NFL-Spieler Sebastian Vollmer:Koloss aus Neuss

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"Schmerzfrei geht's eigentlich nie": Das ist Sebastian Vollmer (Foto: imago sportfotodienst)

Er ist 2,03 Meter groß, 145 Kilogramm wuchtig und trägt einen prächtigen Holzfäller-Bart. Sebastian Vollmer ist dennoch ein unauffälliger Typ. Nun könnte der 30-Jährige als erster deutscher Footballspieler die Super Bowl gewinnen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Unauffällig. Für einen Sportler ist dieses Urteil nach einer Partie ungefähr so schrecklich wie die Bezeichnung "ganz nett" nach der ersten Verabredung. Für Sebastian Vollmer allerdings ist dieses Wort das größtmögliche Kompliment. Der Mann ist 2,03 Meter groß und 145 Kilogramm wuchtig, eine Ein-Mann-Naturgewalt mit prächtigem Holzfäller-Bart - und er hat seinen Job dann bestens erledigt, wenn ihn niemand bemerkt. Vollmer ist Footballspieler, er ist Right Tackle der New England Patriots, er kann am Sonntag als erster Deutscher die Meisterschaft in der Profiliga NFL gewinnen.

Markige Worte sind nicht Vollmers Sache, er brummt Sätze wie: "Es geht darum, ein Endspiel zu gewinnen - mit meiner Nationalität hat das nichts zu tun." Oder dazu, dass er bereits 2012 im Finale stand, jedoch verlor: "Wenn man das alles schon mal erlebt hat, kann man ein bisschen gelassener damit umgehen." Oder zu seiner Aufgabe auf dem Spielfeld: "Im Laufspiel muss ich meinen Gegner wegräumen. Bei Pass-Spielzügen unserem Quarterback Zeit geben, damit er den Ball an den Mann bringen kann."

Dieser Quarterback, das ist Tom Brady. Ein All-American-Boy mit kalifornischem Lächeln, verheiratet mit dem Model Gisele Bündchen. Der steht zum sechsten Mal im Finale, er hat es bereits drei Mal gewonnen und gilt als einer der besten Spielmacher in der Geschichte dieses Sports. Wenn Brady derzeit über Vollmer spricht ("Ich kann mir niemand anderen vor mir vorstellen als ihn"), dann verwendet er nicht dessen Spitznamen Seabass (Wolfsbarsch), er nennt ihn lieber als The Gigantic German - den gigantischen Deutschen.

Für seine Statur äußerst beweglich

Vollmer, 30, war einst ein brauchbarer Schwimmer, in seiner Heimatstadt Neuss trainierte er gemeinsam mit dem späteren Olympiateilnehmer Thomas Rupprath. Nebenbei spielte er American Football, er war talentiert, für seine Statur äußerst beweglich und ein unermüdlicher Arbeiter. Das bemerkten auch die Späher der University of Houston im Jahr 2003, als Vollmer mit der deutschen Jugendnationalmannschaft zu Besuch war. Sie boten ihm ein Stipendium an, obwohl Vollmer kaum Englisch sprach und erst einmal kaum verstand, was die Trainer von ihm wollten. Doch er biss sich durch, spielte vor allem in seinem letzten College-Jahr auffällig unauffällig und wurde 2009 in der zweiten Draft-Runde von den Patriots gewählt.

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So eine Profikarriere im Football dauert gerade für die Brocken der Offensivlinie oft nicht besonders lange, laut Spielergewerkschaft gerade einmal dreieinhalb Jahre. Vollmer ist nun seit sechs Jahren dabei, sein Vertrag (je nach Einsatzzeit und Erfolgen bekommt er zwischen acht und 27 Millionen Dollar für vier Jahre) gilt noch drei weitere Spielzeiten. "Schmerzfrei geht's eigentlich nie", sagt er: "Dass einem was weh tut, ist eigentlich ganz normal." Er weiß deshalb seine zweite Finalteilnahme durchaus zu schätzen, es sei "eine coole Sache", in Phoenix dabei zu sein. Er ist der zweite Deutsche in der Super Bowl, Kicker Uwe von Schamann unterlag zweimal (1983 und 1985) mit den Miami Dolphins.

Eine zweite Niederlage soll Vollmer nicht passieren, er bereitet sich gewissenhaft auf dieses Endspiel vor, jede Form der Ablenkung ist störend. Der Medientag unter der Woche war ein medialer Großkampftag mit aberwitzigen Fragen und skurrilen Reportern. Eine mexikanische Journalistin etwa hielt es für total lustig, dem gigantischen Deutschen ein paar Torwarthandschuhe zu überreichen und ihn aufzufordern, einen von ihr getreten Fußball zu fangen. Vollmer entgegnete lächelnd: "Nö, danke." Er bleibt dann doch lieber unauffällig.

© SZ vom 31.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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