Nationalmannschaft:Die vier Erben von Miroslav Klose

Nationalmannschaft: Stürmer für Deutschland: Sandro Wager, Timo Werner, Mario Gomez, Lars Stindl (von oben links im Uhrzeigersinn)

Stürmer für Deutschland: Sandro Wager, Timo Werner, Mario Gomez, Lars Stindl (von oben links im Uhrzeigersinn)

(Foto: dpa (2), Getty (2))
  • Sandro Wagner trifft gegen Nordirland und liefert auch sonst ein überzeugendes Spiel ab.
  • Mit ihm und dem Trio Lars Stindl, Mario Gomez und Timo Werner hat der Bundestrainer vier verschiedene Spielertypen zur Auswahl.
  • Das Problem: Für alle vier wird im WM-Kader kaum Platz sein.

Von Christopher Gerards, Belfast

Sandro Wagner verriet keine Details dieses Gesprächs. Lief es eher scherzhaft? Ernst? Auffordernd? Hatte er ein paar Tipps bekommen? Es ging um einen Austausch unter Mittelstürmern. Der eine war Sandro Wagner, der andere war der Teammanager des DFB. "Oliver Bierhoff hat vor dem Spiel zu mir gesagt: Die Quote muss ich halten", sagte Wagner also. Die Quote, das war jene, dass er für die DFB-Elf so viele Tore geschossen hatte wie Spiele bestritten. Und so gesehen kam er dem Wunsch Bierhoffs nach, in der 21. Minute. Er nahm einen Pass von Thomas Müller an, kurz vor dem Sechzehner, drehte sich, schoss. Und dann war die Quote weiter intakt: Vier Länderspiele, vier Tore.

Es gehört zu den unterschätzten Aufgaben im modernen Fußball, gegen eine nordirische Abwehr ein Tor zu schießen. Vor diesem 3:1 der DFB-Elf in Belfast am Donnerstag war das ja erst in einem von acht Qualifikationsspielen gelungen (ebenfalls der DFB-Elf). Es war, so gesehen, ein bisschen der Abend des Sandro Wagner, der sogar drei Tore hätte schießen können. Teammanager Oliver Bierhoff lobte seinen Willen, sein Tor, "das spricht immer für einen Stürmer". Aber Wagners Geschichte stand an diesem Abend, an dem Timo Werner und Mario Gomez verletzt fehlten, noch für etwas Größeres: für eine neue Variabilität im deutschen Angriff.

Es ist gar nicht lange her, da war der Sturm die Position, über die die Republik am fatalistischsten diskutierte. Über die es hieß, dem Land fehlten die Talente, und wenn der Klose erst mal alt sei - wer sollte denn dann künftig die Tore köpfeln und die schönen Salti springen? Jahrelang versuchten sie, Nachfolger zu finden, Systeme wurden geändert, falsche und echte Neuner getestet. Der Klose ist jetzt übrigens im Trainerteam beim DFB. Und nach der Lage der Dinge waren die Sorgen von damals ein wenig übertrieben. Ja, Bundestrainer Joachim Löw muss sich weiterhin Gedanken um seine Stürmer machen. Aber es wird eher um die Frage gehen, ob er von diesen vier Spielern überhaupt einen guten Gewissens zu Hause lassen kann.

Timo Werner, Mario Gomez, Sandro Wagner, Lars Stindl: Selten hatte das DFB-Team in den vergangenen Jahren derart viele gute Stürmer, und selten waren diese Stürmer so unterschiedlich in ihrem Spielstil. Das ist ja das Interessante an dieser Elf: dass Löw für jeden Gegner eine passende Lösung wählen kann, für jeden Bedarf etwas dabei ist. Er kann das große Besteck (Wagner) wählen, wenn ein Gegner es für eine gute Idee hält, die eigene Hälfte nicht verlassen zu wollen. Wenn man einen Stürmer braucht, der Bälle mit dem Rücken zum Gegner annimmt, der sich in Zweikämpfe wirft und in jede Flanke von Joshua Kimmich. Löw kann das ähnlich große Besteck wählen, wenn er weiß, dass sein Team nicht viele Chancen bekommt; wenn vorne drin ein Mario Gomez stehen soll, der halt die Bälle reinschießt. Er kann einen mitspielenden und den Gegner klug anlaufenden Lars Stindl aufstellen. Oder halt auch Timo Werner - der kann eigentlich alles.

"Wenn ich nicht eingeladen werde, ist das auch okay"

Wagner sprach selbst von den verschiedenen Optionen im Angriff: "Timo ist ein ganz anderer Stürmer als ich und unabhängig von mir. Mario und ich sind ähnliche Typen, aber von der Spielweise her komplett anders. Er ist zwar auch groß, aber er hat seine Qualitäten, ich hab meine." Es gebe "mehr Möglichkeiten mit Lars oder Sandro vorne drin", hat auch Jérôme Boateng nach dem Spiel gesagt. Und das ist ja die Ironie, die diese Geschichte enthält: dass Wagner, 2009 U-21-Europameister, und Stindl erst 29 werden mussten, um ernsthafte Kandidaten bei der Nationalelf zu werden. Und vielleicht zeigt es, dass man es zu einem sehr brauchbaren Fußballer schaffen kann, selbst wenn man mit 26 noch immer nicht Stammmittelstürmer des FC Bayern war.

Allerdings könnte diese Geschichte der neuen Blüte im Kloseland auch eine kleine Wendung nehmen. Mittlerweile herrscht ja fast ein Überangebot an qualifizierten Angreifern, weshalb weder Wagner noch Stindl noch Gomez sicher sein können, dass sie zur WM fahren werden. Wagner hatte schon in den beiden WM-Qualifikationsspielen gegen Tschechien und Norwegen nicht im Kader gestanden. "Jogi Löw hat mir schon vor den letzten Länderspielen gesagt, dass ich jetzt wieder dabei bin, von daher ist es auch unabhängig von den Verletzungen, und deshalb hat mich das Vertrauen auch gefreut", sagte er. "Wenn ich eingeladen werde, ist das super, dann freue ich mich, versuche, meine Leistungen zu bringen. Und wenn ich nicht eingeladen werde, ist das auch okay." Der Hoffenheimer verwies da auf die vergleichende Lektüre: "Wir haben gute Spieler, und ich bin jetzt nicht bei einem Riesenverein, wo ich Riesenansprüche stellen kann in der Nationalmannschaft." Andererseits spüre er keinen großen Druck, das könne auch von Vorteil sein.

Einer, der sich mit Lob auf den Angriff zurückhielt, war der Bundestrainer. Ja, sagte Löw in der Pressekonferenz, "wir haben mehrere Optionen". Aber er denke auch an Argentinien, wer da alles im Sturm spiele: Higuain, Agüero, Messi, di Maria, Dybala. "Wir müssen uns strecken auf manchen Positionen, wenn wir sie auf gleichem Niveau besetzen wollen, da müssen wir noch hart arbeiten." Das Spiel von Argentinien in Peru in der WM-Qualifikation hatte da noch nicht begonnen - es endete 0:0.

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