Nach dem Sieg in Spanien:Der FC Bayern entdeckt die Bescheidenheit

Beeindruckend ist der FC Bayern in die Saison gestartet: Die Mannschaft agiert spektakulär und souverän, die internationale Presse überschlägt sich mit Lob. Doch Akteure und Verantwortliche üben sich in Bescheidenheit - und sollten sich an ein berühmtes Zitat von Uli Hoeneß erinnern.

Jürgen Schmieder

Uli Hoeneß hat einmal einen Satz gesagt, der ihm seitdem immer um die Ohren gehauen wird, wenn es nicht richtig läuft beim FC Bayern. Freilich hat Uli Hoeneß in seinem Leben viele Sätze gesagt, die ihm um die Ohren gehauen werden, wenn es nicht richtig läuft beim FC Bayern. Doch dieser eine Satz wird immer wieder gerne verwendet, weil er ulkig und dennoch trefflich ist. "Der Weihnachtsmann war noch nie der Osterhase", hatte Hoeneß im November 2006 gesagt mit Blick darauf, dass die Münchner am Ende der Saison ganz bestimmt einen Titel gewinnen würden, auch wenn es kurz vor der Adventszeit nicht unbedingt danach aussah.

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Jetzt trifft auch noch ein Rechtsverteidiger: Rafinha bei seinem 2:0 gegen Villarreal.

(Foto: AFP)

Kaum jemand ist bislang auf die Idee gekommen, diesen wunderbaren Satz einmal zu verwenden, wenn es ganz hervorragend läuft beim FC Bayern - doch nun, im September 2011, scheint die Zeit dafür gekommen zu sein. Der FC Bayern ist grandios in diese Saison gestartet, acht von neun Pflichtspielen hat die Elf von Jupp Heynckes gewonnen und dabei 24 Treffer erzielt. Das einzige Gegentor am ersten Bundesliga-Spieltag gegen Gladbach haben die Münchner quasi selbst erzielt.

Auf dem Bankett nach dem Sieg beim FC Villarreal, es gab andalusischen Gazpacho, Paella Valenciana und Rioja, war dann auch der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge zufrieden: "Wir haben jetzt acht Spiele gewonnen und zuletzt 21:0 Tore erzielt, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen." Sportdirektor Christian Nerlinger ergänzte: "Die Entwicklung der Mannschaft ist sehr erfreulich, fantastisch. Das gibt Selbstvertrauen und Stabilität."

Sie scheint ganz wunderbar zu funktionieren, diese Münchner Mannschaft, nach Spektakel-Trainer Jürgen Klinsmann und Ballbesitz-Fanatiker Louis van Gaal zeichnet sich bereits nach wenigen Spielen eine Jupp-Heynckes-Ära ab, zu der torreiche Zungenschnalz-Galas gegen schwächelnde Bundesligisten ebenso gehören wie das zweckmäßige Erledigen von Champions-League-Aufgaben wie eben jenem 2:0-Sieg in Villarreal.

Beeindruckend dabei ist nicht nur die Souveränität auf dem Spielfeld, sondern die Gelassenheit abseits davon. Freilich hat der FC Bayern erneut kein Gegentor hinnehmen müssen und dabei derart sicher agiert, dass man dieser Defensive zutrauen mag, auch gegen offensiv stärkere Gegner bestehen zu können. Die Münchner hatten 57 Prozent Ballbesitz und dabei sehenswerte Angriffe inszeniert, die Toni Kroos und Rafinha verwerten konnten.

Lob von der spanischen Presse

Doch nach dieser Partie taten Spieler und Verantwortliche so, als wäre das alles ganz selbstverständlich. "Meine Mannschaft hat heute mit ganz wenigen Ausnahmen sehr souverän gespielt", sagte etwa Trainer Heynckes. Die Spieler wackelten gelassen durch die Mixed Zone, hin und wieder gab es Sonderlob für Franck Ribéry und Toni Kroos. Sie berauschten sich nicht an diesem Erfolg, sondern nahmen ihn gelassen hin.

"Wo wir international stehen, kann man nach einem Spiel nicht sagen", sagte etwa Bastian Schweinsteiger. Manuel Neuer ergänzte: "Das war ein erster Schritt zum Überstehen der Gruppenphase." Und Karl-Heinz Rummenigge mahnte nach seinem Zunge-Zergeh-Lob bereits wieder zur Bescheidenheit: "Wir tun gut daran, den Ball flachzuhalten. Denn es geht weiter, und die Schlagzahl bleibt hoch."

Das übermäßige Lob überließen die Münchner der spanischen Presse. "Ein Bayern voller Superlative", ist in der Zeitung AS zu lesen. In El Pais steht: "Der Ball war immer bei den Bayern, und der, der ihn am zärtlichsten behandelte, war Ribery." Und Marca schwärmt: "Bayern präsentiert seine Kandidatur auf den Champions-League-Titel."

Er wirkt spektakulär und souverän, dieser FC Bayern im Herbst, und dabei dennoch bescheiden und selbstkritisch. Die Mannschaft funktioniert hervorragend, Heynckes gibt den beruhigenden Moderator, das Umfeld ist zufrieden. Die Münchner präsentieren sich in einer beängstigenden Frühform und scheinen bereit für die nun schweren Prüfungen in Bundesliga und Champions League.

Doch genau deshalb sei nun auf den wunderbaren Satz von Uli Hoeneß verwiesen - selbst der Weihnachtsmann liegt ja noch in weiter Ferne. In wenigen Tagen zieht erst einmal das Münchner Kindl durch die Stadt, dann beginnt das Oktoberfest. Und dieses Münchner Kindl, das wissen Hoeneß und alle beim FC Bayern, war auch noch niemals der Osterhase.

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