Nachtslalom:Neureuthers Wunderschuhe helfen nur im ersten Durchgang

Lesezeit: 3 min

"Es ist extrem schade": Felix Neureuther verpasst seinen ersten Saisonsieg. (Foto: Dominic Ebenbichler/Reuters)
  • Ein Einfädler im zweiten Durchgang kostet Felix Neureuther beim Slalom in Schladming den Sieg.
  • Der Norweger Henrik Kristoffersen gewinnt, Zweiter wird der Österreicher Marcel Hirscher.
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Von Matthias Schmid, Schladming

Manche Skifreunde haben es sogar aufs Dach der Tenne geschafft. Die überdimensionierte Skihütte steht am Rande des Zielraums von Schladming und sie eröffnet aus luftiger Höhe einen perfekten Blick auf das imposante Stadion an der Planai. Hier feiern sich die Skifreunde und Rennläufer gerne selbst, alles ist größer und besser als anderswo, zumindest ist es an keiner anderen Skipiste dieses Planeten lauter, stimmungsvoller und brennen so viele Bengalos wie in der Steiermark. Als Felix Neureuther im ersten Lauf nach der Ziellinie abschwang, herrschte so ein infernalischer Lärm, dass ihn die Besucher noch Stunden später in den Ohren hatten.

Im zweiten Durchgang sahen die Zuschauer Neureuther dann aber nur noch als winzigen Punkt, Neureuther stand neben der Piste, er stützte sich auf seine Stöcke, er hat nach ein paar Sekunden eingefädelt, er war ausgeschieden. Unten im Ziel fand die Siegerehrung ohne den Sportler vom SC Partenkirchen statt, Henrik Kristoffersen feierte dafür seinen sechsten Slalom-Sieg im siebten Rennen.

"Es ist extrem bitter", sagt Neureuther

Der Norweger siegte vor dem Österreicher Marcel Hirscher, der im zweiten Durchgang noch vom 22. Rang auf den zweiten Platz vorgefahren war, weil er im zweiten Lauf auf der wegen der Wärme völlig ramponierten Piste von der frühen Startnummer profitierte. Auf Rang drei kam der Russe Alexander Khoroschilow vor dem Deutschen Dominik Stehle, nie zuvor war der 29-Jährige aus Obermaiselstein besser in einem Weltcup-Rennen platziert. Fritz Dopfer beendete das Rennen als Fünfter.

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"Es ist extrem schade, dass ich eingefädelt bin", sagte Neureuther, als er wieder im Zielraum stand: "Es ist extrem bitter, weil ich ein gutes Gefühl hatte." Der Platz auf dem Stockerl schien für ihn reserviert zu sein. Im ersten Durchgang hatte der 31-Jährige mit einer harmonischen und zugleich spektakulären Darbietung nicht nur die mehr als 40 000 euphorisierten Volksfestbesucher im Skistadion verzückt, er hatte auch alle seine Konkurrenten ziemlich verblüfft, manche sogar verstört.

"Das war mein bester Lauf in dieser Saison", hatte Kristoffersen kopfschüttelnd festgestellt. Eine Sekunde und zehn Hundertstel war der Norweger trotzdem langsamer als der Deutsche gewesen. Ausgerechnet Kristoffersen, der überragende Skirennläufer des Winters. Marcel Hirschers Rückstand summierte sich sogar auf 2,59 Sekunden - eine Ewigkeit im Skisport. Der Österreicher hatte aber eine ziemlich gute Ausrede parat. Schuld war seine Brille. "Die beschichtete Seite war auf der falschen Seite und so ist mir alles angelaufen."

Doch wahrscheinlich hätte er im ersten Durchgang auch mit klarer Sicht keine Chance gehabt gegen Neureuther. Dieser hatte nur die Schultern hochgezogen, als einer nach dem anderen an seiner Richtzeit gescheitert war. Dabei wusste er ganz genau, warum er wieder so schnell war. Er hatte lange mit seiner Situation gehadert, er hatte getüftelt und sich irritiert gefragt, warum er nicht mehr mit Hirscher und Kristoffersen mithalten konnte. Die beiden hatten den Slalom in dieser Saison auf ein neues Niveau gehoben, es war eine geschlossene Gesellschaft. Neureuther blieb der Zugang verwehrt, "weil wir beim Setup ein Stück weit stehen geblieben sind", wie es der 31-Jährige formulierte.

Er war nicht zufrieden mit der Abstimmung von Skiern, Bindung und Schuhen. Er hatte sich deshalb am Montag beim Training in Haus im Ennstal neue Stiefel übergezogen. Es war das erhoffte Wundermittel gegen die chronische Dominanz seiner beiden Rivalen. "Ich habe das erste Mal seit Oktober wieder das Gefühl gehabt, dass ich Skifahren kann", erzählte Neureuther hinterher beglückt. Endlich konnte er wieder diese engen, schnellen und spektakulären Schwünge fahren, die ihn in den vergangenen Jahren mit Hirscher abgehoben hatten vom Feld. Die großen Zeitabstände überraschten ihn dabei keineswegs.

"So eine Pfeife bin ich jetzt auch nicht, ich habe schon oft bewiesen, dass ich relativ schnell Skifahren kann", sagte Neureuther. Er war wieder ganz bei sich, er war wieder der lächelnde Lausbub und Gefühlsskifahrer, weit weg vom schimpfenden Grübler der vergangenen Wochen, den immer wieder anhaltende Rückenschmerzen und zuletzt auch noch ein Infekt zu Trainingspausen gezwungen haben. Frustriert hatte er nach dem siebten Platz zuletzt in Kitzbühel von einem Übergangsjahr gesprochen. Nur ein Tag lag dazwischen.

"Jetzt bin ich wieder der Alte", sagte Neureuther in Schladming nun vor dem Finallauf erwartungsfroh. Er hat noch leise hinzugefügt: "Das Rennen besteht aber aus zwei Läufen und es bringt nichts, wenn du im ersten schnell warst und im zweiten nimmer." Felix Neureuther hatte zu diesem Zeitpunkt nicht geahnt, dass der Abend noch so brutal enden würde. Mehr an sich selbst gerichtet stellte er am Ende noch fest: "Das Positive ist, dass ich weiß, dass der Speed wieder da ist." Es war ein schwacher Trost.

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