National Football League:Ein Platz in den Geschichtsbüchern - oder ein Ring am Finger

Die Indianapolis Colts haben seit dem 11. Dezember kein Spiel von Bedeutung mehr bestritten, viele Stammspieler haben nicht einmal trainiert. Und doch gehen sie als Favorit in das Spiel gegen Pittsburgh.

Jürgen Schmieder

Es war die hitzigste Sportdiskussion der vergangenen Wochen in den Vereinigten Staaten: Sollen die Indianapolis Colts nach 13 Siegen in Folge weiter ihre Stammspieler aufs Feld schicken oder ihnen eine Ruhepause gönnen? Die New York Times verwendete eine Seite darauf, die scheinbar wichtigste aller Fragen im American Football klären zu können.

Indianapolis Colts

Ausruhen für die PLayoffs, während die Ersatzspieler die Arbeit machen: Edgerrin James (Mitte) und Kory Chapman (rechts) scherzen mit Eric Dungy.

(Foto: Foto: AP)

Der Grund für die Diskussion ist einleuchtend: Die Colts hatten die Chance, eine so genannte Perfect Season zu spielen, also alle 19 Begegnungen (16 in der regulären Saison und drei Playoff-Spiele) für sich zu entscheiden. Ein Kunststück, das in der Geschichte des professionellen Footballs nur den Miami Dolphins im Jahr 1972 gelang.

Jedoch hatten sich Colts mit dem Sieg gegen Jacksonville am 11. Dezember bereits das Heimrecht für sämtliche Spiele in den Playoffs gesichert. Die restlichen drei Saisonspiele waren also bedeutungslos. Stammspieler könnten geschont werden, Verletzungen auskuriert werden, Ersatzspieler getestet werden. Die Mannschaft könnte ausgeruht in die entscheidenden Spiele gehen - ein großer Pluspunkt im kräftezehrenden Sport Football.

Die Frage an Trainer Tony Dungy lautete also, gestellt von Sportkommentator Tony Kornheiser: "You want a place in history or just a ring on your finger?" Ein Platz in den Annalen des Football also oder einen Ring für die gewonnene Meisterschaft.

Dungy entschied sich für das Schmuckstück und schickte den Großteil seiner Stammspieler in die Ferien. Quarterback Payton Manning warf also in den vergangenen 33 Tagen gerade einmal 14 Pässe. Sein Kontrahent am kommenden Sonntag, Ben Roethlisberger von den Pittsburgh Steelers, kam im gleichen Zeitraum auf 90 Würfe zu seinen Mitspielern.

"Ich glaube nicht, dass meine Spieler eingerostet sind", sagte Dungy auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. "Es tut gut, ein paar Tage auszuspannen, um jetzt wieder voll angreifen zu können." Viele Spieler seien dennoch an freien Tagen zum Trainingsgelände gefahren, um Zusatzeinheiten zu absolvieren. Vergangene Woche brach Dungy eine Trainingseinheit über 20 Minuten früher ab - weil alle Spielzüge bereits beim ersten Versuch perfekt funktionierten. "Wir haben das Ziel einer perfekten Saison aufgegeben, weil wir eine andere Mission haben", sagt Manning. "Wir wollen unbedingt diese Meisterschaft gewinnen. Auch für Tony Dungy."

Der Sohn des Trainers wurde am 23. Dezember tot in einem Apartment in Florida aufgefunden. Der 18 Jahre alte Student hatte sich wohl das Leben genommen. Es war Dungys Entscheidung, seine Arbeit nicht niederzulegen, sondern seine Mannschaft durch die Playoffs zu führen.

Gegner am Sonntag sind die Pittsburgh Steelers. Sie mussten bis zum letzten Spieltag um den Einzug in die Playoffs zittern, konnten keine Kräfte sparen. "Dafür stehen wir voll im Saft und haben keinen Rost an den Knochen", tönt Running Back Jerome Bettis vor dem Spiel. "Es ist vielleicht meine letzte Chance, und die möchte ich nutzen." Tatsächlich erlebt "The Bus" gerade den zweiten Frühling seiner Karriere und führte seine Mannschaft mit drei Touchdowns in zwei Spielen in das Viertelfinale um die Vince Lombardy-Trophy.

Auf den Eintrag in die Geschichtsbücher haben die Colts verzichtet. Am Sonntag müssen sie beweisen, dass diese Entscheidung richtig war, um einen Ring an den Finger zu bekommen.

Die weiteren Playoff-Begegnungen am Wochenende:

Samstag: Seattle Seahawks - Washington Redskins Denver Broncos - New England Patriots

Sonntag: Chicago Bears - Carolina Panthers

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