Nach Hakenkreuz-Eklat:Kroatien fürchtet harte Sanktionen

Split Hakenkreuz Rasen

Rasen der Schande: Offenbar mit chemischen Substanzen wurde beim 1:1 der Kroaten gegen Italien in Split ein Hakenkreuz in die Spielwiese gebrannt. Mittels Bildbearbeitung ist der Umriss des Symbols hervorgehoben worden.

(Foto: imago Sportfoto)

Das eingebrannte Hakenkreuz in den Rasen beim EM-Qualifikationsspiel ist nicht der erste rassistische Vorfall rund um die kroatische Fußball-Nationalmannschaft. Droht gar der Ausschluss von der EM 2016?

Von Tobias Schächter

Das 1:1 zwischen Kroatien und Italien Freitagnacht im Poljud-Stadion von Split war ein sogenanntes Geisterspiel. Die Uefa hatte den Kroatischen Fußballverband (HNS) zu einem Spiel ohne Zuschauer verurteilt, weil kroatische Anhänger im März beim 5:1 gegen Norwegen wieder einmal mit ultranationalistischen Gesängen und einer Pyrotechnikorgie aufgefallen waren. Gespenstisch wirkte dann tatsächlich das, was die Zuschauer vor den Fernsehgeräten zu sehen bekamen: Auf dem Rasen war während der gesamten Spiels ein riesiges Hakenkreuz zu erkennen.

In kroatischen Medien wird nun sogar spekuliert, der Skandal könnte die Mannschaft des Berliner Trainer-Brüderpaares Niko und Robert Kovač die Teilnahme an der Europameisterschaft 2016 in Frankreich kosten. Wie wird der Europäische Fußball-Verband Uefa auf den Eklat regieren? Die nächste Strafe für die schon häufiger sanktionierten Kroaten könnte drastisch ausfallen.

Der Verband entschuldigt sich für die "Schande"

Die Uefa muss sich aber auch die Frage gefallen lassen, warum das Spiel angesichts dieser Zumutung nicht abgebrochen wurde. Und: Wie ist es möglich, dass ein Hakenkreuz angeblich unbemerkt in den Rasen eines Stadions gebrannt werden kann, in dem ein EM-Qualifikationsspiel stattfindet? Offenbar wurde das Symbol mit einem chemischen Stoff 24 bis 48 Stunden vor dem Anpfiff in den Rasen implementiert, so dass es nur unter Flutlicht zu sehen war. Bislang hat die Polizei die Täter nicht ermittelt. Auch Ante Maslov, der Chef des Unternehmens, das in Split für die Rasenpflege zuständig ist, meldete sich in der Zeitung Večernji list zu Wort: "Das Hakenkreuz hätte nicht mit unserem Equipment in den Rasen gebrannt werden können. Ich bin mir sicher, dass meine Mitarbeiter nichts damit zu tun haben."

Das offizielle Kroatien ist empört. Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović sagte, das Ansehen aller Kroaten sei unermesslich beschädigt worden. Der HNS entschuldigte sich auf seiner Homepage für "die Schande". HNS-Boss Davor Šuker bemerkte, der Verband habe das Problem, dass die Fans die Regeln nicht respektierten: "Wir arbeiten daran, es zu lösen." Dabei sind nationalistische Ausfälle im kroatischen Fußball Alltag, auch die Protagonisten fallen dabei immer wieder negativ auf.

Im November 2013 wurde der ehemalige Bundesligaprofi Josip Šimunić vom Fußball-Weltverband Fifa für zehn Pflichtspiele gesperrt. Nach der erfolgreichen Qualifikation für die WM 2014 gegen Island schrie Šimunić im Maksimir-Stadion von Zagreb in ein Mikrofon: "Za dom". Viele Fans antworteten: "Spremni". "Za dom spremni" ("Für die Heimat bereit") war der Gruß der Ustascha - jener faschistischen Bewegung, die während des Zweiten Weltkriegs unter dem Schutz der deutschen Wehrmacht in Kroatien und Bosnien ein Terrorregime führte und Juden, Muslime und Serben in Vernichtungslagern umbrachte.

Der Gruß ist in Kroatien verboten. Šimunić verpasste deswegen die WM. HNS-Boss Davor Šuker erklärte dann, Kroatien spiele die WM "zu Ehren von Joe Šimunić". Šuker, 1998 WM-Torschützenkönig, besuchte 1996 das Grab des Ustascha-Führers Ante Pavelić in Madrid und ließ sich lächelnd wie ein Wallfahrer am Grab des Kriegsverbrechers ablichten.

Erste kroatische Liga vor fast leeren Rängen

Bei den Spielen der kroatischen Nationalmannschaft sind nicht wenige Menschen mit Ustascha-Utensilien zu sehen. Als Kroatien 2013 in der WM-Qualifikation gegen Serbien spielte, skandierten Tausende in Zagreb: "Killt die Serben." Während eines Freundschaftsspiels 2006 in Livorno gegen Italien stellten sich rund 200 Kroaten in ihrem Block so auf, dass sie ein Hakenkreuz bildeten. Und beim EM-Qualifikations-Hinspiel in Mailand 2014 skandierten kroatische Fans rassistische Parolen und feuerten Pyrotechnik ab. Laut der Zeitung Jutarnji hat der Verband seit 2005 bereits mehr als 700 000 Euro an Strafen für Fan-Ausschreitungen zahlen müssen.

Eine Lesart der Entgleisungen ist, dass mächtige Fanvereinigungen wie "Bad Blue Boys" (BBB) von Dinamo Zagreb oder "Torcida" von Hajduk Split mit Eklats bei Länderspielen versuchen, HNS-Verbandsboss Šuker zu stürzen. Der ehemalige Profi von Real Madrid und 1860 München gilt als Marionette von Zdravko Mamić, dem Präsidenten des Serienmeisters Dinamo Zagreb, der mit seinem Clan den kroatischen Fußball beherrscht. Mamić ist auch Exekutivdirektor und Vizepräsident im HNS.

Der Fußball in Kroatien ist von Spielmanipulations- und Bereicherungsvorwürfen, dubiosen Transfers und mafiösen Strukturen geprägt, die Partien der ersten Liga finden vor fast leeren Rängen statt. Denn Gewalt und kriminelle Machenschaften schrecken vom Stadionbesuch ab. Selbst die Mitglieder von BBB boykottieren die Spiele von Dinamo Zagreb, weil sie Dinamo-Boss Mamić der Bereicherung bezichtigen.

In Split sieht man sich von der aus dalmatischer Sicht gewollten Vormachtstellung von Dinamo benachteiligt. Als im November Fans von Hajduk Split der Zutritt zum Spiel bei Dinamo verwehrt wurde, kam es zum Eklat: Die Mannschaft trat nicht an. Danach demonstrierten in Split 20 000 "gegen die Ungerechtigkeit" im kroatischen Fußball und forderten Šukers Rücktritt. Der lächelte die Krise bei einem Benefizkick in Thailand weg. Als Nationaltrainer Niko Kovač jüngst mit einer Verbandsdelegation zur Vorbereitung des Italien-Spiels nach Split reiste, wurden die Offiziellen aus Zagreb von Hajduk-Hooligans auf einer Autobahnraststätte attackiert.

Der HNS macht nun Hajduk Split für die Hakenkreuz-Attacke verantwortlich, der Klub kümmere sich schließlich um den Rasen. Zugleich bot HNS-Generalsekretär Vrbanović den Rücktritt der Verbandsspitze an: "Falls sich unsere Probleme lösen, wenn wir zurücktreten, dann werden wir das tun."

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