Nach Grand Prix in Indianapolis:Pneu à pneu

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Michael Schumachers souveräner Sieg schürt Erwartungen für die zweite Saisonhälfte.

Elmar Brümmer

Eine feine Idee, die der Juwelier von Tiffany da hatte, auf den Pokal für den Sieger des Großen Preises der USA noch einen silbernen Globus zu pflanzen. Die Goldschmiedearbeit erschloss Michael Schumacher nach seinem Sieg in Indianapolis, dem dritten in dieser Saison, sinnbildlich eine lang vermisste Gefühlsebene: Plötzlich kann er die Welt(meisterschaft) wieder in Händen halten.

Hofft noch auf die Wende: Michael Schumacher (Foto: Foto: dpa)

Auch seinen Teamkollegen Felipe Massa, der den ersten Ferrari-Doppelerfolg seit September 2004 perfekt machte, wiegte er in seinen Händen. Der Brasilianer hatte ausgerechnet an dem Wochenende, an dem Ferrari die Option auf eine Vertragsverlängerung noch nicht nutzte, dem deutschen Chefpiloten erstmals wichtige Dienste geleistet. Schumacher hätte jedoch genauso gut einen seiner Bridgestone-Reifen auf dem Podium nach oben recken können: Der Gummifaktor gab den Ausschlag beim Start in die zweite WM-Hälfte.

Neun von 22 Autos im Ziel

Die Amerikaner dürfen für gewöhnlich Ungewöhnliches von der Formel 1 erwarten. Am Ende kamen nur neun von 22 Autos ins Ziel. Was vor allem mit dem peinlichen Auffahrunfall von Juan-Pablo Montoya auf seinen McLaren-Kollegen Kimi Räikkönen nach 300 Metern zu tun hatte. Die Silberpfeile bugsierten sich unter den Augen von Daimler-Chef Dieter Zetsche gegenseitig aus dem Rennen. Dann überschlug sich BMW-Pilot Nick Heidfeld viermal, weitere sechs Fahrer schieden aus.

Pneu à pneu waren die italienischen Rennwagen fortan in Art des derzeit in Deutschland so beliebten Autokorsos unterwegs. Ganz so, als hätte es nie eine Saison 2005 gegeben. Michelin hingegen blieb zum ersten Mal in diesem Rennjahr ohne Chance gegen Bridgestone. Nach dem Vorjahres-Debakel, als 14 Autos aus Sicherheitsgründen zurückgezogen werden mussten, war die französische Gummimischung diesmal verständlicher Weise haltbarer, was auf Kosten der Spitzengeschwindigkeit ging.

Schumacher hat noch 19 Punkte Rückstand

Schumacher gegen Alonso, Ferrari gegen Renault heißt ohnehin: Bridgestone gegen Michelin. Denn mit eher schlecht als recht passenden Pneus musste sich Fernando Alonso nach vier Siegen in Serie in den USA mit Rang fünf hinter den Ferraris, seinem Teamkollegen Fisichella und Toyota-Überraschung Jarno Trulli bescheiden. Sechs Punkte konnte Michael Schumacher so gut machen, 19 beträgt sein Rückstand bei acht ausstehenden Rennen. Das brachte Erleichterung und schürte die Erwartung.

"Mission erfüllt", bilanzierte er nach den 73 Runden - Vision noch nicht. Zuversichtlicher geht er die letzten acht Rennen an, für zuverlässiger hält er die eigene Prognose noch nicht: "Ich kann nur hoffen, dass es im gleichen Rhythmus weitergeht. Aber das wird schwierig. Wir erwarteten, dass wir in Kanada schon sehr stark sind, konnten es aber nicht umsetzen." Grund: Die Reifen. Begründung: Achselzucken. Wie abhängig die Leistungen von den Reifen sind, zeigt der Vergleich der Rennen von Montreal und Indianapolis, zwischen denen die Teams kaum konstruktiv Entscheidendes an den Autos ändern konnten. In Kanada hatte Alonso in der Qualifikation noch eine Sekunde Vorsprung auf Schumacher, in den USA lag der Deutsche gut anderthalb Sekunden vor dem Spanier.

Die Überraschung, dass Alonso mit schwächelndem Motor nicht mal mit seinem Adjutanten Fisichella mithalten konnte, verführt den nun fünffachen Indianapolis-Sieger Schumacher mitnichten zum Leichtsinn, eher zu einer Sichtweise Herbergerscher Art: "Jedes Rennen ist ein neues Rennen. Die große Frage ist, ob wir so weitermachen können. Aber es war ein wichtiger Schritt." Zumindest einer in Richtung Hoffnung.

Indianapolis bleibt für Alonso eine Warnung

Ferrari-Stratege Ross Brawn glaubt, dass die verbleibenden Rennen enger ausgehen: "Ein paar Rennen liefen gegen uns. Jetzt laufen die Dinge besser, wir müssen nur den Schwung behalten. Das zeigt, wie wichtig die Reifen sind. Aber nur wenn alle Elemente zusammen- passen, gibt es ein Resultat wie dieses." Sein Renault-Kontrahent Pat Symonds wagt noch keine abschließende Analyse: "Das Pendel kann durch den Reifenkrieg relativ stark ausschlagen, in beide Richtungen." Die entscheidende Frage: War Indy Ausnahme oder Exempel?

Ein paar Grad Unterschied in der Außentemperatur, und schon sind alle Prognosen wieder dahin. Alonso sprach bei der spontanen Ursachenforschung weniger über die Macht der Reifen als über die perfekt auf die Nordamerika-Rennen zugeschnittene Aerodynamik des Ferraris. "Ich bin nicht beunruhigt für die nächsten Rennen. Ich denke, es wird ausgewogener zwischen Ferrari und Renault. Wir müssen einfach nur weiter unseren Job machen", sagt der Spanier, erstmals in dieser Saison schlechter als an Rang zwei platziert. Er machte Abstimmungsfehler auf einer Strecke, mit der er traditionell nicht zurechtkommt.

In Fahrfehler lässte er sich deshalb noch nicht treiben - dazu ist sein Vorsprung zu groß, auch sein Wissen, dass der US-Kurs seinem Renault am wenigsten liegt. In zwei Wochen gibt es alles neu für Alonso - Motor, Aerodynamik, Reifen. Indianapolis bleibt eine Warnung: Der Druck lässt nicht nach.

© SZ vom 4.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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