Sexismus im Basketball:Der Vielredner der Dallas Mavericks schweigt

Mark Cuban

Mavericks-Besitzer Mark Cuban äußert seine Meinung sonst sehr lautstark. Angesichts der Vorwürfe gegen seinen Klub wird er still.

(Foto: AP)
  • Die Zeitschrift Sports Illustrated (SI) veröffentlicht einen Artikel, demzufolge es bei den Mavericks derb, sexistisch und frauenverachtend zugehen soll.
  • Besitzer Mark Cuban - der sonst sehr redselig ist und sich damit rühmt, tief in die Belange des Klubs involviert zu sein - will von den Vorwürfen nicht gewusst haben.
  • Dirk Nowitzki zeigt sich schockiert über den Skandal und fordert eine detaillierte Aufklärung.

Von Jürgen Schmieder

Es gibt eine Szene im Buch "The Soul of Basketball", da fragt der Autor Ian Thomsen den Besitzer des Basketball-Teams Dallas Mavericks, was ihn so besonders mache im Vergleich mit den Eigentümern anderer Klubs. "Der große Unterschied liegt darin, dass ich so nahe dran bin an allem, was so passiert", antwortet Mark Cuban: "Man kann mich nicht verscheißern." Das Buch soll im April erscheinen, die vorab veröffentlichte Passage ist heikel für Cuban, der sich häufig dafür gerühmt hatte, tief in die Belange seiner Firma involviert zu sein. Nun aber will er nichts von alldem gewusst haben, was bei den Mavericks seit 20 Jahren passiert sein soll.

Die Zeitschrift Sports Illustrated (SI) hat einen Artikel veröffentlicht, demzufolge es bei den Mavericks, denen der Würzburger Dirk Nowitzki seit Beginn seiner Profikarriere 1999 die Treue hält, zugehen soll wie in der Studentenklamotte "Animal House": derb, sexistisch, frauenverachtend. Terdema Ussery, von 1997 bis 2015 Geschäftsführer der Mavericks, soll Frauen sexuell belästigt haben. Earl K. Sneed, Autor bei der klubeigenen Webseite Mavs.com, ist im Meisterschaftsjahr 2011 wegen Körperverletzung seiner damaligen Freundin auf dem Klubgelände verhaftet worden, er soll später zudem eine Mavericks-Mitarbeiterin angegriffen haben, mit der er liiert war. Buddy Pittman, Chef der Personalabteilung, soll sämtliche Vorwürfe der Angestellten abgewiegelt und dadurch das unangenehme Arbeitsklima gefördert haben.

Teambesitzer Cuban hat gerade erst 600 000 Dollar Strafe gezahlt

"Das macht mich völlig krank, es ist abscheulich", sagt Cuban, der Pittman und Sneed gefeuert und eine unabhängige Untersuchung angeordnet hat: "Ich habe von alldem nichts gewusst." Das erinnert an den Dopingskandal um die russische Tennisspielerin Maria Scharapowa, die sich jahrelang als Perfektionistin inszeniert hatte und dann die Einnahme eines kurz davor für verboten erklärten Mittels (Meldonium) mit einem Versehen zu erklären versuchte. Eine Mavericks-Mitarbeiterin wird jetzt jedenfalls in einem Artikel so zitiert: "Natürlich hat Mark darüber Bescheid gewusst. Jeder hat es gewusst."

Cuban, 59, fiel immer wieder dadurch auf, jene Dinge öffentlich zu sagen, die andere nur denken. Kürzlich gab er während eines Radiointerviews zu, aufgrund mangelnder Titelchancen seit eineinhalb Jahren bewusst einen Kader zu beschäftigen, der möglichst viele Spiele verliert - weil in Nordamerikas Profiliga NBA eine schlechte Bilanz dem Reglement zufolge die Chance erhöht, für die nächste Saison die größten Talente verpflichten zu dürfen. Es wäre, so Cuban, am besten, würden die Mavericks in dieser Saison keine Partie mehr gewinnen. Er wurde dafür von Nowitzki gerügt ("ich würde nie absichtlich verlieren") und von der NBA mit einer Strafe in Höhe von 600 000 Dollar belegt.

Cuban drängt es in die Öffentlichkeit, jüngst veröffentlichte er ein Buch mit dem Untertitel: "Wenn ich es schaffen kann, kannst du es auch schaffen." Er geriert sich als Normalo, der es mit harter Arbeit zum Milliardär gebracht hat. Den US-Präsidenten Donald Trump bezeichnete er einst als Freund, schränkte jedoch ein: "Er ist der Freund, über den man andauernd den Kopf schüttelt, weil er betrunken ist und hinfällt oder dumme Scheiße labert." Cuban kokettiert seit Jahren mit einer Kandidatur, es heißt immer wieder, dass er Trump im Jahr 2020 herausfordern wolle.

Nun allerdings muss er diesen Skandal verarbeiten, über den Nowitzki sagt: "Ich bin froh, dass nun alles rauskommt. Ich bin fassungslos und enttäuscht, dass so was bei uns passiert ist - einige Dinge haben mich regelrecht schockiert. Wir schulden es den Opfern, dass die Sache bis ins kleinste Detail aufgeklärt wird." Dazu gehört die Frage, ob Cuban tatsächlich nichts wusste. Oder ob er doch nur weggesehen hat, weil der beschuldigte Ussery ein cleverer Geschäftsmann war, der 240 Millionen Dollar an öffentlichen Geldern für das neue Stadion einsammelte oder das All-Star-Spiel nach Dallas holte.

Cuban räumt Versäumnis ein

"Ich bin enttäuscht über die falschen und hetzerischen Anschuldigungen", schreibt Ussery, der die Mavericks 2015 verlassen hat, in einer Erklärung. Er sieht sich als Sündenbock für das angespannte und sexistische Arbeitsklima im Klub: "Ich habe im Gegenteil meinen Arbeitgeber auf Missstände in Bezug auf sexuelle Nötigung aufmerksam gemacht. Das Unternehmen jedoch hat darauf nicht reagiert."

Das ist ein Angriff auf Cuban, der mittlerweile eigenes Versagen eingeräumt und damit auch zugegeben hat, zumindest von einigen Vorfällen doch gewusst zu haben. "Ich habe im Nachhinein betrachtet einen schrecklichen Fehler gemacht", sagte er dem Sportkanal ESPN: "Ich habe die Details von Sneeds Angriffen nicht gekannt. Ich will aber nicht die Verantwortung auf andere abwälzen. Es war meine Entscheidung, ihn nicht zu entlassen. Ich habe völlig unterschätzt, welche Botschaft meine Entscheidung an die Opfer und andere Mitarbeiter gesendet hat."

Sneed hat sich in einem Statement verteidigt ("die Fälle sind nicht akkurat beschrieben"), entschuldigt ("ich bin nicht stolz darauf") und bei Cuban bedankt. Ussery wehrt sich und klagt im Gegenzug die Mavericks an. Was fehlt, ist eine Aussage von Personalchef Pittman, der eine zentrale Rolle gespielt zu haben scheint; aber er will sich nicht öffentlich äußern. Was ebenfalls fehlt: eine Aussage von Mark Cuban zu Ussery. Die soll es erst geben, wenn die Untersuchung der Anwaltskanzlei Krutoy Law abgeschlossen ist. Wenn Cuban, der Vielredner, mal schweigt, dann scheint es sehr ernst zu sein.

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