Nationalelf: Miroslav Klose:"Ich bin nicht zufrieden"

Miroslav Klose ist in München nur noch Stürmer Nummer sechs. Er sucht die Schuld nicht beim FC Bayern, bei Trainer van Gaal oder den garstigen Medien, sondern bei sich selbst.

Philipp Selldorf

Nach ein paar Minuten freundlicher, solider Unterhaltung rückt Miroslav Klose endlich jene harte Wahrheit raus, welche die deutsche Fußballöffentlichkeit spätestens seit dem vergangenen Wochenende in ihm verborgen glaubt. "Ich bin überhaupt nicht zufrieden", sagt der 31-Jährige Stürmer zu seiner Lage beim FC Bayern. 90 Minuten Ersatzdienst hatte der Nationalspieler am Samstag während der Partie gegen den VfL Wolfsburg leisten müssen, was die ständigen Beobachter zu der Ansicht geführt hat, dass er im offensivlastigen Münchner Aufgebot nur noch einen Rang in der stillen Reserve belegt.

Auf den sechsten Platz ist er nach Berechnungen des Kickers in der Kandidatenliste der Angreifer zurückgefallen: Zwar steht er damit vor Luca Toni - aber auch hinter Thomas Müller. Hierarchisch betrachtet ist das ein Sturz vom Hochhaus.

Und jetzt gesteht Klose also beim Gesprächstermin im Hotel der Nationalmannschaft, dass er überhaupt nicht zufrieden sei, was wohl nur heißen kann, dass Luis van Gaal ein Problem und der FC Bayern noch eine Personaldebatte hat. Heißt es aber doch nicht, denn Klose wäre nicht Klose, wenn er nicht demütig verkünden würde, dass Ersatzrolle und Degradierung durch die Fachpresse völlig gerechtfertigt seien. Er selbst fand seine Auftritte bei den vorigen Ligaspielen gegen Bremen (1:1) und in Mainz (1:2) "unterirdisch", und die extrem miesen Noten in den Zeitungen kamen ihm immer noch milde vor: "Da kann man froh sein, dass es nur bis Sechs geht", meint er. Er hätte sich wohl eine sieben minus gegeben.

Auch zu den beiden radikalen Kopfballchancen, die er neulich im WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan auf furchtbare Weise verschwendete, fällt ihm nicht mehr als Unverständnis und das Wort "Wahnsinn" ein. Klose übertreibt wohl nicht, wenn er sagt: "Ich bin mir selbst der größte Kritiker."

Unzufrieden ist Klose nicht mit dem FC Bayern und dessen offensiver Personalpolitik, mit dem Trainer van Gaal oder den garstigen Medien, sondern mit sich selbst und seiner körperlichen Verfassung, soviel steht nun fest. Die Frage ist, ob er sich damit einen Gefallen tut, und ob er so seine führenden Kritiker im Verein beruhigt, die von ihm mehr Angriffslust und Durchsetzungsdrang verlangen, und die wahrscheinlich vor Zorn einen roten Kopf bekommen, wenn sie hören, dass Klose die neue Lage "total entspannt" betrachtet.

Leute, die es gut mit ihm meinen, hätten ihm womöglich geraten, während der vergangenen Tage die letzte Gelegenheit zum Absprung aus München zu nutzen - erst recht nach dem Zukauf des Flügelstürmers Robben und dem Systemwechsel, der nicht von Vorteil ist für Klose. Gerüchteweise wurde Interesse des VfB Stuttgart vermeldet, er selbst hat von Werder Bremen gehört. Aber erstens waren das nur Gerüchte, und zweitens hatte er auch keinerlei Neigung zum Wechsel des Arbeitgebers, nicht mal darüber nachgedacht habe er, sagt Klose. Stattdessen vertraut er darauf, dass er wieder spielen wird, sobald er sich richtig fit fühlt.

Immer noch leidet er an den Folgen einer Mitte März erlittenen Bänder- und Sehnenverletzung. "Es macht eben einen Riesenunterschied aus, ob du beim Torschuss und beim Kopfball einen hohen Puls hast oder ob du richtig frisch bist", meint er und versichert, er mache sich keine Sorgen um seine Karriere: "Beim FC Bayern und besonders bei Louis van Gaal zählt das Leistungsprinzip." Den Glauben an die Unbestechlichkeit des harten, aber fairen Niederländers teilt er mit anderen Bayern-Profis, ein Stück Hoffnung schwingt aber auch mit.

Einsicht und Geduld sind keine typischen Eigenschaften für Profifußballer, aber Klose hat diese Fähigkeiten schon gegen Ende der vorigen Saison nachgewiesen, als er, vom Arzt gerade wieder gesundgeschrieben, dem erstaunten Trainer Jupp Heynckes mitteilte, er möge in den beiden letzten Saisonspielen lieber Lukas Podolski spielen lassen, weil der zuletzt ja "richtig aufgeblüht" sei. Nun muss Klose sehen, wie bei den Bayern die Neuerwerbung Mario Gomez den Platz im Angriffszentrum besetzt hält, während auf den Außenposten Robben und Ribéry Spektakel schaffen - unbesorgt von taktischen Zwängen und lästigen Abwehrarbeiten.

So einen Luxus wüsste der fleißige Mannschaftsspieler Klose niemals zu genießen, selbst vor dem Tor sucht er ja noch unbedingt den Mitspieler, dem er den Ball vorlegen kann. "So wie ich den Trainer kenne, will er, dass die Mannschaft miteinander spielt", beharrt Klose tapfer. Es ist seine Form der Absage an ein neues Münchner Lustprinzip, das acht Spielern abverlangt, für zwei glänzende Solisten zu arbeiten. Aber eine Personaldebatte wird Miroslav Klose ganz sicher nicht anzetteln: "Man sitzt nicht gern auf der Bank, aber wir sind nun mal Bayern München. Da bleiben Stars draußen, das gehört dazu." Notfalls gibt es ja noch die Nationalmannschaft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: