NBA-Finale: Dirk Nowitzki:Dircules, der deutsche Superheld

Dirk Nowitzki gewinnt erstmals den NBA-Titel, wird als bester Spieler der Finalserie ausgezeichnet und in den USA als einer der besten Basketballer der Geschichte gefeiert. Und in Deutschland? Sogar hier dürfte Nowitzki seinen einzigen Makel endlich los sein - in einem Land, das sich mit der Heroisierung von herausragenden Sportlern sonst so schwer tut.

Jürgen Schmieder

Vor 17 Jahren gab es ein Gespräch zwischen Dirk Nowitzki und seinem Mentor Holger Geschwindner. Ein Jahr lang hatten die beiden zuvor gemeinsam trainiert, drei Mal pro Woche. "Du musst dich jetzt entscheiden", sagte Geschwindner zu Nowitzki: "Entweder du willst ein Held in Deutschland werden. Dann können wir das Training abbrechen, weil das ohnehin keiner verhindern kann. Oder du willst gegen die besten Spieler der Welt antreten - dann trainieren wir von nun an täglich."

Zwei Tage lang dachte Nowitzki nach, dann begann er mit dem Training.

13 Jahre lang hat sich der 32-Jährige nun in der NBA mit den besten Spielern der Welt gemessen. Am Sonntag gewann er zum ersten Mal in seiner Karriere die Meisterschaft. In der Finalserie gegen die Miami Heat war Nowitzki der prägende Akteur, er erzielte in den sechs Spielen durchschnittlich 27 Punkte. Zwei Partien entschied er nervenstark durch Korberfolge wenige Sekunden vor dem Ende, er wurde zum wertvollsten Spieler der Serie erklärt.

Nowitzki misst sich nicht nur mit den besten Basketballspielern der Welt, er ist selbst einer der Besten, die diese Sportart jemals betrieben haben. "Dircules" nennen sie ihn in den Vereinigten Staaten oder auch "German Wunderkind". Weil er in der Finalserie verletzt und krank agierte, kam noch der Beiname "No-quit-ski" hinzu. Er wird nach seiner Karriere sicherlich in die Hall of Fame aufgenommen werden, nicht wenige Experten zählen ihn zu den 50 besten Akteuren aller Zeiten.

Nowitzki hat sich in den vergangenen Jahren entwickelt vom schüchternen Neuling zum Anführer seiner Mannschaft, zum Gesicht seines Vereins - doch bleibt er dabei stets höflich, bescheiden und respektvoll. Mitspieler Tyson Chandler etwa sagte, dass er erst durch Nowitzki gelernt habe, wie viel Arbeit nötig sei, um wirklich herausragend zu spielen.

Eine derartige Heroisierung findet in Deutschland nur zögerlich statt, man tut sich hierzulande ein wenig schwer mit erfolgreichen Sportlern. Gesucht wird nicht nur nach Ecken und Kanten, sondern nicht selten auch nach Fehlern und Schwächen. Bei Michael Schumacher etwa wird häufig dessen rabiater Umgang mit Gegnern erwähnt, Lothar Matthäus ob seiner Englischkenntnisse verhohnepiepelt, bei Boris Becker auf dessen geschäftliches Ungeschick nach der Karriere verwiesen.

Und Nowitzki? Na ja, schon ein Guter, aber zum Titel reicht es eben nicht, so das langjährige Urteil. In den entscheidenden Momenten versagt er. Nicht wenige haben so über Nowitzki gedacht und genüsslich einen weiteren Spitznamen genannt: "No-win-ski". Nun wird dieses Gerede sein Ende finden.

Denn Nowitzki hat er diese Meisterschaft gewonnen, und seine Leistung ist umso höher einzuschätzen, weil er sie mit den Dallas Mavericks geholt hat - jenem Verein, für den er seit Beginn seiner NBA-Karriere spielt. Nowitzki hätte wechseln können zu einem anderen Klub, wie es Spieler in der Dämmerung (Clyde Drexler zu den Houston Rockets) oder auch schon im Morgenrot (LeBron James zu den Miami Heat) ihrer Karriere getan haben, um einen leichteren Weg zum Titel zu haben.

Fast zu perfekt

Nowitzki dagegen verzichtete vor der Saison auf viel Geld, damit die Mannschaft verstärkt werden konnte. "Es hätte sich falsch angefühlt, den Titel mit einem anderen Verein zu gewinnen", sagte Nowitzki nach der Finalserie.

Nowitzki nun seinen Heldenstatus wieder abzusprechen, wird schwer sein. Fehler und Schwächen finden sich kaum, Nowitzki ist fast zu perfekt, um wahr zu sein. Geschwindner hat ihn beim täglichen Training nicht nur zu einem herausragenden Basketballspieler erzogen, sondern stets dafür gesorgt, dass sich Nowitzki auch als Persönlichkeit weiterentwickelt. Er hat ihn aufgefordert, Bücher zu lesen, ein Instrument zu lernen und ungewöhnliche Einheiten zu absolvieren. Noch heute stehen die beiden am Abend vor einem wichtigen Spiel gemeinsam in der Halle, um zu trainieren oder sich einfach nur zu unterhalten.

Nowitzki hat sich über die Jahre in einer der härtesten Ligen der Welt eine Authentizität, Unbekümmertheit und kindliche Naivität bewahrt, die vor allem dann erlebbar wird, wenn er sich nach Spielen mit deutschen Journalisten unterhält. Er spricht dann nicht abgeklärt wie auf den Pressekonferenzen mit amerikanischen Kollegen, sondern benutzt Wörter, wie sie 18-Jährige nach einer Partie auf einem Bolzplatz verwenden.

Dazu passt, dass er bei einem Interview vor wenigen Monaten als bedeutendsten Moment seiner Karriere nicht große Spiele in der NBA ausmachte oder seine Auszeichnung zum wertvollsten Spieler der Liga nach der Saison 2007, sondern die Olympischen Spielen 2008, für die er sich mit der Nationalmannschaft qualifiziert hatte und bei denen er die deutsche Fahne tragen durfte. Ohnehin läuft Nowitzki für die deutsche Nationalmannschaft auf, wann immer es ihm möglich ist - obwohl er sich nach den anstrengenden Spielzeiten in der NBA auch ausruhen könnte. Er tut es trotzdem - auch um der Jugend ein Vorbild zu sein.

Sogar der einzige Mini-Skandal seiner Karriere war eigentlich keiner - denn Nowitzki war Opfer, nicht Täter. Vor drei Jahren hatte er sich mit Christal Taylor verlobt, einer Betrügerin und Heiratsschwindlerin, die mittlerweile im Gefängnis sitzt. Zu naiv sei er gewesen, sagte er später. Deshalb wolle er sich auf Basketball konzentrieren und unbedingt den Titel gewinnen, in ein paar Jahren hätte er dann nichts gegen "kleine Dirks, die herumwuseln".

Diesen Titel hat Nowitzki nun mit den Dallas Mavericks gewonnen. Vielleicht sollte man aufhören, bei erfolgreichen Sportlern stets nach Fehlern und Schwächen zu suchen. Vielmehr sollte man Nowitzki einfach als das betrachten, was er ist: einer der besten Basketballspieler aller Zeiten und eine herausragende Persönlichkeit.

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