Neue Regeln in der NHL:Schmetterlinge on Ice

Toronto Maple Leafs goalie Bernier looks back in the net as he is scored on by Detroit Red Wings'Glendening during the second period of their  NHL pre-season hockey game in Detroit

Sollen mehr Tore hinnehmen: die Torhüter der NHL, hier Jonathan Bernier (Toronto)

(Foto: REUTERS)

Freiluftspiele und neue Regeln: Die nordamerikanische Profi-Hockeyliga NHL bemüht sich zur neuen Saison, das Spiel attraktiver für die Zuschauer zu gestalten. Die Mannschaften sollen wieder mehr Tore schießen - die Torhüter sind mäßig begeistert.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Jonathan Quick war nicht besonders gut gelaunt. Der Torhüter der Los Angeles Kings stand nach der Niederlage gegen die New York Rangers vor den Journalisten und musste seinen Fehler erklären. "Schreibt Ihr nun eine ganze Geschichte über dieses Tor?", fragte er genervt: "Ich habe meinen Schläger verloren und versucht, den Puck mit meinem Schoner zu stoppen, doch das hat offensichtlich nicht geklappt."

Offiziell wird der Treffer zum 3:1 als Schuss des Ranger-Verteidigers Ryan McDonagh aus knapp 50 Metern gewertet, doch natürlich war es eine groteske Aktion von Quick. Der war aus seinem Tor geeilt, um den Befreiungsschlag von McDonagh aufzunehmen. Er verlor die Balance, der Puck prallte gegen den Schoner und rutschte von dort aus ins Tor.

"Der Unterschied ist gewaltig"

So eine komödiantische Einlage hatte die National Hockey League (NHL) natürlich nicht geplant, als sie vor der laufenden Saison einige Regeln geändert hatte mit dem Ziel, die Anzahl der erzielten Treffer pro Partie zu erhöhen. Unter anderem wurden die Schoner der Torhüter verkleinert. "Der Unterschied wirkt auf den ersten Blick klein, doch er ist in Wirklichkeit gewaltig", sagt Jason LaBarbera, Torhüter der Edmonton Oilers: "Als ich es zum ersten Mal ausprobiert habe, war ich überwältigt. Ich hatte Probleme, die Balance zu behalten, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Dennoch wird diese Regel großen Einfluss haben auf die Anzahl der erzielten Treffer."

Die NHL wollte vor der laufenden Saison etwas tun gegen den drastischen Rückgang der erzielten Tore pro Spiel. In der Saison 1985/86 gab es noch 7,98 Tore pro Partie, in der vergangenen Spielzeit gerade einmal 5,31. Der Rückgang der erzielten Treffer ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich das Torwartspiel in den vergangenen Jahren immens verbessert hat.

Wackelten die Torhüter vor 20 Jahren bisweilen noch unbeholfen wie Pinguine vor dem Tor, um jeweils ein Standbein zu belasten und mit dem anderen Fuß ein Abwehrmanöver auszuführen, sehen sie mittlerweile aus wie Schmetterlinge. So wird auch die Aktion genannt, bei der sich der Torwart mit beiden Knien auf das Eis wirft.

Die NHL würde den Schnitt gerne wieder auf mehr als sechs Treffer pro Spiel erhöhen. Deshalb hat sie neben der Verkleinerung der Torwart-Schoner die Eisfläche hinter dem Tor erhöht. Die Stürmer sollen mehr Platz haben für Spielzüge, zum anderen soll der Puck nach Fehlschüssen schnell wieder ins Spiel gebracht werden. "Wenn ein Schuss auf der einen Seite daneben geht, kommt das Spielgerät schnell auf der anderen Seite zurück. Wir müssen schneller reagieren", sagt Jonathan Quick: "Und wir müssen aufmerksamer sein bei diesen schneller Pässen hinter dem Tor, die wir nicht sehen, sondern nur antizipieren können."

Das Image ist ramponiert

Das Motiv der NHL, die Anzahl der Treffer erhöhen zu wollen, liegt darin, den Sport attraktiver für die Zuschauer zu machen. Die Liga hatte vor der vergangenen Saison durch den monatelangen Streit über einen neuen Tarifvertrag, die damit verbundene Aussperrung der Spieler und daraus resultierende verkürzte Saison einen immensen Imageschaden hinnehmen müssen.

Durch eine gewaltige Marketingkampagne sowie Rabattprogramme bei Ticketverkäufen und Fernsehabonnements hatte die NHL zwar dafür gesorgt, dass der Zuschauerschnitt in den Arenen ein wenig gesteigert wurde und die Zahl der Menschen vor dem Fernseher nur gering gesunken ist - doch gerade diese Saison bietet eine Möglichkeit, das ramponierte Image wieder aufzupolieren, denn: Im Februar finden die Olympischen Spiele statt.

Freilich sehen es die Eigentümer der Vereine nicht gerne, wenn die Saison unterbrochen wird und die prägenden Spieler nach Russland reisen und sich während des Turniers womöglich verletzen. Andererseits: Die Olympischen Spiele 2010 in Vancouver waren sehr wichtig für die NHL. Die Zuschauerzahlen nach dem Turnier stiegen um bis zu 20 Prozent. Noch heute sprechen die Menschen von den Duellen zwischen den USA und Kanada, zunächst in der Vorrunde, schließlich im Finale.

Ab ins Freie

Vor den Olympischen Spielen 2014 gibt es wieder NHL-Partien, die unter freiem Himmel ausgetragen werden. Sechs sind es in dieser Spielzeit, mehr als je zuvor. Vor allem das Spiel zwischen Detroit und Toronto soll für Schlagzeilen sorgen: Es wird im Stadium der University of Michigan ausgetragen und könnte das Eishockeyspiel mit den meisten Zuschauern der Geschichte werden.

Wenn die Olympischen Spiele vorbei sind, dann wird auch im Football das Endspiel ausgetragen sein, die Baseball-Saison beginnt erst im April. Genau in diesen Wochen nach Olympia konkurriert Eishockey nur mit Basketball um die Gunst der Zuschauer, es ist die Gelegenheit für die Sportart, sich als dynamisch, attraktiv und mit vielen Tore zu präsentieren.

Die NHL-Verantwortlichen wollen also mehr Tore, mehr Zuschauer, mehr Prestige. Nach den ersten Spieltagen lässt sich jedoch noch keine drastische Veränderung feststellen, im Schnitt gibt es 5,5 Tore pro Partie. Da half auch der Fehler von Jonathan Quick nicht.

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