Nach Pyro-Attacken beim Ruhrderby:BVB erwartet Stellungnahme der Fans

FC Schalke 04 - Borussia Dortmund

Auf der Flucht vor den Raketen der eigenen Fans: BVB-Torwart Roman Weidenfeller in Schalke.

(Foto: dpa)

Wie konnten die Raketen und die Pyrotechnik ins Stadion gelangen? Wendet sich die Mehrheit der friedlichen Fans nun von den Krawallmachern ab? Borussia Dortmund reagiert entsetzt auf die Raketen-Schüsse vermummter Anhänger beim Ruhrderby in Schalke. Vom DFB werden Sanktionen erwartet.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Zumindest einen positiven Nebeneffekt könnte der Raketen- und Pyro-Auftritt im Dortmunder Block in der Gelsenkirchener Arena nun haben: Nach den offenbar gezielten Schüssen mit Leuchtspur-Munition in Schalker Sitzplatz-Blocks hinein, in denen sich auch Kinder und ältere Zuschauer befanden, scheint es in den Fankreisen des BVB eine zumindest teilweise Entsolidarisierung mit den Pyromanen zu geben.

Eine der Raketen war bei der offenbar gut vorbereiteten Aktion vor Beginn des Derbys nur knapp neben Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller eingeschlagen, der sich vor den BVB-Fanblock gestellt hatte, um zu schlichten. Die Polizei in Gelsenkirchen nahm, trotz der martialischen Bilder des qualmenden BVB-Blocks, am Ende nur vier Personen fest. Den einzigen Verletzten hatte die Polizei selbst zu beklagen, eine Platzwunde bei einem Beamten, zugefügt durch einen Schalker.

Zum Vergleich: Vor einem Jahr, beim letzten Derby in Dortmund, mussten 180 rivalisierende Anhänger festgenommen werden, es gab Dutzende Verletzte, der Polizei gelang es nur mit Mühe, Schlägereien zwischen krawallsuchenden Gruppen beider Klubs zu bremsen. Dieses Mal gelang es der Polizei zwar wesentlich besser, die auf jeder Seite potenziell etwa 500 Mann starken Gruppen voneinander fernzuhalten, dafür versagte offenbar der Stadion-Ordnungsdienst bei der Durchsuchung am Eingang.

Dortmunds Vorstandschef Hans-Joachim Watzke kündigte an, dass die Randale "nicht ohne Folgen" bleiben werde. Am Sonntag sagte Watzke: "Diese Aggressivität kann man einfach nicht mehr mit romantischen Motiven verklären." Er sei "persönlich sehr frustriert" über die Ausschreitungen. "Ich habe mit den betreffenden Gruppen mehr als zwanzig Mal zusammengesessen. Aber es scheint in den Ultra-Verbindungen gar keine Struktur mehr zu geben - das ist den vermeintlichen Anführern offenbar längst alles entglitten."

Dortmund beschäftigt hauptamtlich vier Fanbetreuer, die selbst aus der Ultra-Szene stammen. Watzke schränkte allerdings ein: "Wir haben eigentlich ausschließlich bei den Schalke-Derbys diese Probleme." Ungeklärt ist bisher eine Frage der Polizei-Strategie vor dem Spiel. Am Essener Vorort-Bahnhof Essen-West hatte die Polizei 376 Dortmunder Fans festgesetzt, die sich den üblichen Reisewegen und der Überwachung durch die Polizei offenbar hatten entziehen wollen.

Diese Gruppe wurde zwar in Essen kontrolliert, anschließend aber in Busse gesetzt und zum Stadionbesuch kutschiert. Zu dieser Gruppe, so wird vermutet, gehörten auch die rund zehn Raketenwerfer und ihre schützende Umgebung. Offenbar waren die Kontrollen am Stadion so lax, dass es ausgerechnet dieser schon vorher auffälligen Gruppe möglich war, die Pyrotechnik ins Stadion zu schmuggeln.

Teilausschluss der BVB-Fans?

In den Fan-Foren des BVB hatte sich zunächst die übliche Verharmlosung breit gemacht: Es sei "keiner gestorben", was soll die Aufregung? Erst im Laufe des Sonntags kippte offenbar die Stimmung zugunsten des größeren Anteils der Fans, die zwar zum Teil für das ebenfalls nicht ungefährliche Abbrennen von Bengalos zu haben sind, die aber das gezielte Schießen von Raketen als Grenzüberschreitung qualifizierten. Dass es am Samstag mit dem Schrecken und einigen versengten Jacken abging, war schließlich nur dem Zufall geschuldet.

Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, der schon nach dem Spiel gesagt hatte, dass er sich "in dem Moment geschämt" habe für den eigenen Anhang, sagte am Sonntag: "Das war ja mehr als ein paar Pyros, die illegal im Block abgebrannt werden. Dass eine der Raketen direkt neben Roman einschlägt - das zeigte ja, dass völlig unkontrolliert herumgeballert wurde." Klopp hatte am Samstag betont, seine Mannschaft habe "nicht deswegen gewonnen, sondern trotz der Raketen". Auch Torwart Weidenfeller meinte: "Emotionen gehören gerne dazu, aber diese Aggressivität schießt völlig übers Ziel hinaus."

Watzke wollte sich noch nicht festlegen, welche Sanktionen es geben könnte. "Ich warte jetzt auf die Auswertung von Videos und Fotos, wen wir persönlich identifizieren können. Es ist klar, dass es für Täter, die wir trotz der Vermummung erkennen können, bundesweite Stadionverbote geben muss." DFB-Pressesprecher Ralf Köttker kündigte an, dass sich der DFB-Kontrollausschuss "mit den Vorkommnissen beschäftigen" werde. Es wird aus ähnlich gelagerten Fällen abgeleitet, dass auf Borussia Dortmund ein sogenannter Teilausschluss von Zuschauern zukommen könnte. Statt der üblichen 80 000 würden dann nur die Hälfte oder weniger ins Stadion gelassen. Das hätte wirtschaftliche Folgen, würde aber auch das Image bei Sponsoren und im Ausland beschädigen. Auch Schalke drohen als Veranstalter Konsequenzen.

Dortmunds Fans gelten in ihrer Gesamtheit eher als Vorzeige-Fans. Die oft beeindruckenden Choreografien gelten als Schmuckstücke, sie werden oft aus denselben Ultra-Gruppen organisiert, denen auch die Krawallmacher angehören sollen. Gerade "The Unity", die "Desperados", die "Jungborussen" und "Northside" sind in ihrer Zusammensetzung vielschichtig. In Verdacht stehen für die Vorfälle in der Schalker Arena Mitglieder der Gruppen "Desperados" und "Northside".

DFL-Liga-Präsident Reinhard Rauball, auch BVB-Präsident, stufte die Vorfälle als "das Überschreiten einer roten Linie" ein, "die bisher eingehalten wurde". Er wünsche sich von den Fan-Gruppen, mit denen der Ligaverband "sehr konstruktiv" über Pyrotechnik in den Stadien im Dialog sei, "jetzt auch einmal klare Stellungnahmen zu diesen Attacken". Jürgen Klopp meinte am Sonntag: "Es sind natürlich immer wieder Einzelne, die da kein Unrechtsbewusstsein haben. Es geht aber nicht anders, als weiterhin im Dialog zu bleiben und an die ganz große Mehrheit der Vernünftigen zu appellieren."

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