Nationalelf: Joachim Löw:Klarer Sieg, was sonst?

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Vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan überrascht Bundestrainer Joachim Löw mit neuem Tonfall. Die Anforderung an seine Mannschaft schraubt er damit ungewohnt forsch nach oben.

Christof Kneer, Mainz

Am Donnerstagmittag kam Urs Siegenthaler verschwitzt vom Joggen zurück. Einerseits war das keine Sensation, die Sonne schien, der Rhein liegt einladend vor dem Teamhotel - also: warum nicht? Andererseits war es doch eine Sensation, weil man sich den DFB-Chefscout ja immer vor dem Laptop vorstellt, wie er dort kasachische Linksverteidiger seziert, ein Dossier über Land und Leute erstellt und analysiert, ob Kasachstans Mittelfeld Pressing spielt, tief steht oder einen Kopfstand macht.

Joachim Löw. (Foto: dpa)

"Wir haben diesmal kein Video über die Kasachen gesehen", sagte Joachim Löw einen Tag vor dem EM-Qualifikationsspiel in Kaiserslautern. "Wir müssen nur wissen, dass die Kasachen hinten drin stehen und viel laufen werden."

Am Freitag hat Löws Nationalelf eine neue Stufe erklommen. Unter Löw waren die Deutschen EM-Zweiter und WM-Dritter, aber auf dem Niveau vom Freitag waren sie noch nie. "Ich habe der Mannschaft gesagt: Die Frage ist nicht, wie gut Kasachstan ist, sondern, wie gut wir sind", sagte der Bundestrainer in spektakulärer Selbstverständlichkeit.

"Wenn wir das Tempo hoch halten und unser Spiel machen, wird Kasachstan keine Chance haben." Und Kapitän Philipp Lahm ergänzte, es gehe einfach darum, "dass wir den Gegner viele Minuten bearbeiten müssen, um dann in Führung zu gehen und klar zu gewinnen".

Nur die Älteren werden noch wissen, dass es einmal eine Zeit gab, in der ein Vorgänger Löws seine Teamchef-Tätigkeit auf dem Grundsatz aufbaute, dass es "keine Kleinen mehr" gebe. Es ist zwar erst ein Jahrzehnt her, dass Rudi Völler diese Weisheit verbreitete, aber es wirkt wie ein Satz aus einer Zeit, als der Fußball noch in schwarz-weiß übertragen wurde. "Kasachstan ist eine kleine Fußballnation", sagte Löw am Freitag, "wir erwarten nichts anderes als einen Sieg."

Der deutsche Fußball hat seinen neuen Tonfall gefunden. Dieser Tonfall hat nichts Überhebliches, Löw findet einfach, dass der Dritte der Weltrangliste sich nicht künstlich klein machen sollte, wenn er einem Land begegnet, das auf Rang 132 liegt, knapp hinter Puerto Rico, aber einen soliden Platz vor Ruanda. "Ich bin der Meinung, dass es diesmal nicht nötig ist, sich zu viel mit dem Gegner zu beschäftigen", sagt Löw.

Im Grunde war das eine historische Pressekonferenz in Mainz. Die deutsche Elf hält sich wieder für groß genug, um die Existenz von Kleinen akzeptieren zu können. Vor einem Jahrzehnt war die DFB-Elf ja nicht ganz sicher, ob sie nicht vielleicht selbst schon zu den Kleinen gehört. "Gegen Kasachstan will ich nicht nur einen Sieg sehen, sondern eine Elf, die Spielwitz und Tempo zeigt", sagt Löw.

Der Bundestrainer ist in der komfortablen Situation, die EM-Qualifikation als Fortbildung im laufenden Spielbetrieb nutzen zu können. Nach dem Kasachstan-Spiel soll seine Elf fünf Siege aus fünf Spielen auf dem Konto haben, so dass sich Löw frühzeitig auf Problemzonen-Gymnastik konzentrieren könnte. Er muss zum Beispiel noch einen Linksverteidiger finden, "im Moment verdienen Dennis Aogo und Marcel Schmelzer eine Chance", sagt er, aber bis zur EM sei "genug Zeit, die Entwicklung zu beobachten".

Die Innenverteidigung bereitet ihm mehr Freude, "vor kurzem haben wir uns da noch Sorgen gemacht, jetzt haben wir mit Mertesacker, Friedrich, Hummels und Badstuber gute Spieler und weitere Alternativen wie Höwedes".

Urs Siegenthaler hat dann übrigens doch noch ein Video zeigen dürfen, er hat den Spielern das jüngste Testspiel gegen Italien (1:1) vorgeführt. "Die meisten fanden das Spiel gut, aber ich habe viel Verbesserungswürdiges gesehen", sagt Löw. Italien ist ja nur Elfter der Weltrangliste, also fast ein Kleiner.

© SZ vom 26.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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