Nationalelf: Einzelkritik
Joachim Löw
Torhüter Manuel Neuer erinnert an einen dunkelgrünen Heuhüpfer, Arne Friedrich ist längst kein "TitArne" mehr und Mario Gomez spielt plötzlich ein bisschen wie Miroslav Klose. Die deutsche Nationalelf beim 2:1 gegen Österreich in der Einzelkritik. Stellte vor Spielbeginn sein Getränk auf das Dach der Ersatzbank. Doch von einem gemütlichen Abend an der Theke war danach nichts mehr zu sehen. Löw stand schon nach fünf Minuten ohne Jackett am Spielfeldrand, gestikulierte, schimpfte. Bald strich er das Regenwasser von der Werbebande, um sich frustriert anlehnen zu können. Einer der einsatzfreudigsten Männer im weißen Hemd. Schickte schon nach 26 Minuten ein paar Spieler zum Aufwärmen. Gestikulierte, schimpfte, haderte weiter am Spielfeldrand. Und hüpfte und tanzte und schrie beim 2:1. Selten so einen erlösten Bundestrainer Löw gesehen.
Nationalelf: Einzelkritik
Manuel Neuer
Erstes Spiel als offiziell bekannt gegebener Torwart des FC Bayern München. Kam wie immer als Erster zum Aufwärmen auf den Platz und lernte gleich das Gefühl eines Bayern-Torwarts fernab der Fröttmaninger Arena kennen: wurde von den Zuschauern grimmig ausgebuht. Bekam Bayern-Torwart-mäßig nach 20 Minuten zum ersten Mal den Ball. Flog dann gar nicht Bayern-Torwart-mäßig wie ein dunkelgrüner Heuhüpfer an einer Ecke vorbei. Beim 1:1 ohne Chance. Den hätten auch Sepp Maier, Jean-Marie Pfaff oder Oliver Kahn nicht gehalten.
Nationalelf: Einzelkritik
Philipp Lahm
Vorletzter Einsatz als Rechtsverteidiger. Hatte sich für seine Abschiedsvorstellung Teil eins einen gemütlicheren Abend gewünscht. Aber David Alaba, Christian Fuchs und sein mit wenig Drang nach hinten ausgestatteter Mitspieler Thomas Müller zwangen Philipp Lahm von einem Laufduell ins nächste. Sah vor dem 1:1 David Alaba tatenlos beim Flanken zu. Flankte dafür in der 90. Minute auf den Kopf von Mario Gomez.
Nationalelf: Einzelkritik
Arne Friedrich
Arne Friedrich - die Wundertüte. Spielt da nun der Hertha-Absteiger/Wolfsburg-Fast-Absteiger Friedrich, oder der WM-Allstar "TitArne"? Sollte ja nach Mertesackers Ausfall einen Abwehrchef geben, erinnerte aber oftmals an den Hertha-Wolfsburg-Friedrich. Der Quirl Erwin Hoffer ging ihm mächtig auf die Nerven und umkurvte ihn nach 42 Minuten so einfach wie Sebastian Vettel einen überrundeten Fahrer. Dass der orientierungslose Wolfsburger den Ball ins eigene Netz zum 1:1 spitzelte, kam fast folgerichtig.
Nationalelf: Einzelkritik
Mats Hummels
Kam ein wenig überraschend in die Startelf. Doch Bundestrainer Löw wollte dem mittelschnellen Friedrich wohl nicht den mittelschnellen Holger Badstuber, sondern den extraschnellen Hummels beistellen. Gab der Abwehr neben dem fahrigen Friedrich ein wenig Halt. Nur: Auch Hummels konnte nicht überall sein. Nach Khediras Auswechslung schickte ihn Löw in den Problembereich vor der Abwehr.
Nationalelf: Einzelkritik
Marcel Schmelzer
Hat die vorletzte Chance auf ein Länderspiel genutzt. Weil Philipp Lahm bald wieder links hinten verteidigt, wird der junge Dortmunder bald wieder den Platz zwischen Torwarttrainer Köpke und Fitnesstrainer Shad Forsythe einnehmen. Gehörte lange Zeit zu den besseren deutschen Verteidigern, wankte aber nach der Pause ebenfalls unter dem Druck der euphorisierten Österreicher.
Nationalelf: Einzelkritik
Sami Khedira
Nach seinem Mukelriss im zweiten von vier Clásicos gegen Barcelona gelang dem 24-Jährigen aus Madrid am Freitagabend eine Punktlandung. Sechs Wochen ohne Pflichtspieleinsatz? Das sollte kein Problem sein, dachte Bundestrainer Löw. Es war aber doch ein Problem. Ein Problem für Khedira, der in der Spielfeldmitte unsicher wirkte wie selten. Ein Problem für das DFB-Team, weil es gegen die scharf attackierenden Österreicher einen sicheren Khedira dringend gebraucht hätte. Und es wurde ein Problem für Khediras Stimmbänder, weil der Real-Spieler offenbar unzufrieden mit sich und der Welt mit Schiedsrichter, Gegenspieler und Mitspieler debattierte. Wurde nach 68 Minuten ausgewechselt.
