Nationalelf:China erobert den deutschen Markt

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Keine Werbung für den deutschen Fußball: Die DFB-Elf schafft in Shanghai nur ein müdes 1:1. Nur Lukas Podolski darf sich freuen.

Am Ende einer Fußballsaison finden sich immer Profis, die um alles spielen - um die Meisterschaft, um einen Pokal, um den letzten großen Vertrag. All diese Profis haben Druck, wie man das im Branchenjargon nennt, und meist akzeptiert die Branche auch, dass Druck die Beine lähmt. Nicht befreit aufspielen können, auch das ist eine beliebte Branchenformulierung, und wer den umfassenden Auftrag berücksichtigt, mit dem die deutsche Nationalmannschaft auf Reisen geschickt worden war, der versteht, warum diese Mannschaft am Freitag auf gar keinen Fall befreit aufspielen konnte.

Die chinesischen Spieler nach dem 1:0. (Foto: Foto: dpa)

Nicht nur den chinesischen, gleich den ganzen asiatischen Markt sollte die DFB-Elf erobern! 17 deutsche Nationalspieler gegen vier Milliarden Asiaten! Erschwerend kam hinzu, dass die Elf von Joachim Löw bei diesem Vorhaben auf einige Profis verzichten musste, die parallel um richtige Meisterschaften oder Pokale spielen. Ergänzt um einen Langstreckenflug sowie eine Zeitumstellung von sechs Stunden kam am Ende eine Partie heraus, bei der die Deutschen verkrampft aufspielen konnten. "Die Spieler wollten schon, konnten aber nicht so recht", kommentierte Bundestrainer Joachim Löw das erschreckend müde 1:1 (1:1). Am Dienstag müssen sie jetzt noch in Dubai gegen die Vereinten Arabischen Emiraten spielen, und erst dann können sie befreit Urlaub machen.

Er werde sich bei der Wahl seiner Anfangsformation nach der physischen Verfassung seiner strapazierten Reisegruppe richten, hatte Löw vor dem Abflug angekündigt und dann doch eine Elf an den Start gebracht, die im Rahmen dieses Kaders wohl so etwas wie die Stammformation war. Die größte Überraschung war die Rochade, die Löw seiner Abwehr verordnete: Philipp Lahm durfte sich den angeblich 30.000 Zuschauern im höchstens zu einem Viertel gefüllten Stadion in Shanghai auf seiner geliebten rechten Abwehrseite präsentieren, wodurch Marcel Schäfer die linke Seite anvertraut bekam. Schäfer spielt in: genau Wolfsburg, ebenso wie Christian Gentner, der im Mittelfeld debütierte.

Hallo, Asien, sollte das wohl heißen, hier spielen zwei deutsche Meister! Der asiatische Markt nahm's ungerührt zur Kenntnis, zumindest der chinesische Teil davon. Bei Ansicht weiter Teile der ersten Halbzeit kamen die Zuschauer ohnehin etwas ins Grübeln: Konnte es sein, dass man diese Kampagne falsch verstanden hatte? Konnte es sein, dass der chinesische Markt den europäischen erobern wollte?

So jedenfalls sah dieses Spiel am Anfang aus. Nur fünf Minuten dauerte es, bis Hao Junmin die Gastgeber in Führung gebracht hatte, und der Treffer war so anspruchsvoll herausgespielt, dass sich damit durchaus fremde Märkte erschließen lassen würden. Asiatisch leicht zog Hao am teutonischen Schwerfuß Robert Huth vorbei und schlenzte den Ball aus spitzem Winkel ins entfernte Eck.

Ob der deutsche Delegationsleiter Reinhard Rauball solche Szenen insgeheim befürchtet hatte? Am Tag vor dem Spiel war ihm ja in einer Pressekonferenz die wenig charmante Formulierung herausgerutscht, wonach die deutschen Nationalspieler auf dieser Asienreise eine Arbeit erledigen müssten, "die unangenehm sein mag". Auch dieses Spiel wurde immer unangenehmer, abgesehen von einem angenehmen Moment, als Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger dem asiatischen Markt eine Kurzform des Sommermärchens vorführten.

Schweinsteigers Steilpass schoss Podolski trocken ins Tor (8.). Der Ausgleich änderte aber nichts an der grundsätzlichen Versuchsanordnung dieses Spiels: Während die Deutschen erschöpfend damit beschäftigt waren, die Müdigkeit aus den Beinen zu laufen, waren die Chinesen aus naheliegenden Gründen ohne Jetlag angetreten. Sie kombinierten flink und direkt, was wenigstens ein deutscher Nationalspieler zur Werbung in eigener Sache nutzen durfte: Torwart Robert Enke durfte mehrfach rettend eingreifen, vor allem in der zweiten Hälfte, als die Chinesen einige gefährliche Distanzschüsse anbrachten.

"Die Chinesen war viel schneller, viel spritziger, das konnten wir heute nicht sein", sagte Mario Gomez später, der China - sofern das Land auf Statistiken steht - immerhin eine kleine Geschichte hinterließ. Er ist jetzt seit 795 Minuten ohne Länderspieltor, aber der Bundestrainer hatte es ihm auch nicht leicht gemacht. Er hatte ihn als einziger Stürmer nominiert, und es gibt einfachere Aufgaben im Fußball, als den einzigen Stürmer vor neun müden Feldspielerkollegen zu geben.

Am Ende hatte der DFB-Tross aber doch noch ein kostbares historisches Detail gefunden, mit dem sich der asiatische Markt bestimmt beeindrucken lässt: Podolski erzielte in Shanghai sein 33. Länderspieltor - er hat jetzt genau so viele wie Fritz Walter.

© SZ vom 30.05.2009/jüsc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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