NBA:Das verflixte dritte Viertel

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Jeder weiß, was die Golden State Warriors tun, aber keiner findet ein Gegenmittel. Und so sichern sich die Kalifornier gegen Cleveland ihren zweiten Meistertitel in Serie - den dritten seit 2015.

Von Philipp von Nathusius, Cleveland/München

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(Foto: Gregory Shamus/AFP)

Die Warriors zelebrieren den insgesamt sechsten NBA-Titel der Klubgeschichte. Kevin Durant (ganz links) und Steph Curry kümmern sich um die MVP- und die Meisterschafts-Trophäe.

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(Foto: AFP)

Drei Titel haben Andre Igoudala, Klay Thompson, Steph Curry und Draymond Green (von links) gemeinsam gewonnen. Bei den letzten beiden war auch Kevin Durant (rechts) maßgeblich beteiligt..

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(Foto: dpa)

Steph Curry trug mit 37 Punkten dazu bei, dass die Warriors Spiel vier der Finals und den NBA-Titel nach Oakland geholt haben.

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(Foto: AP)

"Spielt es eine Rolle? Wir haben zwei Championships gewonnen", so Kevin Durant bei der Pressekonferenz zur Frage, ob nicht auch Steph Curry die Finals-MVP-Würden verdient hätte.

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(Foto: USA TODAY Sports)

Die Finals-MVP-Trophäe ist nach dem elfmaligen NBA-Meister Bill Russel benannt. Die Legende selbst überreichte Kevin Durant die Auszeichnung im Anschluss an das letzte Finalspiel.

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(Foto: AFP)

Nach 43 Durant-Punkten in Spiel drei bezeichnete LeBron James diesen (rechts beim Wurf) als "Assassin", als Attentäter auf dem Basketballcourt.

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(Foto: AP)

Die Golden-State-Fans hatten beim Public Viewing in Oakland hier und da eine größere Portion Häme für LeBron James übrig.

Die Trophäe für den besten Spieler der NBA-Finals sieht ein bisschen aus wie die Schrumpfvariante der Meisterschaftstrophäe. Und in der Regel werden beide ja auch im Doppelpack vergeben. Vielleicht haben deswegen die Schmiede den unteren Teil des MVP-Pokals für den besten Spieler der Finalserie in Silber farblich abgesetzt. Die große Variante, der Larry-O'Brien-Pokal, ist von der Spitze bis zum Sockel mit 24 Karat Gold überzogen. So kann es bei den diversen Zeremonien, Pressekonferenzen oder bei der obligatorischen Schaumwein-und-Zigarren-Orgie in der Umkleidekabine nicht zu Verwechslungen kommen. Das ist praktisch, immerhin können die Golden State Warriors inzwischen eine beachtliche Trophäen-Sammlung aufweisen. In der Nacht zu Samstag kam eine weitere hinzu. In der diesjährigen Finalserie gegen die Cavaliers schlugen sie Cleveland klar mit 4:0 Siegen. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren noch weitere Titel folgen werden.

Ebenfalls gut möglich ist, dass sie bei einem neuerlichen Finaleinzug in der kommenden Saison erstmals seit vier Jahren nicht auf LeBron James im Trikot der Cleveland Cavaliers treffen werden.

Eine wenig aufregende Finalserie nach einer eher unruhigen Saison

Zum zweiten Mal in Folge und zum dritten Mal in vier Jahren haben sich die Warriors den Titel in der besten Basketball-Liga der Welt gesichert. Und zum zweiten Mal hintereinander wurde Kevin Durant - dem im vierten Spiel ein Triple-Double gelang (20 Punkte, 12 Rebounds, 10 Assists) und der im Schnitt knapp 30 Punkte erzielte - zum wichtigsten Spieler der Finals gekürt. "Wir haben nicht damit gerechnet, aber mit einem Sweep zu gewinnen, fühlt sich ziemlich gut an", sagte Durant nach dem überdeutlichen 108:85-Sieg im letzten Spiel der Saison.

Lange Zeit hatte es nicht so ausgesehen, als würde die Titelverteidigung der Warriors ein Selbstläufer werden. Das Team war vom Verletzungspech verfolgt. Kevin Durant: Rippenbruch. Stephen Curry: fünf Sprunggelenksverletzungen allein in der regulären Saison. Flügelspieler Klay Thompson: Bruch im Daumen der rechten Wurfhand. Der MVP der Finalserie von 2015, Andre Iguodala: Knieverletzung während der Playoffs. Hinzu kam, dass die Warriors zwischenzeitlich von einer auf dem Spielfeld deutlich wahrnehmbaren Lustlosigkeit befallen wurden. Für das Team aus Oakland, das eine Art "Basketball total" zelebriert, absolut unüblich. Entsprechend hegten die Experten Zweifel daran, ob die Warriors im Stande sein würden, sich gegen die starken Gegner im Westen, allen voran Houston, durchzusetzen.

