Nationalelf: Klose und Gomez:Das doppelte Duell

Nach überzeugenden Leistungen zeigt Miroslav Klose, was er von Louis van Gaal gelernt hat. Nun könnte es zwischen ihm und Mario Gomez zu einer absurden Situation kommen.

Johannes Aumüller

Es ist nicht bekannt, ob der neue Bayern-Coach Louis van Gaal neben taktischen und technischen Übungen auch immer mal wieder eine Trainingseinheit mit dem Titel "Pressekonferenz nach van Gaal" einstreut. Nach dem Mittwochabend ist das alles andere als abwegig, denn da verhielt sich der FC-Bayern- und DFB-Auswahl-Stürmer Miroslav Klose nach dem 4:0-Sieg gegen Aserbaidschan so ähnlich wie sein Vereinstrainer vor einigen Wochen, als der einen Fragesteller rüde abkanzelte und zu mehr Informationssammlung riet.

Wie laut Löw in der Kabine geworden sei, wollte ein Journalist bei der Pressekonferenz wissen. Diese Frage verleitete den nach der Halbzeitpause eingewechselten Klose zu der spitzen Bemerkung, der Journalist habe wohl nicht aufgepasst, es sei ja schließlich so, dass man sich vor der Einwechslung ein bisschen warm machen müsse und dass das Warmmachen nicht in der Kabine stattfinden. Und halb im Gehen fügte er noch an: "Da können Sie froh sein, dass Louis van Gaal nicht hier ist."

Wo van Gaal bei seiner Journalistenschelte vollen Ernst gezeigt hatte, war bei Klose ein Schmunzeln unübersehbar. So schlagfertig und humorvoll wie in dieser Situation reagierte er auf fast jede Frage, der 31-Jährige hatte erkennbar gute Laune. Und diese erkennbar gute Laune wiederum hatte einen erkennbar simplen Grund: Ausgerechnet der wegen seiner jüngsten Leistungen in der Bundesliga in der Kritik stehende Klose hatte mit zwei Treffern nach dem Seitenwechsel entscheidenden Anteil am deutlichen Sieg der deutschen Elf - und an der Tatsache, dass sich das Publikum in der zweiten Hälfte deutlich versöhnlicher zeigte als während des ersten Durchganges, in dem sich die Löw-Elf bisweilen Pfiffe an hören musste.

Es gibt wahrscheinlich keinen Angreifer in Deutschland, der schon so oft über sich lesen musste, er sei in der Krise - und der schon so oft über sich lesen durfte, er habe sich wieder aus einer Krise herausgeschossen. Und dann noch angefügt wurde, dass ihm die Nationalelf zur Krisenbewältigung half. Das Spiel gegen Aserbaidschan war mal wieder so ein aus-der-Krise-Spiel, wobei auch schon beim 2:0 gegen Südafrika am Samstag Klose nach seiner Einwechslung eine ordentliche Leistung gezeigt hatte.

Somit kommt auf Fußball-Deutschland nun eine spannende Angreifer-Diskussion zu. Denn während noch vor einiger Zeit alle Beobachter davon ausgingen, Klose bilde sowohl in der Nationalelf als auch beim FC Bayern gemeinsam mit Mario Gomez das Stürmer-Duo, hat sich nun eine veränderte Situation ergeben. Fast zeitgleich haben DFB-Trainer Löw und Bayern-Coach van Gaal vom 4-4-2-System auf ein 4-3-3-Modell umgestellt, in dem nur noch ein Mittelstürmer Platz hat. Und fast wortgleich beteuern Löw und van Gaal zwar, jederzeit wieder umstellen zu können, doch sieht derzeit alles danach aus, als spiele die DFB-Auswahl im Gruppenendspiel gegen Russland am 10. Oktober wie auch der deutsche Rekordmeister in seinen nächsten Partien mit nur einem echten Mittelstürmer.

Zwar gibt sich Klose gelassen, doch seine verworrene Antwort auf die Frage, für welches System er plädiere, signalisiert, dass es keine leichte Situation ist. Innerhalb eines Statements sagt er, dass man variabel sein müsse, fordert dann aber, dass man auch mal den Mut haben müssen, ein System zu finden und zu behaupten, auf dass sich dann der Gegner einstellen müsse.

Klose und Gomez liefern sich also ein doppeltes Duell um einen Stammplatz. Der Doppeltorschütze vom Mittwoch geht selbstbewusst in diese Auseinandersetzung ("Ich weiß, was ich kann"), doch es könnte durchaus sein, dass eine ziemlich absurd anmutende Situation eintritt: dass nämlich beim FC Bayern Mario Gomez die Nase vorn hat, während in der Nationalmannschaft Miroslav Klose spielt. Denn die Antwort auf die Frage "Klose oder Gomez?" hängt ja nicht nur von den Qualitäten des Mittelstürmers selbst, sondern auch von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab.

Beim FC Bayern hat Gomez den Bonus, der teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte zu sein, den man nicht so einfach auf die Bank setzt. In der Nationalelf hat Klose den Vorteil, dass er sich mit seinen beiden Treffern gegen Aserbaidschan auf Platz drei der ewigen DFB-Torjägerliste gehievt und so einen großen Stellenwert erarbeitet hat. Beim FC Bayern ergeben sich aus einem so kongenialen Flanken-Duo wie "Robbery" andere Anforderungen an einen Mittelstürmer als in der Nationalelf, wo weder links noch rechts ein klassischer Außenstürmer zur Verfügung steht. In der Nationalelf ist Klose ein anerkannter Wortführer, während er in München hierarchisch sogar hinter dem dritten Kapitän Bastian Schweinsteiger zurücksteht.

Ähnliche Fälle hat es in der Fußball-Historie nur selten gegeben. Zum Beispiel 2004 bei Europameister Griechenland. Da bevorzugte Hellenen-Coach Otto Rehhagel Antonios Nikopolidis gegenüber Konstantinos Chalkias, obwohl Nikopolidis bei seinem Klub Panathinaikos Athen nur der Ersatzmann von Chalkias war.

Während die Entscheidung zwischen Klose und Gomez bezüglich der Nationalelf erst in wenigen Wochen fällt, steht das nächste Spiel des FC Bayern schon am Samstag in Dortmund an. Ob er davon ausgehe, gegen die Borussen von Beginn an zu spielen, wurde Klose gefragt. "Ich glaube nicht", sagte er. "Der Trainer hat mich ja zehn Tage lang nicht gesehen und weiß nicht, wie ich drauf bin." Dieses Argument indes gilt auch für Mario Gomez.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: