Neue Regeln in der Formel 1:Im Winter nichts Süßes

F1 Testing in Bahrain - Day Four

Wie ein Staubsauger: Die Vorderansicht des neuen Ferraris.

(Foto: Getty Images)

Komplizierte Motoren, hässliche Nasen, ungerechte Punktevergabe: Die Formel 1 präsentiert sich zum Start der neuen Saison mit völlig neuen Regeln. Die Fahrer sind mäßig begeistert. Und abnehmen müssen viele von ihnen auch noch.

Von René Hofmann, Melbourne

Mehr könnte sich kaum ändern: Wenn die Formel 1 am Wochenende in Melbourne in die Saison 2014 startet, werden sich viele umschauen. Die Autos sehen anders aus. Sie klingen anders. Am Ende wird anders gerechnet. Selbst der Grundsatz, dass schlicht der Schnellste gewinnt, stimmt nicht mehr immer. Es ist wirklich eine neue Zeitrechnung.

Neue Nasen

Im vergangenen Jahr reckten die Autos die Nasen hoch in den Wind, davor trugen viele Nasen Haken. Die Form, an der der Frontflügel befestigt wird, soll möglichst aerodynamisch sein, wird aber vom Reglement vorgegeben. 2014 besagt dieses: Damit die Autos bei Zusammenstößen nicht aufsteigen, damit sie sich nicht aufspießen, wenn sie im Winkel von 90 Grad aufeinandertreffen, darf die Nase höchstens 18,5 Zentimeter über dem Asphalt schweben (bisher 55 cm). Dies hat die Phantasie der Designer beflügelt: Es gibt einige sehenswerte Nasen-Konstruktionen. Die Front des Ferrari erinnert an einen Staubsauger, die des Lotus an einen Gabelstapler, die des McLaren an einen Nasenbären, die des Caterham - es lässt sich nicht anders sagen - an einen nach unten zeigenden Dildo.

Was die Experten dazu sagen? "Ich denke, die Autos sind hässlicher, da müssen wir schon ehrlich zu uns und den Fans sein": Ferrari-Fahrer Fernando Alonso.

Neue Motoren

Die Formel 1 ist laut und schrill? Von wegen! Es dröhnt zwar immer noch, aber die Zeit der grellen Achtzylinder-Motoren ist vorbei. Nun ist eine ganz andere Technik angesagt: sechs Zylinder, 1,6 Liter Hubraum, Turbo-Aufladung, Maximal-Drehzahl 15.000 pro Minute (bisher 18.000). Dazu kommen zwei Energierückgewinnungs-Systeme: ERS-K und ERS-H. Das K steht für kinetische Energie, also die Kraft, die beim Bremsen frei wird. H steht für Hitze; die Energie, die in den Abgasen steckt, darf ebenfalls abgeschöpft und über einen Generator in Strom umgewandelt werden, der dann auf Knopfdruck wieder entfesselt werden kann.

Die Zusatzleistung steigt auf 160 PS (bisher rund 80) und darf künftig pro Runde 33 Sekunden lang abgerufen werden (bisher 6,5 Sekunden). Drei Hersteller rüsten die elf Teams aus: Mercedes beliefert neben dem eigenen Team Williams, McLaren und Force India. Der Ferrari-Antrieb ist auch im Sauber und im Marussia verbaut. Red Bull, Lotus, Toro Rosso, Caterham beziehen den Antrieb von Renault.

Was die Experten dazu sagen? "Wenn etwas kaputt ist, ganz egal was und an welchem Auto, dauert es sehr lange, bis es repariert ist": Titelverteidiger und Red-Bull-Fahrer Sebastian Vettel.

"Das war der härteste Winter meines Lebens"

Neue Limits

In der Formel 1 geht es darum, möglichst viel Gas zu geben? Das stimmt so nicht mehr ganz. Denn es gilt nun ein Benzinlimit. Jeder Fahrer darf in jedem Grand Prix nur noch 100 Kilogramm Sprit verfeuern (bisher lag der Verbrauch gut 30 Prozent höher). Wer also früh im Rennen viel Gas gibt, muss gegen Ende womöglich sparen. Gleichzeitig hat sich die Gewichtsverteilung im Auto derart verändert, dass einige Fahrer den Winter auf Diät verbrachten: Die Autos sind schwerer geworden, und weil die erlaubte Obergrenze des Gesamtpakets nur relativ geringfügig angehoben wurde (690 Kilogramm, bisher 642), muss ein Formel-1-Pilot neuerdings nicht nur clever und sportlich sein, sondern auch leicht. Der ohnehin schmale Nico Rosberg etwa nahm mehr als vier Kilogramm ab, Sebastian Vettel verlor dank eisernen Verzichts auf Süßes immerhin ein Kilo.

Was die Experten dazu sagen? "Das ist inzwischen eine Raketenwissenschaft, was wir da im Cockpit machen": Mercedes-Mann Nico Rosberg. "Das war der härteste Winter meines Lebens": Rosbergs Teamkollege Lewis Hamilton.

Neue Startnummern

Bis 1974 vergab jeder Grand-Prix-Veranstalter die Startnummern, wie er wollte. Seitdem richteten sie sich nach dem Abschneiden der Teams im Vorjahr. Der Weltmeister durfte die Nummer eins mitnehmen, selbst wenn er den Rennstall wechselte. 1993 trat Alain Prost als Weltmeister zurück, die Eins wurde nicht vergeben, Prosts Nachfolger bei Williams, Damon Hill, fuhr mit der Null. Ab diesem Jahr darf jeder seine Nummer selbst wählen. Die Eins gebührt dem Weltmeister, ansonsten sind Zahlen bis 99 erlaubt. Die gleichbleibenden Nummern sollen den Fahrern helfen, sich als Marke zu etablieren.

Die Beweggründe für die Auswahl? Vielfältig. Vettels neuer Teamkollege, der Australier Daniel Ricciardo, griff wohl zur "3", weil er neben dem Weltmeister nicht als Nummer zwei gelten will. Rosberg fährt mit der "6", weil sein Vater Keke mit ihr 1982 Weltmeister wurde. Sein Teamkollege Lewis Hamilton ("44") hat ebenso wie Fernando Alonso ("14") die Nummer gewählt, mit der er zu Kart-Zeiten antrat. McLaren-Fahrer Jenson Button nahm die "22", mit der er 2009 Weltmeister wurde. Der neue Lotus-Lenker Pastor Maldonado aus Venezuela wählte die "13", die als vermeintliche Unglückszahl bisher meist ausgelassen wurde. Adrian Sutil unterstreicht sein durch und durch unbescheidenes Auftreten künftig auch durch die Nummer, die er sich auf seinen neuen Dienstwagen von Sauber lackieren ließ: die höchstmögliche - "99".

Neue Zählweise

Die Punktevergabe wurde schon öfter geändert. Früher gab es Streichergebnisse, dann bekamen nur die sechs Bestplatzierten Punkte. Damit die Mittelklasse besser wegkommt, wurde der Kreis der Punktegewinner später auf die ersten Zehn erweitert (25-18-15-12-10-8-6-4-2-1). Dieser Schlüssel gilt auch 2014 - bei 18 der 19 Rennen. Beim Finale am 23. November in Abu Dhabi werden doppelte Punkte vergeben. Das soll die Meisterschaft offen halten.

Was die Experten dazu sagen? "Das ist unsinnig und bestraft diejenigen, die eine ganze Saison lang hart gearbeitet haben": Sebastian Vettel.

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