Nations League:Deutschland ab sofort in Abstiegsgefahr

Confed-Cup-Sieger

Timo Werner (mit Trophäe) Anfang Juli nach dem Sieg im Confed-Cup-Finale.

(Foto: Marius Becker/dpa)

Wer braucht den Quatsch? In Deutschland ist man geneigt, die Nations League als Belästigung abzutun. Doch der neue Modus hat seine Reize.

Kommentar von Philipp Selldorf

Mit der European Nations League verhält es sich ein wenig wie mit dem Bitcoin. Man hat, sofern man am Fußballgeschehen Anteil nimmt, einiges davon gehört, aber nicht viel davon begriffen. Diese Liga bietet einen verschachtelten Wettbewerb, der sich auf mehreren Etagen mit einer unterschiedlichen Zahl von Bewohnern abspielt, und in mehreren, weit auseinanderliegenden Zeiträumen der Jahre 2018 und 2019 stattfindet. Er bringt sowohl Playoffs als auch eine Endrunde hervor, die aber nichts miteinander zu tun haben. Er existiert unabhängig von der Europa- und Weltmeisterschaft, stellt aber eine Basis für die Qualifikation her.

Das klingt nicht nur kompliziert, das ist es auch. Wie könnte es anders sein auf dem Vielvölker-Kontinent? Das ausgeklügelte Format der Nations League mit 55 Teilnehmern vom winzigen Andorra bis zum riesigen Russland variiert das berühmte Bonmot von Charles de Gaulle: "Wie soll man ein Land regieren, in dem es 325 Käsesorten gibt?"

Das Turnier hat auch seine Reize

Womöglich wird mancher aber lieber Rudi Völler zitieren und also "Käse, Mist, Scheißdreck" ausrufen, weil sich im ersten Moment reflexartig folgender Gedanke eingestellt hat: Wer braucht den Quatsch? Wer braucht einen Nebenbuhler für WM, EM, Bundesliga, Champions League? Speziell in Deutschland, wo an Fußballspielen kein Mangel herrscht, ist man erst mal geneigt, in einem weiteren Wettstreit der Nationen eher eine Belästigung als eine Chance zu sehen. Die Nations League scheint bestens zu den anderen Zumutungen und Verirrungen zu passen: zur WM 2022 in Katar und zur Rumtreiber- und Vielflieger-EM 2020, die in mindestens 13 Ländern stattfindet.

Nach dem Studium der Gebrauchsanweisung stellt man aber fest, dass die Sache auch ihre Reize hat. Zwar steht der Wettbewerb unter Plastik-Verdacht, weil er neu und arg kunstvoll ausgedacht ist, aber erstens wird er eines Tages auch mal alt sein, und zweitens befreit er das Fußballvolk von der Geißel der sog. Testspiele. Schon Franz Beckenbauer hat zu seinen Zeiten als Teamchef gewusst, was man damit machen sollte: wenn nicht abschaffen, so doch wenigstens nicht mehr im Fernsehen zeigen. Wegen Langeweile. Die Uefa hat nun mit der Nations League die Testspiele weitgehend abgeschafft bzw. sie in Pflichtspiele verwandelt.

Eine weitere Attraktion ist diese: Deutschland befindet sich ab sofort in Abstiegsgefahr! Als Letztplatzierter seiner Dreiergruppe in der Luxus-Kategorie A müsste der Weltmeister von 2014 beim nächsten Mal in der zweiten Liga antreten. Das wäre eine krasse Demütigung. Und nach der Auslosung vom Mittwoch, die dem DFB Frankreich und die Niederlande beschert hat, ist nun auch bekannt, dass es in diesen Pflichtspielen um eine sehr spezielle Fußballehre geht: Im Abstiegskampf den Holländern zu unterliegen, das wäre unverzeihlich.

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