Nationalelf vor dem Österreich-Spiel:"Von Philipp kenne ich schon alles!"

Bastian Schweinsteiger verzichtet auf die Lektüre des Philipp-Lahm-Buches, Bundestrainer Joachim Löw setzt Mario Götze erstmal auf die Bank - und lässt seinem Schlechte-Laune-Auftritt vom Dienstag eine Pressekonferenz mit ausgesprochener Gelassenheit folgen.

Philipp Selldorf

Der heimtückische Angriff kam aus der Luft, Bastian Schweinsteiger hatte keine Chance, ihn abzuwehren. Das schwarz-gelbe Biest landete geradewegs in seinem Mund und stach ihn in die Zunge, und als der Rettungsdienst die Meldung von der Attacke vernahm, schickte er dem Patienten nicht den Krankenwagen, sondern lieber gleich den Hubschrauber.

Germany - Training & Press Conference

Ausgesprochen gelassen: Bastian Schweinsteiger beim Training der deutschen Nationalelf.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

"Denn so ein Wespenstich ist gar nicht lustig", wie Schweinsteiger jetzt weiß. So endete sein Ausflug an den Chiemsee mit einer Helikopter-Tour ins Priener Kreiskrankenhaus.

Die Saison hätte für Bastian Schweinsteiger besser beginnen können als mit einer Heimniederlage gegen Borussia Mönchengladbach und einem bösartigen Wespenüberfall am freien Tag nach dem Spiel. Aber diese Episoden sind vier Wochen später nur noch Geschichte für den ehrgeizigen Mittelfeldspieler, der im Kreis des Nationalteams einen ausgesprochen aufgeräumten Eindruck hinterlässt.

Nicht zuletzt bekam das am Donnerstag Philipp Lahm zu spüren, der ja schon manche harte Kritik für sein Buch hatte hinnehmen müssen, aber noch keine, die so brüsk ausfiel wie die seines Münchner Mitspielers. "Es gibt Wichtigeres als ein Buch", befand der 27-Jährige und verwies auf das am Freitag anstehende Länderspiel gegen Österreich.

Die 19,90 Euro für die Anschaffung von Der feine Unterschied scheint sich Schweinsteiger sparen zu wollen, "ich lese zwar gern Biographien, aber von Philipp kenne ich schon alles", erklärte er belustigt.

Mittlerweile werden also Scherze über Lahms umstrittenen Ausflug in die Literatur gemacht, ein Zeichen dafür, dass die Luft raus ist aus dem Thema. Auch der Bundestrainer hat diesen Eindruck bekräftigt, als er am Donnerstag überraschenderweise ein zweites Mal vor die Presse in Düsseldorf getreten ist.

Bei seinem Auftritt am Dienstag hatte Joachim Löw nach allgemeiner Auffassung einen akuten Anfall schlechter Laune durchlebt. Ein weiteres Erscheinen vor dem Spiel war ausdrücklich nicht vorgesehen, doch dann hat sich der Bundestrainer selbst nochmal für die Pressekonferenz nominiert. Er wollte den ersten Eindruck korrigieren, und das ist ihm auch ohne Anstrengung gelungen.

Beseitigung der Nebengeräusche

Nach Beseitigung der Nebengeräusche hat Löw sichtlich wieder Gefallen an seiner Aufgabe gefunden, und er scheint die Lage beim DFB-Team so stabil einzuschätzen, dass er dem Gegner unaufgefordert ein paar Informationen zur Verfügung stellte, die er sonst lieber für sich behält. Löw hatte zwar keine Taktiktafel mitgebracht, aber zumindest schon mal den Aufstellungsbogen.

Deutschland Österreich Aufstellung

Deutschland gegen Österreich: Die voraussichtlichen Startaufstellungen.

(Foto: SZ-Grafik)

Er gab bekannt, dass er dem Schalker Innenverteidiger Benedikt Höwedes die rechte Abwehrseite anvertraut, und dass der Dortmunder Mario Götze nach seiner im gesamten Universum gerühmten Show beim 3:2 gegen Brasilien erst mal wieder auf der Reservebank sitzen muss, weil Mesut Özil in die Mannschaft zurückkehrt.

Toni Kroos behält im Mittelfeld seinen Platz im Tandem mit Bastian Schweinsteiger. Lukas Podolski wird sein 91. Länderspiel bestreiten dürfen, während André Schürrle vorerst auf seinen siebten Einsatz warten muss. Dass der Bundestrainer so freigebig war mit seinen Auskünften, darf man - und soll man wohl - als eine Demonstration der Gelassenheit und des Vertrauens in die eigene Stärke interpretieren. "Man spürt, dass die Konzentration richtig Fahrt aufnimmt. Ich glaube, dass wir nichts anbrennen lassen", prophezeite er.

Während alle Welt von Götze schwärmte, hat Löw beim epochemachenden Brasilien-Spiel den weniger auffälligen Kroos speziell ins Herz geschlossen. "Wenn ich sehe, wie er die letzten Spiele gemacht hat, das freut mich ganz besonders, denn auch von ihm bin ich überzeugt", meinte er.

Für die Rolle des Münchners hat er den Begriff des "Zwischenspielers" erfunden: Kroos wird nicht als zweite Absicherung der Abwehrreihe neben Schweinsteiger angesiedelt, bewegt sich aber auch nicht unbedingt auf der offensiven Höhe von Özil.

Löw sagt, er wolle "keine zwei Sechser", sondern Variabilität im Mittelfeld, weshalb es für ihn auch kein dogmatisches Ordnungsschema gibt. " Drei Mittelfeldspieler müssen alles machen", sagt er. Dass zwei der drei Männer die Namen Götze und Özil tragen, kann zwar eines Tages passieren, zurzeit ist dem Coach die Variante aber zu offensiv - auch gegen Österreich.

Eher als Kroos scheint dann Podolski gefährdet zu sein, dem Löw noch am Donnerstag ins Gewissen reden wollte. Sein Eindruck ist, dass Podolski zwar "unglaubliche Fähigkeiten" besitzt, aber "zu viele Leistungsschwankungen" aufweist.

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