Nashville Predators:Kleine Zerstörerstadt

Lesezeit: 3 min

Das Eishockey-Team spielt die stärkste Saison seiner Geschichte. Es zählt inzwischen sogar zu den Favoriten auf den Stanley-Cup-Sieg.

Von Johannes Kirchmeier, Nashville/München

Ein paar kräftige Frauen und Männer in kurzen Hosen und gelbem Trikot hauen in einem Video mit einem Vorschlaghammer auf ein Auto ein. Die Umstehenden mit Farmerhut applaudieren ihnen, zwei Cheerleader, ebenfalls in Gelb, feuern die Pkw-Zerstörer an. Lange müssen die nicht mehr weiter dreschen, denn fahrtüchtig ist das Gefährt vor dem Eisstadion ohnehin nicht mehr: Am Kühler hängen die Stahlteile heraus, Motorhaube und Dach gleichen in ihrer Form der hügeligen Mondlandschaft. Deutlich sichtbar ist aber noch der Schriftzug an der Seite: "Blues".

Es ist eine eigenartige Szene, die man ob ihrer Gewaltverherrlichung eigentlich gar nicht beschreiben müsste. Doch in diesen Tagen steht sie symbolhaft für die Entwicklung eines Eishockeyklubs. Das gelbe Trikot ist das der Nashville Predators aus der nordamerikanischen Profiliga NHL, die Liga hat das Video veröffentlicht. Es illustriert eine Erfolgsgeschichte in Nashville, die auch ein Stück weit eine Schweizer Erfolgsgeschichte ist.

Nashville, die Stadt der Country-Musik, spielt derzeit nämlich mit den drei Schweizern Roman Josi, Yannick Weber und Kevin Fiala (der sich allerdings kürzlich verletzt hat) um den Einzug ins Stanley-Cup-Finale gegen die Anaheim Ducks mit dem Deutschen Korbinian Holzer. In der Nacht auf Samstag europäischer Zeit hat Nashville die erste Partie der "Best-of-seven"-Serie im Finale der Western Conference 3:2 nach Verlängerung gewonnen.

Vor den Augen von Bastian Schweinsteiger startet Nashville durch

Zuvor hatten die Predators schon die St. Louis Blues, für die das eingangs erwähnte Auto stellvertretend herhalten musste, aus dem Wettbewerb geworfen. Seit Jahren schon schmückt sich die 600 000-Einwohnerstadt Nashville im Eishockey mit dem martialischen Namen Smashville, übersetzt "Zerstörerstadt". Doch tatsächlich wurden die Predators von den Gegnern dafür eher belächelt, denn zerstört hatten sie sich bislang eigentlich immer selbst. In ihrer 20-jährigen NHL-Zeit sind sie spätestens immer dann ausgeschieden, wenn es um den Titel ging. Schon jetzt aber spielt der Klub die stärkste Saison seit seinem Bestehen.

Dabei standen die Vorzeichen auch in diesem Jahr schlecht: Als Achter im Westen qualifizierten sie sich für die Playoffs, was zur Folge hat, dass sie auf den Ersten trafen: die Chicago Blackhawks, sechsmaliger Stanley-Cup-Sieger, haushoher Favorit mit den hochdekorierten Weltklassespielern Patrick Kane, Jonathan Toews oder Artemi Panarin. Doch was sich dann in der ersten Playoff-Runde vor den Augen der Neu-Chicagoer Sportlergröße Bastian Schweinsteiger und seiner Frau Ana Ivanovic abspielte, mutete doch kurios an: Mit einem Torverhältnis von 13:3 und 4:0-Siegen, also einem sogenannten Sweep, dem ersten der Klubgeschichte überhaupt, kamen die Predators weiter. "Das ist definitiv ein unglaubliches Gefühl", sagte Nashvilles Verteidiger Josi hinterher. Sein finnischer Torhüter Pekka Rinne blieb zweimal ohne Gegentor.

Daheim ist Nashville als einziges Team unbesiegt

Sie sind die beiden Stützen, auf denen der Erfolg fußt: Rinnes Fangquote liegt in den Playoffs bisher bei über 95 Prozent, das ist Liga-Bestwert. Und auch die nur knapp 29 Torschüsse, die die Predators um Abwehrchef Josi pro Spiel zulassen, sind ein Bestwert in diesem Jahr. Josi kommt zudem bereits auf starke vier Tore. Seit 2014, seit Trainer Peter Laviolette das Team anleitet, haben sich die Predators stetig verbessert. Es ist das Ergebnis einer klugen Einkaufs- und Spielertauschpolitik.

Trotzdem kommt man nicht umhin, den Erfolg auch mit den eishockeyverrückten Fans in der Stadt zu beschreiben. Mit jenen, die auch mal auf ein Blues-Auto eindreschen. "Wir können die Fans schon fünf Minuten hören, bevor wir aufs Eis gehen", sagte Nashvilles Austin Watson dem Ligaportal nhl.com. "Es ist ein unglaubliches Gefühl. Du kannst die Energie fühlen, wir saugen das auf." Und zwar mit großem Erfolg: Nashville ist die heimstärkste Mannschaft der Liga, als einzige ist sie in den Playoffs in der eigenen Arena noch ungeschlagen.

Gegen Anaheim, die als Favorit ins Duell gingen, hat der Außensteiter nun das erste Spiel auswärts gewonnen, der Heimvorteil der Kalifornier ist damit schon einmal nach Tennessee gewandert. Nach dem zweiten Auswärtsspiel am Sonntag (Ortszeit) folgt dann der erste Heimauftritt der Predators in der Serie um den Einzug ins Meisterschaftsfinale am Dienstag. Sie dürften schon wieder ein Auto präpiert haben dafür. Smashville ist bereit für die nächste Favoritenzerstörung.

© SZ vom 14.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: