NBA:Zirkus unter dem Korb

24 Erfolge zum Start der neuen Saison - die Golden State Warriors spielen nicht nur erfolgreich, sie siegen auch extrem unterhaltsam.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Draymond Green hat sich am Wochenende eine Ungeheuerlichkeit geleistet, wegen der die nordamerikanische Basketballliga NBA dringend Ermittlungen einleiten sollte. Es geht keineswegs darum, dass sein Verein Golden State Warriors erstmals in dieser Saison verloren hatten, mit 95:108 gegen die Milwaukee Bucks. Die Ungeheuerlichkeit bestand darin, dass sich Green danach nicht grämte. Im Gegenteil: Er lachte. Er feixte. Er sang sogar. "Ihr habt alle geglaubt, dass wir jetzt so richtig traurig sind", sagte er grinsend. Dann trällerte er eine Strophe der Ray-Charles-Ballade "Georgia On My Mind", die von Ruhe und Frieden handelt.

Nein, die Warriors sind nicht traurig über die erste Niederlage nach 24 Siegen, auch deshalb, weil sie sich zuvor angekündigt hatte: Auf dem Weg zu den eher unterdurchschnittlichen Bucks hatte der Meister eine 13 Tage dauernde Nordamerikareise mit Aufenthalten in Salt Lake City, Charlotte, Toronto, Brooklyn, Indianapolis und Boston absolviert.

Gegen die Celtics hatten sie zwei Verlängerungen bis zum Sieg gebraucht, Klay Thompson hatte sich dabei den Knöchel verstaucht und hätte ohne die Aussicht auf den Ausbau der Rekordserie vermutlich auf einen Auftritt in Milwaukee verzichtet. "Aufgrund der Aufmerksamkeit hat sich jedes Spiel wie eine Playoff-Partie angefühlt - jetzt beginnt für uns die Saison erst wirklich", behauptet Draymond Green.

Saisonübergreifend waren die Warriors vor der Niederlage gegen Milwaukee 28 Spiele lang unbesiegt geblieben. Das hatte zuletzt 2012/2013 Miami geschafft. Golden State ist aber nicht nur eine Erfolgsmaschine, der Klub ist auch sehr unterhaltsam, weil er eine Balance aus sportlicher Faszination und Entertainment bietet. Natürlich johlen beim Basketball die Fans, wenn jemand den Ball von jenseits der Drei-Punkte-Linie ohne Ringberührung versenkt. Oder wenn einer das Spielgerät nach hohem Zuspiel krachend in den Korb drückt. Die Warriors bieten all das und noch mehr: Ihre Laufwege und feinen Pässe lassen die Gegner oft dastehen wie die Figuren eines unterlegenen Schachspielers. Dies gelingt, weil sie einen eigenen Stil kreiert haben, der auf der Erkenntnis beruht, dass der Einzelne als Teil eines funktionierenden Geflechts besser aussieht als ein Egoist im Chaos.

Auf ausgeklügelten Wegen bewegen sich die Warriors oftmals so lange, bis einer von ihnen jenseits der Drei-Punkte-Linie frei steht und die Chance bekommt, den Ball möglichst ohne Ringberührung zu versenken. "Splash" nennt man das in den USA, aus den "Splash-Brothers" Stephen Curry und Klay Thompson sind mittlerweile die "Splash-Warriors" geworden. Sie trafen bisher im Schnitt pro Partie 13,1 Drei-Punkte-Würfe.

Trainer der Warriors ist Steve Kerr. Als Spieler wirkte er unter den Lehrmeistern Phil Jackson und Gregg Popovich. In der vergangenen Spielzeit hat er seinen Stil der Mannschaft beigebracht. Und noch wirkt die Impfung. In dieser Saison lässt sich Kerr bislang an der Seitenlinie vertreten, er erholt sich von zwei Rückenoperationen. "Ich verfolge die Spiele in der Kabine oder daheim vor dem Fernseher", sagt er.

Immer nur Drei-Punkt-Würfe - die Gegner lästern über den Stil

Die Partien der Warriors sind ein Genuss, weshalb die Ticketpreise sowohl für Heimspiele als auch für Auswärtspartien angestiegen sind. Die billigste Karte für das Weihnachts-Duell mit den Cleveland Cavaliers kostet 240 Dollar, die Clippers verlangen statt der üblichen 15 Dollar für die billigsten Sitze 80. Golden State ist eine Attraktion - was nicht jedem gefällt.

"Ich hasse den Drei-Punkt-Wurf - ich glaube noch nicht einmal, dass das tatsächlich Basketball ist", lästert Gregg Popovich, dessen San Antonio Spurs mit 21 Siegen und fünf Niederlagen derzeit die einzigen echten Verfolger der Warriors sind: "Das ist doch eher Zirkus als Sport."

Der Zirkus wird nun fünf Vorstellungen daheim in Oakland geben, darunter die Neuauflage der Vorjahres-Finalserie gegen Cleveland. "Ich bin froh, dass die Siegesserie nun vorbei ist - wir haben die letzten sieben oder acht Spiele zwar gewonnen, aber wir haben uns nicht mehr verbessert", sagt Green. Man habe noch viel mehr Potenzial, "daran können wir nun endlich arbeiten."

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