NBA:Tanz im Glück

Joel Embiid, James Harden

Nicht James, nicht Curry: James Harden von den Houston Rockets (am Ball) ist derzeit die größte Attraktion der NBA.

(Foto: Matt Slocum/AP)

James Harden, der Mann mit dem Bart, ist in neuer Rolle in Houston wieder ein Spieler, vor dem sich die ganze Liga fürchtet.

Von Christopher Meltzer

James Harden tänzelte nach hinten. Also eigentlich taumelte er, doch wenn Harden taumelt, dann sieht es aus, als würde er tänzeln. Am Freitag war ein akrobatischer Sprungwurf dafür verantwortlich gewesen. Um den Ball an den Fingerspitzen von Philadelphias Dario Saric vorbeizumanövrieren, hatte sich Harden weit zurücklehnen müssen, über die Grenzen des Gleichgewichts hinaus. Nach der Landung hüpfte er also taumelnd-tänzelnd vom linken Bein aufs rechte und wieder zurück. Gerade als Harden die Balance wiederhergestellt hatte, flutschte der Ball, den er einen Augenblick zuvor auf die Reise geschickt hatte, durch den Ring. Da war Harden dann auch die Sache mit dem Gleichgewicht egal: Er ließ sich einfach nach hinten plumpsen. Und weil er inzwischen bis an die vorderste Zuschauerreihe herangerückt war, saß Harden plötzlich auf dem Schoß eines Fans. Dort verbrachte er einen Moment, ließ einen Schulterklopfer über sich ergehen, ehe er wieder abzog. Leicht tänzelnd versteht sich.

Dieser James Harden, 27, Basketballer der Houston Rockets, er bringt gerade das Gleichgewicht der National Basketball Association (NBA) gehörig durcheinander.

Zum einen macht er das mit den Bewegungen, die er auf dem Feld vollführt. Harden zu verteidigen, fürchten selbst die fähigsten Abwehrkünstler der US-Profiliga. Wer den dribbelstarken Angreifer bewacht, läuft nicht selten ins Leere, landet hin und wieder sogar auf dem Hintern. Manchmal muss Harden dafür nur mit der Hüfte wackeln.

Zwei mal mehr als 50 Punkte in einer Saison - das schaffte vorher noch keiner

Zum anderen macht er das mit den Statistiken, die aus diesen Bewegungen hervorgehen. Im Spiel gegen die Philadelphia 76ers hat Harden in der Nacht auf Samstag 51 Punkte, 13 Rebounds sowie 13 Vorlagen abgeliefert. In gleich drei Statistikkategorien kam er also auf zweistellige Werte, ein Triple Double. An sich ist dieses kleine Zahlenkunststück nicht ungewöhnlich, doch dass einem Spieler dabei mehr als 50 Punkte glücken, das sieht man auch in der Spektakelliga NBA so gut wie nie. Zweimal in einer Saison, so haben es die Statistiker des US-Sports vermerkt, schaffte das noch keiner. James Harden hat es innerhalb von 28 Tage geschafft.

Im Silvester-Duell mit den New York Knicks hatte Harden die Marke erstmals geknackt. Die 53 Punkte, 16 Rebounds und 17 Vorlagen lesen sich sogar noch besser. Harden ist in dieser Spielzeit auf Rekordjagd - und damit wieder der Basketballer, den die Fans in Houston in der Vorsaison so vermisst hatten.

Da waren die Rockets zwar gerade noch so in die Playoffs gerutscht, dort aber nicht konkurrenzfähig gewesen. Auch Harden enttäuschte. "Mitspieler, Trainer - wir waren nicht auf derselben Seite", sagte Harden neulich zu Bleacher Report, "die Beziehungen waren nicht so wie sie sein sollten." Er selbst nahm es allerdings auch nicht ganz so genau mit der Professionalität. Im Sommer 2015 hatte Harden die Hüften auch abseits der Trainingshalle oft und gerne schwingen lassen. The Beard, wie Harden ob seiner markanten Gesichtsbehaarung gekost wird, genoss das Promileben. Als dann die NBA startete, fehlte Harden die Fitness. Der Bart hatte ausgewackelt.

Houstons Trainer Mike D'Antoni hatte mal wieder eine revolutionäre Idee

Inzwischen fürchtet die Konkurrenz den Bart wieder. "Fear the Beard", schreiben die Rockets-Anhänger auf Plakate. Noch nie war dieser launige Spruch so zutreffend wie jetzt.

Der Mann, der den Bart wieder furchteinflößend gemacht hat, heißt Mike D'Antoni. Der 65-Jährige ist eine Trainerlegende, mit den Phoenix Suns revolutionierte er Mitte der 2000er die NBA. D'Antoni brach mit der Tradition, stets zwei sehr große Spieler aufzustellen und setzte stattdessen auf kleinere, flinkere und vor allem zielsicherere Athleten. Heute haben die meisten Vereine diese Strategie übernommen.

Seit dieser Saison trainiert D'Antoni die Hoston Rockets - und treibt seine eigene Revolution nun auf die Spitze. So viele Dreier wie Houston hat zu diesem Zeitpunkt noch keine Mannschaft in der Geschichte der Liga geworfen.

Das klappt nur, weil D'Antoni die Rolle von James Harden neu definiert hat. Früher musste Harden nur für Punkte Sorgen, heute auch für die Vorlagen. D'Antoni hat ihn in einen Spiellenker verwandelt. Der Trainer war sich sicher, dass Harden in dieser Rolle aufgeht. Und tatsächlich: Kein NBA-Profi verteilt in dieser Saison so viele Assists wie Harden. Die großen Titelfavoriten sind die Houston Rockets zwar nicht, alle Experten sehen Cleveland und Golden State vorne. Doch für die Playoffs wird es in diesem Jahr bequem reichen - und dort angekommen, wollen Mike D'Antoni und James Harden das Gleichgewicht der Liga noch mal richtig ins Wackeln bringen.

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