Nationalspieler Per Mertesacker:Rooney sei Dank

Per Mertesacker wusste lange nicht, wo er künftig spielen würde. Jetzt begrüßt er den Last-Minute-Wechsel zu seinem Lieblingsverein FC Arsenal mit fast kindlicher Freude. Der Umzug nach England soll ihm auch in der Nationalelf helfen.

Boris Herrmann

Wayne Rooney ist schuld. Am vergangenen Sonntag hat der Stürmerbulle von Manchester United drei Tore geschossen. Das ist an sich noch keine Nachricht, die den internationalen Transfermarkt in Unruhe versetzen würde. In jenem Spiel aber hat Rooney mit seinen Treffern so etwas wie eine Welle ausgelöst. Am Ende stand es 8:2 für Manchester. Und wenig später klingelte das Telefon von Per Mertesacker.

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Wechselt zu seinem Lieblingsverein Arsenal London: Per Mertesacker.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Arsène Wenger war dran, der Trainer des FC Arsenal aus London. Sein Team hatte sich die acht Gegentore eingefangen, weshalb sich Wenger spontan genötigt sah, einer beliebten Parole aus der Fankurve seines Klubs nachzukommen: "Gib' das verdammte Geld aus!"

Davon war nach dem Verkauf der beiden Aushängeschilder Cesc Fàbregas und Samir Nasri wahrlich genug da, und nach anfänglichem Zögern hat Wenger dann auch ganze Arbeit geleistet. Er hat sich in den letzten Stunden des Sommerschlussverkaufs auf eine Weise ausgetobt, die selbst Felix Magath in den Schatten stellt.

Der weltweit anerkannte Förderer der Jugend setzte in seiner Not auf Panikkäufe im gehobenen Alterssegment. Wenger hat noch eben den Spanier Mikel Arteta, 29, vom FC Everton verpflichtet, dazu den Brasilianer André Santos, 28, von Fenerbahce Istanbul, den Israeli Yossi Benayoun, 31, vom FC Chelsea sowie den Südkoreaner Chu-Young Park, 26, vom AS Monaco.

Und schließlich waren auch noch zehn Millionen Euro übrig, um Mertesacker, 26, aus seinem Vertrag bei Werder Bremen heraus zu lösen. Der neue deutsche Innenverteidiger des FC Arsenal mutmaßt zwar: "Ich denke nicht, dass Rooney der Auslöser für diesen Transfer war." Aber so ganz sicher ist er sich da eben auch nicht.

Am Tag vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich hat der Nationalspieler Mertesacker eindrucksvoll dargelegt, wie man sich so fühlt als Anlageobjekt im hektischen Millionenpuzzle. Bis 17 Uhr am Mittwochnachmittag, also bis eine Stunde vor der Deadline, habe er noch keine definitive Klarheit gehabt, in welchen Farben, in welcher Stadt, in welchem Land er ab der kommenden Woche auflaufen würde.

Mertesacker hat die quälende Wartezeit beschrieben, bis wirklich alle Formulare und Unterlagen die Besitzer gewechselt hatten. Zwei Tage hat das gedauert. Und er erzählte auch: "Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass nichts mehr passiert."

Dass dann doch noch etwas passiert ist, dafür kann sich Mertesacker am Ende aber bei Rooney genau so bedanken wie beim Transferfenster, zumal jetzt "schon ein Kinderwunsch" von ihm in Erfüllung geht. Mertesacker hat in diesem Zusammenhang eine rührende Geschichte erzählt.

Auch wenn man es ihm kaum noch ansieht, aber auch dieser 1,97 Meter Abwehrhüne war dieser Erzählung zufolge einmal ein kleiner Junge. Gemeinsam mit seiner Familie besuchte dieser Junge vor vielen Jahren seine Tante, die in England lebt. Dabei habe es zum Pflichtprogramm gehört, Fußballtrikots zu kaufen. "Mein Bruder hat ein ManU-Trikot angezogen", erinnert sich Mertesacker. Er selbst kam mit einem Leibchen des FC Arsenal nach Hause. Und am liebsten hätte er es bis heute nie wieder ausgezogen.

Keine Sorgen um den deutschen Fußball

Künftig darf er dieses Kleidungsstück als Spieler tragen. Etwas sperrig, aber gleichwohl sehr sentimental ausgedrückt: "Ich nehme damit ein Thema auf, das schon länger in mir drin ist." Ohne Zweifel, da redete nicht nur ein Nationalspieler von seinem nächsten Karriereschritt. Da redete ein Fan.

Am Tag nach einer fast surrealen Menschenbörse war das ein schönes Signal: Es gibt tatsächlich noch Fußballer, die sich in diesem Geschäft von so altmodischen Dingen wie Gefühlen leiten lassen.

Am kommenden Mittwoch wird Mertesacker, der zuletzt Kapitän des SV Werder war, noch einmal nach Bremen fahren, er will sich von seinen alten Kollegen und Vorgesetzten verabschieden, er hat noch keine Rede vorbereitet, aber er weiß schon jetzt: "Ohne Emotionalität wird es auch da nicht ablaufen."

Mertesacker hat Werder ja nicht nur seinen Aufstieg zum gestandenen Profi zu verdanken, sondern auch seine Last-Minute-Freigabe nach England. Am Donnerstag zieht er mit Frau und Kind nach London - in das Fußballland seiner Träume.

Dass an diesem Freitagabend erst einmal ein wichtiges Länderspiel gegen Österreich ansteht, ist Mertesacker dann irgendwann auch eingefallen: "Ich möchte mich nicht dazu verleiten lassen, zu viele Gedanken auf nächste Woche zu verschwenden." Wobei Gegenwart (Nationalelf) und Zukunft (Arsenal) zusammen hängen.

Für Mertesacker geht es in London auch darum, einen Stammplatz im DFB-Team dauerhaft zu behaupten. Zwar hat Bundestrainer Joachim Löw den Transfer gelobt, gleichzeitig hat er aber zum wiederholten Mal darauf hingewiesen, dass sich in seiner ersten Elf niemand seines Platzes sicher sein kann, auch nicht ein Innenverteidiger mit dem Siegel der Premier-League. Dafür gibt es in Deutschland zu viele Badstubers, Hummels, Höwedes und Boatengs.

Mertesacker leitet daraus erst einmal ganz selbstlos ab: "Man muss sich keine Sorgen um die Zukunft des deutschen Fußballs machen." Ob man sich aber Sorgen um die Zukunft von Per Mertesacker machen muss, um diese Frage werden sich demnächst Leute vom Schlage Wayne Rooneys kümmern.

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