Neue WM-Helden (11): Gervinho:Der dribbelnde Elefant

Gervinhos Dribblings wirken oft wie Poesie. Das ist angeblich auch dem FC Bayern schon aufgefallen. In der französischen Liga wurde der Ivorer zum besten Spieler gekürt. Bei der WM will er seinem Traum näher kommen.

David Bernreuther

Es klingt manchmal wie Poesie, wenn französische Zeitungen über die Dribblings von Gervinho berichten. Sie schreiben zum Beispiel, der Angreifer vom OSC Lille "sprüht Funken auf dem rechten Flügel". Sie nennen ihn "ein Irrlicht", weil er die Verteidiger mit Körpertäuschungen und blitzartigen Richtungswechseln auf die falsche Fährte führt. Sie loben seine Wendigkeit, seine Durchschlagskraft, seine Inspiration.

Mensah Ghana Gervinho Elfenbeinküste Gervais Yao Kouassi

Im Klammergriff: Gervinho (links) ist oft nur schwer zu halten, hier versucht es Ghanas John Mensah.

(Foto: rtr)

Auch für den Zustand, in den Gervinho die gegnerischen Abwehrreihen versetzt, gibt es in den Zeitungen schöne Beschreibungen. Eine davon, nach einem 4:0-Sieg von Lille gegen den AS Monaco, lautete: "écrabouillée". Für den, der es nicht versteht, mag das Wort kunstvoll und erhaben klingen. Doch ein Blick ins Wörterbuch verrät die wahre Bedeutung: "zerquetscht, zermalmt".

Spielen wie ein Brasilianer

Gervinho ist 23 Jahre alt, er spielt bei der WM für die Elfenbeinküste und heißt mit bürgerlichem Namen Gervais Yao Kouassi. Er sagt, sein Künstlername gebe ihm die Motivation, so zu spielen wie ein Brasilianer. Und in der Tat: An guten Tagen kann Gervinho die Defensive des Gegners im Alleingang zerquetschen und zermalmen, ohne dabei Gewalt anzuwenden. Er schafft es mit irrsinnigem Tempo, technischer Finesse und einem feinen rechten Fuß. Mit diesem kann er den Ball an mehreren Gegenspielern vorbei in den Strafraum streicheln, ihn aus kurzer Distanz über den Torwart lupfen oder aus scheinbar unmöglichem Winkel genau neben den Pfosten in die Ecke knallen.

Gervinho wurde von der Fachzeitschrift France Football als bester Feldspieler der französischen Ligue 1 der vergangenen Saison ausgezeichnet. Außerdem kürte ihn der Sender Radio France International zum besten afrikanischen Spieler in Frankreich. In der abgelaufenen Saison erzielte er für Lille 13 Tore und gab vier Vorlagen. Zudem holte er fünf Elfmeter heraus - so viele wie kein anderer Spieler in der Ligue 1.

Der Ausgangspunkt von Gervinhos Karriere ist das Fußballinternat ASEC in Abidjan, der ehemaligen Hauptstadt der Elfenbeinküste. Die Liste der ivorischen Fußballer, die von dieser Jugendakademie den Sprung in den europäischen Spitzenfußball schafften, liest sich beeindruckend: Kolo Touré (Manchester City), Salomon Kalou (FC Chelsea), Didier Zokora (FC Sevilla), Yaya Touré (FC Barcelona) oder Emmanuel Eboué (Arsenal London).

Für viele von ihnen war der belgische Klub KSK Beveren, der mit der Fußballschule in Abidjan kooperiert, die erste Anlaufstelle in Europa, so auch für Gervinho. 2004 wechselte er mit 17 Jahren in die Jugend des KSK Beveren, ein Jahr später schaffte er den Sprung in die erste Mannschaft. Über den UC Le Mans kam Gervinho 2009 für rund acht Millionen Euro zum OSC Lille.

"Er wird zum absoluten Weltstar"

Zu Saisonbeginn hatte er Schwierigkeiten, saß meist auf der Bank und kam nur zu Kurzeinsätzen. Doch seit Herbst sorgt er für jede Menge Wirbel auf dem rechten Flügel des OSC. Im Februar bremste ihn zwar eine Knieverletzung - aber nur für ein paar Wochen. Inzwischen wird er von den Fans gefeiert, sie singen seinen Namen auf die Melodie von "Live is life": "Ger-vin-ho, na-na-na-nana".

Im Frühjahr gab es sogar Gerüchte, der FC Bayern hätte den Ivorer als möglichen Ersatz für Franck Ribéry im Visier. Doch weil Ribéry in München bekanntlich bis 2015 verlängert hat und Gervinho bekundet hat, er möchte vorerst in Lille bleiben, sind die Spekulationen mittlerweile vom Tisch. Angeblich träumt Gervinho davon, in naher Zukunft für Real Madrid zu spielen.

"In den nächsten zwei Jahren wird er zum absoluten Weltstar", sagt Rudi Garcia, der Trainer des OSC Lille. Die WM in Südafrika, bei der die Elfenbeinküste in der stark besetzten Gruppe G auf Portugal, Brasilien und Nordkorea trifft, könnte dabei als Sprungbrett dienen. Die "Elefanten", so der Spitzname der ivorischen Nationalmannschaft, haben sich nach dem verpatzten Afrika-Cup im Januar viel vorgenommen. Und sollte Kapitän Didier Drogba nach seinem Ellbogenbruch tatsächlich ausfallen, entstünde eine gewaltige Lücke - sowohl im Sturmzentrum als auch in der Außenwirkung. Vielleicht ist es Gervinho, der vom rechten Flügel aus in diese Lücke stößt - und die Weltpresse mit poetischen Dribblings zum Schwärmen bringt.

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