NBA:Konzept Real Madrid

Die Finalspiele unterstreichen den Trend, dass die stärksten Basketball-Teams der Liga wie im europäischen Fußball zu einer Ansammlung von Ausnahmekönnern werden. Die Liga entwickelt sich dementsprechend einseitig.

Von Peter Herzog, Oakland/München

Zum vierten Mal nacheinander lautet die Finalserie in der besten Basketball-Liga der Welt Golden State Warriors gegen Cleveland Cavaliers. Die Titelverteidiger von der San Francisco Bay, Golden State, gelten als klarer Favorit. Und darin liegt schon die Kritik: Experten in den USA monieren, die NBA verkomme mit der Ansammlung von Topspielern in einem Team immer mehr zu einer "Soccer-Liga" in Europa, bei der wie in Italien, Deutschland oder Spanien immer die gleichen zwei, drei Teams Meister würden.

Vor zwei Jahren war es den Warriors dank der gelockerten Salary-Cap-Bestimmungen gelungen, Kevin Durant, den stärksten Spieler und Topscorer von den Oklahoma City Thunder nach Oakland zu lotsen. Dabei verfügen die Warriors mit den beiden genialen Distanzwerfern Steph Curry und Klay Thompson bereits über zwei außergewöhnliche Spieler. Nun kam also auch noch Durant dazu, auch er ein überragender Dreipunkteschütze. Und mit Draymond Green ergänzt ein äußerst aggressiver und Rebound-starker Allrounder das Traumtrio, der unter dem Korb sowohl als Center wie auch als Power Forward eingesetzt werden kann.

Golden State gewann dann auch das erste Spiel der Best-of-7-Finalserie mit 124:114 nach Verlängerung. Es war ein epischer Kampf, Basketball von enormer Athletik und auf höchstem Niveau. Die zwei Spieler, die für das größte Aufsehen sorgten, spielten beim Verlierer, den Cleveland Cavaliers. Da war der zurzeit beste Basketballer LeBron James, gegen den Golden State keine Antwort wusste. Er dirigierte sein Team, traf aus allen Lagen, Dreier, wuchtige Dunks, Korbleger oder spielte einen Teamkollegen frei und erzielte sagenhafte 51 Punkte. Erst in der Verlängerung ging ihm der Sprit aus, da kam er nur noch auf zwei Punkte durch zwei Freiwürfe.

Clevelands JR Smith vergisst den Spielstand

Und da war JR Smith. 4,7 Sekunden vor Schluss der regulären Spielzeit beim Stande von 107:107 vergab sein Teamkollege George Hill seinen zweiten Freiwurf. JR Smith schnappte sich den Rebound - und leistete sich dann einen unfassbaren Aussetzer; anstatt zu werfen, dribbelte er Richtung Mittellinie und ließ die Zeit verstreichen, während ein entgeisterter LeBron James in die andere Richtung zeigte und ihn anschrie. Später sagte Clevelands Coach Tyronn Lue an der Pressekonferenz zu dieser bizarren Szene: "Er (JR Smith) dachte, wir führen mit einem Punkt".

Steve Kerr dagegen, dem Coach der Golden State Warriors, war die Erleichterung anzusehen. "Alle haben gesagt oder geschrieben, es werde easy für uns. Aber das sind die Finals. Wir spielen gegen ein großes Team und dieses Team hat einen Spieler, der auf einem Niveau Basketball spielt, das man bisher womöglich noch nie gesehen hat."

Als Kerr von einem Journalisten gefragt wurde, welche Justierungen er in seinem Team vornehmen könne, um James ein bisschen zu bremsen, antwortete er unter dem Gelächter im Medienraum. "Wir haben viele unserer Strategien diese Nacht zurückgehalten. Wir haben noch einiges im Köcher."

Das ist eine typische Antwort von Kerr, der selber als Spieler fünfmal NBA-Champion wurde, dreimal mit den Chicago Bulls des Michael Jordan, zweimal mit den San Antonio Spurs, zuletzt 2003. Mit seinen 1,91 Metern und den schmächtigen Schultern war er immer ein Rollenspieler gewesen, dessen primäre Aufgabe es in der Offensive war, Dreier zu versenken.

Mit neuer Arena nach San Francisco zurück

Mittlerweile ist er 53 Jahre alt und klagte in den vergangenen Tagen über Nacken- und Kopfschmerzen sowie Übelkeit. Wie lange Kerr noch den nervenaufreibenden und durch die vielen Reisen ermüdenden Job als Coach ausüben wird, bleibt offen. Es wird angenommen, dass er sein Team noch in die neue Arena führen wird, die übernächste Saison bezugsbereit sein soll. Sie wird zurzeit in der Bucht von San Francisco in der Nähe der Bay Bridge gebaut. Unweit des Baseballstadions, in dem die San Francisco Giants beheimatet sind. Die Warriors kehren also von Oakland wieder auf die andere Seite der San Francisco Bay zurück, in der sie bereits von 1961 bis 1970 gespielt haben.

Die Fans aber lieben die Oracle Arena in Oakland, mit 52 Jahren die älteste Arena in der NBA. Doch Nostalgie hat auch bei den Warriors keinen Platz. Wie bei den großen Fußballklubs in Europa steht auch in der NBA die weltweite Vermarktung über allem - und das ist mittlerweile nicht mehr nur die einzige Gemeinsamkeit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: