Neue WM-Helden (1): André Ayew:Der Sohn von Pelé

Die WM als Bühne für neue Stars: Ghanas Mittelfeldspieler André Ayew ist erst 20, muss bei der WM aber die Familienehre retten: Er ist der Sohn des in Afrika höchst verehrten Abédi Pelé.

Daniel Theweleit

Ronaldo und Messi, Kaká und Iniesta, Rooney und Schweinsteiger - große Namen treffen sich bei der WM in Südafrika. Doch so ein Turnier ist auch eine Bühne, wo sich bislang eher Unbekannte in den Vordergrund spielen können. Wo aus nationalen Stars plötzlich Weltstars werden. sueddeutsche.de stellt bis zum WM-Start am 11. Juni elf Spieler vor, die einer besonderen Beobachtung wert sind.

Ghana's Ayew is challenged by Hungary's goalkeeper Gulacsi during their FIFA U-20 World Cup semi-finals soccer match in Cairo

Ghanas André Ayew im Halbfinale der U-20-WM gegen Ungarn im Jahr 2009.

(Foto: Reuters)

Wenn es in Diskussionen um die größten afrikanischen Fußballer aller Zeiten geht, dann ist ein Name immer dabei: Abédi Ayew, genannt Abédi Pelé. Der große alte ghanaische Star, den sie "Maradona Afrikas" riefen, war drei Mal Afrikas Fußballer des Jahres und Champions-League-Sieger mit Olympique Marseille, bevor er seine Karriere bei 1860 München ausklingen ließ. Aber einen dunklen Fleck gibt es in Abédi Pelés Karriere: Er hat nie an einer Weltmeisterschaft teilgenommen. Das wird André Ayew, Pelés 20-jähriger Sohn, in diesem Sommer im Namen der Familie nachholen. "Es ist traurig, dass mein Vater nie diese Chance hatte", sagt André, "ich werde in Südafrika für ihn spielen."

Auch Ibrahim Ayew, der ältere Bruder, gehört dem vorläufigen 30-Mann Kader der Westafrikaner an, und Jordan, der dritte Sohn von Abédi Pelé, gilt als hoffnungsvolles Talent. Doch der neue Star der Familie ist André. Mit 17 debütierte er im Nationalteam, mit 18 spielte er seinen ersten Afrika-Cup, mit 19 führte er Ghanas U 20 zum Sieg beim Afrika-Cup und zum Weltmeistertitel, und beim Afrika-Cup der A-Nationalmannschaften vor fünf Monaten köpfte er in der 90 Minute das umjubelte Siegtor im letzten Vorrundenspiel gegen Burkina Faso. Ohne diesen Treffer wäre Ghanas spätere Finalteilnahme ein unerfüllter Traum geblieben. Und in diesem Jahr ist Ayew, der von Olympique Marseille an den AC Arles ausgeliehen war, mit seinem Klub in die erste französische Liga aufgestiegen.

Priviligierte Perspektive

Bundestrainer Joachim Löw ist ja der Ansicht, dass das Selbstvertrauen solch frischer Erfolgserlebnisse von unschätzbarem Wert für eine Nationalmannschaft sein kann. Sollte diese Theorie stimmen, dürfte der Mittelfeldallrounder Ayew eine wichtige Rolle spielen in Südafrika. "Vielleicht hilft uns diese Siegermentalität wirklich dabei, in Südafrika etwas Großes zu erreichen", sagt Hans Sarpei, der für Bayer Leverkusen in der Bundesliga spielt.

Möglicherweise wird die Rolle Ayews in Südafrika sogar noch gewichtiger als ihm selber lieb ist. Denn Michael Essien vom FC Chelsea fällt sicher aus, und Kapitän Stephen Appiah (FC Bologna) konnte aufgrund diverser Probleme in den vergangenen drei Jahren gerade einmal acht Ligaspiele absolvieren. Trainer Milovan Rajevac hat jüngst von einem "Desaster" gesprochen, zumal auch Abwehrchef John Mensah aufgrund immer neu aufflammender muskulärer Probleme auszufallen droht. Und medizinische Betreuung gehört nicht gerade zu den Stärken des afrikanischen Fußballs.

Allerdings entpuppte sich der Ausfall einiger Routiniers schon beim Afrika-Cup in Angola als Glücksfall für die Jungen. "Dort das Finale erreicht zu haben, hat uns ganz neue Einblicke in den Fußball verschafft", sagt Ayew, der in Europa aufwuchs und in der Jugendakademie von Olympique Marseille ausgebildet wurde. Afrika hat er immer aus einer sehr privilegierten Perspektive erlebt, der Fußball ist sein Zugang zum Schwarzen Kontinent.

Interesse aus der Premier League

Möglich wäre für Ayew auch eine Karriere in Frankreichs Nationalmannschaft gewesen, er besitzt die französische Staatsbürgerschaft und wurde dort mehrfach zu den Lehrgängen der Nachwuchsteams eingeladen. Für ihn war das jedoch nie eine ernste Option. "Ich betrachte es als meine Aufgabe, für die Menschen in Ghana zu spielen und Afrika vor den Augen der Welt zu repräsentieren", sagt Ayew staatsmännisch.

Aber der Linksfuß spielt natürlich auch für sich selbst, sein Vertrag in Marseille wird in diesem Sommer auslaufen, angeblich sind diverse Klubs aus der Premier League interessiert. Und nicht zuletzt muss er auch die Familienehre retten, denn die Tatsache, dass Ghanas goldene Generation um Abédi Pelé und Anthony Yeboah nie an einer WM teilnahm, wird in Ghana immer noch als Demütigung empfunden. Ein erfolgreiches Turnier in Südafrika würde diese Schmach endlich aus der Welt schaffen.

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