Neuer DFB-Kapitän Schweinsteiger:Gute Wahl in stressfreien Tagen

Joachim Löw hätte auch seltener verletzte Spieler als Kapitän auswählen können - aber die Entscheidung für Bastian Schweinsteiger ist der überlegtere Entwurf. Wirklich gebraucht wird ein Kapitän sowieso erst 2016.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Theoretisch hätte er es auch einfacher haben können, der Bundestrainer. Er hätte nur die mündliche Bewerbung von Manuel Neuer ("Ich würde es machen!") aus der Pressekonferenz vom Montag annehmen müssen, dann wäre die Angelegenheit auf Jahre hinaus beschlossen und verkündet gewesen. Praktisch aber wäre dieser Entschluss nicht so leicht zu rechtfertigen gewesen, und deshalb ist das, was Joachim Löw auf der Pressekonferenz am Dienstag als beschlossen verkündete, dann doch der diplomatisch reifere Entwurf. Denn dass Bastian Schweinsteiger das Kapitänsamt qua Lebensleistung verdient hat, steht außer Frage.

Dass seine Berufung allerdings in Abwesenheit bekanntgegeben wurde, da er mal wieder eine Verletzung auskuriert - dieses Mal die gereizte Patellasehne -, zeigt, wo sich die Probleme entwickeln könnten. Ein bisweilen waidwunder Kapitän wird sofort zum Gegenstand der Debatte. Einen Kapitän wechselt man nicht so einfach aus, wenn er mal müde ist.

Die neue Nationalelf wird häufiger - wie an diesem Mittwoch gegen Argentinien und am Sonntag gegen Schottland - ohne ihren Chef klarkommen müssen. Schweinsteiger, der Finalheld von Rio, ist zwar biologisch erst 30, aber das ist für einen Fußballer eben doch ein fortgeschrittenes Alter. Eines, in dem Co-Weltmeister wie Kapitänsvorgänger Philipp Lahm, 30, oder Abwehrkraft Per Mertes-acker, 29, vom DFB bereits die Blumensträuße für die erbrachte Lebensleistung in Empfang nehmen.

Und dennoch überwog für Löw wohl folgende Überlegung: Sami Khedira, auch ein Kandidat, ist ebenfalls verletzungsanfällig und bei Real Madrid kein Stammspieler mehr. Manuel Neuer steht eh immer im Tor und kann, wie im Augenblick, problemlos mit der Kapitänsbinde bestückt werden. Und bei Schweinsteiger ist es ja so: Das Unterlassen einer Vertrauenserklärung wäre doch zu sehr als Misstrauensvotum interpretiert worden. Nicht gegen den Spieler, aber gegen dessen Körper.

Dazu besteht keine Notwendigkeit, schaut man sich den Spielplan an. Der FC Bayern spielt zwei Mal die Woche, weshalb es im Klub geboten erschien, die labile Schweinsteiger-Position durch die Verpflichtung des Spaniers Xabi Alonso von Real Madrid abzusichern. Die Nationalelf hingegen hat den nächsten spektakulären Termin erst in zwei Jahren, bei der EM 2016. Das Risiko in der Qualifikation ist angesichts der Gegner Schottland, Polen, Irland, Gibraltar und Georgien begrenzt, zumal Gruppenerste und -zweite in Frankreich dabei sein werden.

Erst in der Mühle eines Vier-Wochen-Turniers aber ist ein Kapitän wirklich gefordert. Dort muss er sich vom Repräsentanten, der den Wimpel tauscht, zu einer Autorität des Alltags wandeln. Zeit genug also, den von den Folgen der WM geschlauchten Schweinsteiger-Körper wieder auf Turnierform zu trimmen. Der Fahrplan steht: Das Finale ist am 10. Juli 2016 in Paris.

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