Nationalmannschaft trifft auf Frankreich:Heimspiel für Tim Wiese

Der Bremer Torhüter darf im heimischen Stadion beim Test der Nationalmannschaft gegen Frankreich ins Tor. Keines seiner fünf bisherigen Länderspiele konnte Tim Wiese gewinnen, an Stammkraft Manuel Neuer kommt er nicht vorbei. Dennoch ist seine soziale Rolle im Team inzwischen wichtig, der auf eigensinnige Art geradlinige Torwart genießt ein gutes Ansehen.

Philipp Selldorf

Tim Wiese hat sie noch mitbekommen, die alten Tage, in denen es bei der Nationalelf keinen Mesut Özil und Sami Khedira, keinen Mario Götze und Marco Reus, und weder einen Lars noch einen Sven Bender gab. Als Tim Wiese 2008 erstmals zum DFB-Team eingeladen wurde, traten gerade Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes den Versuch an, Michael Ballack und Torsten Frings von ihren Stammplätzen im Mittelfeld zu verdrängen.

Der Torwart kam also in Zeiten dazu, die aus heutiger Sicht im Altpaläolithikum anzusiedeln sind, und seitdem ist er zwar häufig zu Länderspielen gereist und hat sich dafür von der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten das Silberne Lorbeerblatt überreichen lassen, aber richtig Karriere hat er nicht gemacht in der Nationalelf.

Auch vor dem Länderspiel gegen Frankreich wollte sich der Bundestrainer zunächst nicht festlegen auf Wieses Verwendung, obwohl die Partie doch in Bremen stattfindet und somit ein ungeschriebenes Gesetz in Kraft treten sollte. Dieses Gesetz verspricht Lokalmatadoren Bonuspunkte, die mindestens ein paar Minuten Spielzeit garantieren. Joachim Löw aber fielen am Montag eine Menge freundlicher Worte zu Wiese ein ("sehr, sehr verlässlich"), die erwartete Bestätigung für den Einsatz des 30-Jährigen aber verweigerte er.

Auch im Teamhotel wurde gerätselt, wer am Mittwoch im Tor stehen würde, bis Löws Assistent Hansi Flick um kurz vor eins schließlich hochoffiziell verkündete: "Er soll sich vor heimischem Publikum zeigen. Es ist auch eine große Chance für ihn, seinen ersten Sieg einzufahren." Wiese hat in bisher fünf Länderspielen mitgemacht, aber noch keines davon gewonnen. Die Bilanz lässt ahnen, dass er bei den wichtigen Spielen gefehlt hat.

Zukunft in Bremen offen

Dennoch darf man seinen Stellenwert und seine soziale Rolle im Nationalteam nicht unterschätzen. Es hat ein bisschen gedauert, aber der auf eigensinnige Art geradlinige Rheinländer genießt inzwischen ein gutes Ansehen. Löw hebt zwar hervor, dass Wiese "einer anderen Generation" angehöre als die neuesten Sterne am deutschen Torhüterhimmel, Bernd Leno und Marc-André ter Stegen, er sagt aber auch: "In unseren Bewertungen ist er immer sehr gut weggekommen."

Wiese freut sich darauf, dass er am Mittwoch im Weserstadion hinter dem Verteidiger-Duo Mats Hummels und Holger Badstuber Posten beziehen darf, doch er gibt sich nicht der Illusion hin, dass er Manuel Neuer noch den Rang streitig machen kann. "Sicherlich ist er die Nummer eins, in Ruhe lassen werde ich ihn aber nicht: Ich gebe nicht auf", hat er erklärt und zugleich das Versprechen abgelegt, keine Unruhe zu stiften.

Wie oft Werder Bremen noch stolz sein darf auf seinen Nationalspieler, ist noch ungewiss. Wieses Vertrag läuft im Sommer aus - und Wiese hat nicht nur sportliche Ambitionen, er hat auch finanzielle Ansprüche, daran könnte eine Verlängerung scheitern. Aber der Arbeitsmarkt für Torhüter in der Bundesliga ist ziemlich dicht, und womöglich kommen mit dem Freiburger Baumann und dem Kaiserlauterer Trapp bald die nächsten jungen Top-Modelle ins Angebot. Ihnen hat Wiese zumindest eine lange Karriere im Nationalteam voraus.

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