Neue Nasen in der Formel 1:Knick in der Optik

Jenson Buttons Sieg zum Formel-1-Saisonauftakt zeigte McLaren, dass ein Wagnis aufgegangen war: 22 Autos rollten in Melbourne an den Start, 20 hatten einen Knick in der Nase - nur McLaren verzichtet auf die technische Neuerung. Nun sollen die Stufennasen der Formel-1-Autos bald wieder verschwinden. Nicht nur wegen der Ästhetik.

René Hofmann, Melbourne

Im Ziel hatte der Sieger eine Botschaft, die gleichermaßen als Kompliment und als Seitenhieb gemeint war. "Danke", funkte Jenson Button nach seinem Triumph vor Sebastian Vettel beim Formel-1-Auftakt in Australien für alle Welt hörbar an den McLaren-Kommandostand: "Wir haben ein tolles Auto. Es ist schnell. Und es ist schön!"

Formel 1 - GP Australien - Button

Die Nase des McLaren ist so ebenmäßig geschwungen, als hätte ein Schönheitschirurg sie entworfen und kein Formel-1-Ingenieur.

(Foto: dpa)

Dass Rennfahrer das Tempo loben, das mit ihrem Gefährt möglich ist, kommt häufiger vor. Dass es bei der Zeitenjagd aber auch noch so etwas wie eine B-Wertung für Anmut und Ausdruck gibt wie beim Eiskunstlaufen: Das ist neu.

Der Erfolg im Albert Park war für McLaren nicht nur ein süßer, weil er die im vergangenen Jahr mitunter erdrückende Red-Bull-Dominanz brach. Er brachte dem Team auch Erleichterung, weil er zeigte, dass ein Wagnis aufgegangen war. 22 Autos rollten in Melbourne an den Start. 20 hatten einen Knick in der Nase.

Nur McLaren verzichtet auf so einen: Die Chromnase des MP4-27, wie das Modell des Baujahres 2012 heißt, ist zum Cockpit hin so ebenmäßig geschwungen, als hätte ein Schönheitschirurg sie entworfen und kein Formel-1-Ingenieur.

"Alle sehen wie Enten aus"

Die Stufennasen sind die Konsequenz einer Regeländerung. Damit die Fahrer bei Unfällen besser geschützt sind, schreibt der Automobilweltverband Fia vor, dass die Fahrzeugnasen tiefer sein müssen als die Wände der Überlebenszellen. Für die galt bisher das Maß: 625 Millimeter. Die Fia hätte dies gerne abgesenkt auf 550 Millimeter, doch die Teams spielten nicht mit.

Der Schritt hätte bedeutet, dass viele ihre Designentwürfe fürs Modelljahr 2012 hätten wegwerfen müssen. Wie so oft in der Rennserie gab es keine Einigkeit - und herauskam ein Kompromiss: Jetzt gelten die 550 Millimeter Maximalhöhe bis zu einem Referenzpunkt, 1950 Millimeter vom hinteren Ende des Cockpits aus gemessen.

Als Charlie Whiting, der Technische Delegierte der Fia, absah, was deshalb für Ungetüme auf ihn zurollen würden, unternahm er noch einen Vorstoß, das ästhetische Unheil zumindest zu lindern - mit Nasenpflastern: Aufbauten, die den Knick vor dem Cockpit zumindest kaschiert hätten. Aber auch dafür hätte es der Einigkeit unter den Teams bedurft.

Und die blieb - natürlich - aus. "Jetzt sehen die Autos halt alle wie Enten aus", sagt Whiting. Resigniert hat er aber noch nicht. So schnell wie möglich soll der Knick verschwinden. Ziemlich sicher wird das schon 2013 klappen. Spätestens 2014, wenn eine gründlichere Reform des Regelwerkes ansteht.

Knicknasen mit auffällig vielen Ausrutschern

Noch aber ist die Technik ein Thema. Und auch ein Spekulationsobjekt. Der Kurs durch den Albert Park ist keine permanente Rennstrecke, zum Teil besteht er aus öffentlichen Straßen. Nicht immer haften die profillosen Reifen der Formel-1-Autos deshalb an allen Stellen zuverlässig. Nicht selten kreiselt deshalb einer von der Strecke.

Das Phänomen ist schon seit längerer Zeit bekannt. In diesem Jahr aber gab es auffällig viele Ausrutscher - gerade von Top-Piloten in Autos mit Knicknasen. Sebastian Vettel verlor im dritten Training am Samstag die Kontrolle über seinen Red Bull und schlitterte in den Kies; im Rennen schoss er bei der Verfolgung von Michael Schumacher einmal über den Bremspunkt hinaus.

Fernando Alonso patzte in der Qualifikation. Der Spanier wollte zunächst gar nicht glauben, dass er im zweiten Durchgang an einer Stelle mit den linken Rädern auf das künstliche Gras neben der Strecke geraten war und sich deshalb gedreht hatte. Erst der Videobeweis führte ihm sein Missgeschick vor Augen.

Neue Perspektiven tun sich auf

Sein Ferrari-Kollege Felipe Massa kreiselte in so gut wie jeder Trainingseinheit einmal auf dem oder von dem Asphalt. Im Rennen legte der Brasilianer sich bei einem Überholmanöver so vehement mit seinem Landsmann Bruno Senna im Williams an, dass nicht nur Funken flogen, sondern sich auch die Frage aufdrängte: Wissen die beiden da gerade wirklich, was sie tun?

Wie die Hakennasen aussehen - darüber wurde vor dem Start schon leidlich debattiert, unter anderem mit einem Beitrag von Red-Bull-Pilot Mark Webber, der anmerkte, ihm sei das egal: "Ich sehe sie aus dem Cockpit heraus ja nicht."

Beim Start aber hat sich noch eine neue Perspektive aufgetan: Wie viel sehen die Fahrer wegen der ungewöhnlichen Nasen überhaupt? McLaren konnte sich auch da einen kleinen Seitenhieb auf seine Boxengassen-Nachbarn nicht verkneifen: "Wir", sagt Teamchef Martin Whitmarsh, "haben beim Design schon darauf geachtet, dass unsere Fahrer auch etwas sehen."

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