Nachwuchsakademie in Salzburg:Wo Red Bull alles kontrolliert

50 Millionen Euro für neue Talente und Markenbotschafter: Der Getränkehersteller Red Bull eröffnet in Salzburg eine Sportler-Fabrik für Eishockey und Fußball. Damit sich die Investition lohnt, wird nichts dem Zufall überlassen.

Von Sebastian Fischer, Salzburg

Im zweiten Stock ächzt ein Eishockeyspieler. Ein Laufband aus weißem Kunststoff rast unter ihm hinweg, er stößt sich mit seinen Schlittschuhen kraftvoll ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann wird das Laufband langsamer, er löst eine Leine von seinem Rücken, die an der Decke befestigt ist, springt zur Seite, atmet schwer. Der Leistungsdiagnostiker schaut auf einen Bildschirm, der Geschwindigkeit und Pulsfrequenz in Kurvendiagrammen anzeigt. Zufriedenes Nicken.

Eine Etage tiefer ächzen Fußballer. Unter einem 16 Meter hohen, schwungvoll gewölbten Dach sprinten sie über einen bewässerten und beheizten Kunstrasenplatz. Hinter einer Plexiglasscheibe schaut der Leistungsdiagnostiker wieder auf einen Bildschirm, dort erscheinen die Spieler als kleine Mensch-ärgere-dich-nicht-Figuren, bunte Linien markieren Geschwindigkeits-Korridore. Auch hier: Kurvendiagramme, Pulsfrequenzen. Zufriedenes Nicken.

Superlativ auf 100 000 Quadratmetern

"Leistung ist planbar", sagt Ralf Rangnick. Der Sportdirektor der Fußballer von Red Bull Salzburg und RB Leipzig schaut mit ernstem Blick durch die Gläser seiner randlosen Brille, er steht im schwarzen Seidenanzug an dem Ort, an dem seine Worte Wirklichkeit werden sollen. Willkommen in Salzburg, Stadtteil Liefering. Willkommen in der Sportler-Fabrik eines Brauseherstellers.

Superlative gehören zu dem Konzern aus Fuschl am See wie der Zucker zu dem klebrig süßen Getränk, mit dem alles begann und der Gründer Dietrich Mateschitz zum Milliardär wurde. Am Wochenende hat RB Salzburg nun die weltweit erste Nachwuchsakademie für Eishockey und Fußball eröffnet, ein Superlativ auf 100 000 Quadratmetern. In 21 Monaten Bauzeit ist ein Gebäude mit 12 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche entstanden, das Wohnraum für 150 Jugendliche bietet. 120 Sportler zwischen 14 und 20 Jahren sind schon im Juli eingezogen, insgesamt 400 kommen täglich zum Training.

Es gibt sieben Fußballplätze, zwei Eishockeyhallen. Die Ausstattung ist beinahe beängstigend modern: Überall hängen Kameras, filmen Bälle, Pucks und Spieler. Ein Tracking-System ortet die Jugendlichen bei jeder Einheit mithilfe von Transpondern an Westen und Gürteln. Bis in den letzten Winkel ist jedes Detail geplant.

Jedes Training wirft Daten ab

"Es fehlt den Spielern hier an nichts", sagt Rangnick. Er führte am Wochenende Journalisten durch das Gebäude, durch Zimmer, Krafträume, Erholungsbäder. Immer wieder betonte er, dass all der Schnickschnack, all die modernste Technik, nicht ausschlaggebend sei. "Entscheidend sind die Menschen", sagte er. Im Hintergrund schien Sonnenlicht durch das Glasdach auf einen Pinienbaum im Treppenhaus. Jugendliche schlenderten in Trainingsanzügen aus der verglasten Kantine über den Parkettboden im Flur, feixten. Nach Fabrik soll es hier nicht aussehen. Aber wie nennt man es sonst, wenn ein Unternehmen Millionen ausgibt, um zu produzieren, was die Zukunft seines Kerngeschäfts werden soll?

Nein, um Marketing ginge es Dietrich Mateschitz nicht, sagt Rangnick. Der studierte Fußballlehrer hat am Wochenende auch die Beweggründe seines Chefs erklärt, für das Projekt in Liefering rund 50 Millionen Euro zu bezahlen, laufende Kosten ausgenommen: "Herr Mateschitz will jungen Menschen eine Top-Ausbildung ermöglichen. Wenn er ein paar Dosen mehr verkaufen wollte, würde er es anders machen."

Kein Marketing also. Dabei geht es Dietrich Mateschitz, dem geheimnisvollen Herrscher des Brause-Imperiums, eigentlich immer und ausschließlich um Marketing: 1,5 Milliarden Euro hat der Konzern aus Fuschl am See zuletzt dafür ausgegeben, knapp eine Milliarde Euro im Sport. Marketing ist längst die Disziplin, für die Red Bull den Großteil seiner Ressourcen bereitstellt.

Viermal im Jahr wird über Zukunft entschieden

Die Akademie ist natürlich eine Investition in die Zukunft vieler Jugendlicher, die in Salzburg perfekte Bedingungen vorfinden. Doch die Jugendlichen sollen vor allem zu neuen Brausemarkenbotschaftern werden, zur sportlichen Elite, mit roten Bullen auf der Brust.

Dabei wird nichts dem Zufall überlassen: Bevor ein Spieler aufgenommen wird, muss er neben sportlichen auch psychologische Tests bestehen, außerdem wird das familiäre und soziale Umfeld durchleuchtet. Wer einmal da ist, wird ständig evaluiert, jede Trainingseinheit wirft Daten ab. Viermal im Jahr soll eine Leistungsdiagnostik stattfinden, danach wird in Absprache mit den Trainern entschieden, ob Sportler und Unternehmen noch eine gemeinsame Zukunft haben.

"Wenn man Leistung entwickeln will, geht das nur mit Informationen", sagt Rangnick: "Wir können gar nicht genug Informationen haben." Dass Informationen viel Geld kosten, spielt keine Rolle. In Leipzig wird gerade die nächste Akademie gebaut, für rund 35 Millionen Euro.

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