte er es nicht schaffen, wäre der Name Nzeocha - ausgesprochen En-sa-cha, mit Betonung auf der mittleren Silbe - trotzdem noch in der NFL vertreten. Bruder Eric, 24, ebenfalls Linebacker, profitiert in dieser Saison von einer Sonderregelung, die es vier ausgewählten Teams erlaubt, einen weiteren internationalen Spieler in ihre Trainingsmannschaften aufzunehmen. Er trainiert 2017 bei den Tampa Bay Buccaneers. Einsätze im regulären Spielbetrieb sind laut Regelung jedoch erst ein Jahr später zulässig.

Im besten Fall stehen in Woche eins der NFL-Saison 2017 ab dem 7. September vier deutsche Spieler auf dem Feld. Im schlechtesten Fall tritt Kasim Edebali dann als einziger Deutscher das Erbe von Vollmer, Kuhn und Werner an. Wenn Böhringer und Davis der Platz im Kader eines NFL-Teams verwehrt bleiben sollte, haben beide einen Plan B. Bleiben Angebote aus, will Böhringer nach Aalen an die Hochschule zurückkehren , um sein Maschinenbau-Studium fortzusetzen. Und Davis wird tun, was er sich bereits vor der Vertragsunterzeichnung vorgenommen hat: Als Feuerwehrmann zu arbeiten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: