Neujahrsspringen der Vierschanzentournee:Triumph des Helikopters

Four Hills Tournament - Garmisch Partenkirchen Day 2

Norweger Anders Jacobsen jubelt: Zweiter Sieg bei der Vierschanzentournee

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Anders Jacobsen demonstriert auch in Garmisch-Partenkirchen außergewöhnliche Fähigkeiten - Turbulenzen im ersten Durchgang kontert er souverän und springt dann am weitesten. Severin Freund müht sich erneut an der Schanze und fällt als Fünfzehnter des Neujahrsspringens in der Gesamtwertung deutlich zurück.

Von Thomas Hahn

Das Werdenfelser Land machte einen etwas abgetauten Eindruck an diesem lauen Neujahrstag, als die Skispringer die neue Olympiaschanze bestiegen. Immerhin, die Luft war einigermaßen ruhig, es waren keine allzu großen Turbulenzen zu erwarten am Himmel über Garmisch-Partenkirchen. Und dann erlebten die 20 500 Zuschauer in der ausverkauften Arena am Gudiberg doch eine Schrecksekunde. Denn im ersten Durchgang taumelte der Norweger Anders Jacobsen, der Sieger von Oberstdorf, nach einem Fehler beim Absprung wie ein Sturzpilot vom Bakken.

Akrobatisch brachte er sich wieder in eine ruhige Flugposition und streckte den Sprung noch auf 131 Meter. Mit etwas weniger Kunstfertigkeit hätte die 61. Vierschanzentournee in diesem Moment schon bei der zweiten Etappe entschieden ein können. Stattdessen bewahrte Jacobsen nach dieser Einlage, die er selbst "Helikopter-Flug" nannte, nicht nur seine Chance auf den Gesamtsieg, sondern gewann das Neujahrsskispringen auch noch nach einem zweiten Sprung auf 143 Meter vor dem Österreicher Gregor Schlierenzauer. Zwischen Jacobsen und Schlierenzauer wird diese Tournee entschieden - so sah es aus nach diesem Tag, der an der Heimmannschaft ein bisschen vorbeilief.

Die Skispringer dürfen ihre Gedanken nicht zu weit hineinrichten ins neue Jahr. Was wird? Wie geht die persönliche Geschichte weiter nach dem, was in den zwölf Monaten zuvor war? Die Fragen müssen sie zurückstellen, weil das Neujahrsspringen doch schon gleich der erste Höhepunkt ist für sie nach dem Jahreswechsel, und natürlich hat sich Severin Freund von der DJK Rastbüchl erst recht nicht eingelassen auf Silvester-Folklore und Grundsatzfragen.

Man hat bei ihm manchmal das Gefühl, dass er von Beruf nüchtern ist, so konsequent bleibt er bei den Herausforderungen des Augenblicks. In Oberstdorf, nach seinem schönen dritten Platz am Schattenberg, fragte ihn eine Reporterin nach seinen Vorsätzen für 2013, und Freund ließ die Frage in freundlicher Unverbindlichkeit versacken vor dem Einsatz in Garmisch-Partenkirchen. "Erstmal ein gutes Training machen, mich an die Schanze gewöhnen, und dass ich die Tournee so weiterspringe, wie ich angefangen habe." Und tags darauf nahm er in ähnlicher Sachlichkeit seinen Kampf mit der Olympiaschanze auf, deren "schärferer Radius" (Freund) ihm Probleme bereitete.

Schmitt darf bleiben

Die Qualifikation lief mittelprächtig, er reihte sich weit hinter den Führenden ein und musste am Neujahrstag deshalb als erster auf den Bakken. Das war keine Ehre, und wenn er anschließend für seinen Satz auf 129,5 Meter Lob von Bundestrainer Werner Schuster bekam, dann vor allem deshalb, weil dieser Satz wenigsten besser gewesen war als jene zuvor. "In Anbetracht der Umstände war das ein ganz guter Sprung", sagte Schuster in der ARD. "Wichtig war, dass ich im Wettkampf meinen besten Sprung gemacht habe", sagte Freund. Aber klar war auch, dass er an diesem Tag aus dem Kreis der Gesamtsieg-Kandidaten herausfiel. Auf Platz 15 steigerte er sich noch. Mehr war nicht drin.

Es ist insgesamt nicht der Tag der Deutschen gewesen: Andreas Wellinger war als Neunter ihr Bester, es folgten Andreas Wank (11.), Martin Schmitt (14.) und eben Freund. "Schon schade", sagte Schuster, "heute sind wir in der Spitze nicht mitgekommen." Am Ende hatte er sogar eine kleine Personaldebatte am Hals, weil der 34 Jahre alte frühere Weltmeister Schmitt sich wider Erwarten für einen Verbleib im Team empfahl. Auf den letzten Drücker hatte sich Schmitt über die B-Mannschaft für die nationale Gruppe qualifiziert, die jeder Gastgeber aufbieten darf. Für die österreichischen Etappen musste Schuster seine Auswahl wieder auf sechs Leute zurechtstutzen.

Ursprünglich hatte er seine jungen Leute im Team behalten wollen. Aber konnte das gehen, nachdem Danny Queck, 23, und Karl Geiger, 19, hinter Schmitt im Klassement standen? "Ich habe Verständnis dafür, wenn die Mannschaft nicht durcheinander gewirbelt wird", sagte Schmitt und stellte in Aussicht, auch mit einem Start in Zakopane beim Continental Cup zufrieden zu sein: "Für mich ist wichtig, dass ich am nächsten Wochenende skispringen kann." Schuster ging in sich und entschied sich schweren Herzens "nach dem Leistungsprinzip" gegen die Jugend. Schmitt begleitet Freund, Wellinger, Wank, Richard Freitag und Michael Neumayer nach Innsbruck und Bischofshofen.

So schnell kann es gehen im Skispringen. In den ersten Wochen der Saison wirkten die Deutschen fast unangefochten in ihrem neuen Hochgefühl. Jetzt sind auf einmal die Norweger die Springer der Stunde. In Jacobsen stellten sie auf der Olympiaschanze nicht nur den Tagessieger, sondern in Anders Bardal und Tom Hilde auch den Dritt- und den Viertplatzierten. Als Duell zwischen den Tournee-Gastgebern war die Serie avisiert, jetzt sind die Deutschen zurückgefallen und die Österreicher nach einem harten Neujahrstag - Thomas Morgenstern wurde Elfter, Andreas Kofler 19. - haben vorerst nur noch Gregor Schlierenzauer im Kreis der Allerbesten. Norwegen strahlt, und der Jacobsen-Kollege Tom Hilde dankte den Tournee-Vorhersagern für ihre Wetten auf die anderen. "Das ist ziemlich perfekt", sagte er, "dadurch können wir uns auf uns selbst konzentrieren."

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