Architekt des Erfolgs und Halbeitflüsterer: Warriors-Coach Kerr will vorgeblich nicht wissen, warum sein Team in dritten Vierteln so überlegen auftritt. (Foto: Jason Miller/AFP)

Die Markenzeichen: Dreipunktewürfe und der Schwung nach der Pause

Doch pünktlich zu den Playoffs besannen sich die Warriors. Der zirkulierte wieder flüssig, die Treffsicherheit von jenseits der Dreipunktlinie war zurück, die Defensive griffig. Und dann wären da noch das dritten Viertel. Fast immer entscheidet Golden State in der Zwischenabrechnung das Viertel nach der Halbzeitpause für sich, oft deutlich. So verwandelten sie auch am Freitag ein knappes Ergebnisse in einen uneinholbaren Vorsprng. Das hat Methode, ist absehbar, und darum umso frustrierender für den Gegner. Bisher hat noch niemand ein Mittel gegen das verflixte dritte Warriors-Viertel gefunden. Auch nicht die Cavs in den vier Finalspielen. Welchen Zaubertrank die Warriors in der Pause zu sich nehmen, welche Zen-Tricks sich Trainer Steve Kerr seinerzeit bei Lehrmeister Phil Jackson abgeschaut hat, das gilt es noch zu enträtseln.

Aber natürlich ruht der Erfolg der Warriors auch auf den beiden überragenden Einzeltalenten von Kevin Durant und Steph Curry. Letzterer hatte aufgrund seiner dauerlädierten Knöchel die erste Playoff-Runde gegen San Antonio (4:1 Siege) aussetzen müssen. Auch das erste Spiel der zweiten Runde gegen New Orleans (4:1) hatte er verpasst. Doch in der Serie gegen Houston (4:3) war Curry wieder Curry. Den diesjährigen Finals hat er im zweiten und vierten Spiel seinen Stempel aufgedrückt. In Spiel zwei markierte er 33 Punkte und stellte einen neuen Finals-Rekord mit neun verwandelten Dreiern auf.

LeBron James spielte drei Partien mit gebrochener Hand

Hätte sich die NBA dazu entschieden, zum ersten Mal seit Einführung der Auszeichnung für den besten Spieler der Finalserie in der Saison 1968/69 zwei Spieler gleichzeitig auszuzeichnen, Curry wäre ein würdiger Co-MVP gewesen. 37 Punkte steuerte er zum Sieg in Spiel vier bei. Dass sich Teamkollege Durant trotz dieser Leistungen die Trophäe in die Vitrine stellen darf (so wie 2017), will Curry nicht stören. "Es kommt mir nicht darauf an, ob ich MVP werde, ich lege keinen Wert auf individuelle Auszeichnungen", sagte der Guard. "Wir wollen unsere Erfolgsserie so lange am Laufen halten wie irgend möglich."

Cleveland hatte den Warriors im letzten Spiel wenig entgegenzusetzen. Und noch nie konnte eine Mannschaft nach 0:3-Rückstand eine Playoff-Serie drehen. Den Cavaliers fehlte in Spiel vier der Glaube an sich selbst - und an die Besiegbarkeit des Gegners. Statt sich gegen die Niederlage zu stemmen, würdigte James - individuell derzeit wohl der beste Basketballspieler der Welt - früh im letzten Viertel Durants Leistung mit einem Abklatschen und nahm anschließend auf der Bank Platz.

LeBron James auf der Pressekonferenz nach Spiel vier mit Schiene am Handgelenk. (Foto: Jason Miller/AFP)

Welchen Schaden jene bittere Niederlage im ersten Spiel der Finals bei den Cavs angerichtet hatte, das nach einem Blackout von J.R. Smith erst nach Verlängerung verloren ging, offenbarte sich auf der letzten Pressekonferenz. James trat mit Handgelenkschiene vor die Mikrofone. Nach eigener Aussage hatte er sich bereits nach Spiel eins eine Fraktur in der Hand zugezogen, dies aber vor der Öffentlichkeit und den Warriors geheim gehalten. "Ich habe die letzten drei Spiele quasi mit einer gebrochenen Hand gespielt", so James. Im Ärger habe er gegen eine Taktiktafel geschlagen und sich dabei verletzt.

Über seine Zukunft in Cleveland wollte sich James, der im Sommer als Free-Agent zu einem anderen Klub wechseln könnte, nicht äußern. "Ich habe aktuell keine Ahnung", so der Forward dazu, wie es für ihn und die Warriors-Cavaliers-Rivalität weitergehen könnte. Aber Cleveland muss befürchten, im Sommer seinen Star zu verlieren.

© SZ vom 10.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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