Nationalelf: Einzelkritik
Toni Kroos
Die meisten Beobachter rechneten mit Simon Rolfes im defensiven Mittelfeld. Toni Kroos? Der kommt bei Bayern doch gar nicht dran! In Wien aber zeigte der 21-Jährige sein seltenes Können. Neben den blassen Khedira und Özil ordnete Kroos die meiste Zeit das deutsche Spiel im Mittelfeld, weil ihn seine außergewöhnliche Technik dazu befähigte, auch unter Druck den Ball zu behaupten und einen anständigen Pass zu spielen.
Nationalelf: Einzelkritik
Thomas Müller
Den Mainzer Christian Fuchs wird er wohl so schnell nicht vergessen. Dieser Fuchs gab sich wie gewohnt nicht mit dem Verteidigen zufrieden, sondern sprintete bei jeder Gelegenheit nach vorne. Und wer hätte da mitsprinten sollen? Na? Genau. Thomas Müller. Doch wer hatte wenig Lust, alle paar Minuten einem Mainzer Linksverteidiger hinterher zu hetzen? Na? Genau. Thomas Müller. Der überlastete Lahm reagierte zunehmend sauer. Müller versuchte, dann selbst den Fuchs müde zu sprinten. Doch auch das gelang nicht.
Nationalelf: Einzelkritik
Mesut Özil
Die österreichische Presse mutmaßte, dass Trainer Constantini gleich zwei Gegenspieler für Mesut Özil abstellen würde. Zwei? Mesut Özil spielte im Zentrum des Austria-Abwehr-Gewusels und fand sich stets umringt von schnaubenden Gegnern. Nur bei seinem Pass auf Gomez nach acht Minuten blitzte sein magisches Können auf, als mit einer Ballberührung das Spieltempo verdreifachte. Ging danach zusehends unter, blickte ein wenig traurig und hilfesuchend umher. Bolzte kurz vor Schluss nach einem Foul den Ball wütend über den Platz. Spielt lieber wieder gegen Malaga oder Mallorca.
Nationalelf: Einzelkritik
Lukas Podolski
Hat es einmal einen defensivfaulen Lukas Podolski gegeben? Mit diesem hatte der Lukas Podolski der ersten halben Stunde in Wien nichts gemein. Der Kölner rannte und attackierte alle Rothemden, die er irgendwie greifen konnte. Ein neuer Podolski? Ein besserer Schürrle? Knallte dann in alter Podolski-Manier den Ball an die Latte. Nach 42 Minuten tauchte dann aber aus dem Nichts der alte Podolski auf: Der ließ Gegenspieler Florian Klein laufen und daraus entstand fast das 1:0 für Österreich. Wurde immer müder und immer resignierter und nach 67 Minuten ausgewechselt. Für Schürrle.
Nationalelf: Einzelkritik
Mario Gomez
Hat im letzten Moment sein Trauma besiegt. Vor diesem linken Tor des Ernst-Happel-Stadions hatte es Gomez ja bei der EM 2008 fertig gebracht, den Ball aus einem Meter Entfernung nicht über die Linie zu schubsen. Dieses Nicht-Tor war das jahrelange Symbol des DFB-Gomez, der im Adler-Trikot einfach nicht trifft. Nach 45 Minuten fiel ihm an gleicher Stelle nun wieder der Ball vor die Füße und drei Jahre zuvor wäre er noch auf die Kugel gestiegen und mit dem Hinterteil voraus selbst im Tor gelandet, während die Österreicher einen Konter einleiteten. Diesmal aber stubste Gomez den Ball ins Netz. Nahm auch sonst aktiv wie selten am Spiel teil. Spielte wie Mario Gomez, wollte aber auch ein bisschen Miroslav Klose sein. Krönte seine Gomez/Klose-Leistung in der Schlussminute mit dem 2:1.
Nationalelf: Einzelkritik
Andre Schürrle
Deutschlands neue Wunderwaffe links offensiv? Kam jedenfalls mit mehr Energie auf den Rasen als der am Ende energielose Podolski.
Nationalelf: Einzelkritik
Holger Badstuber
Es gibt angenehmere Aufgaben als Mitten in der zweiten Halbzeit gegen einen rauschhaften Außenseiter in die Abwehr geschickt zu werden. Blickte und grätschte dann auch erstmal verwirrt den wuselnden Rothemden hinterher.